Dermot Turing, Clearing and Settlement, Third Edition, Bloomsbury Professional 2021
Von Syndikusrechtsanwalt Peer Hennig, Leipzig
Dermot Turing, britischer Anwalt und Autor historischer Bücher mit Familienbezug, ist ausgewiesener Experte im Bank- und Kapitalmarktrecht mit Schwerpunkten im Aufsichtsrecht, konkreter „failed banks“ und Risikomanagement bei Finanzdienstleistungen. Mit der dritten Auflage von Clearing and Settlement legt er erneut ein überaus reizvolles Lehrwerk auf; eingängig in Stil und Aufbau – ein wahrer Lesegenuss.
Am Puls der Zeit legt die dritte Auflage ihr Augenmerk insbesondere auf die Transitions- und Anerkennungsprozesse der Finanzmarktinfrastrukturen im Zuge des Brexits. Aus der Perspektive eines britischen Rechtsanwenders verfasst, legt Clearing and Settlement seinen Fokus freilich auf die Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs. Allerdings ist diese durch den erst kürzlich vollzogenen Brexit noch nicht so weit von der kontinentaleuropäischen Rechtswelt entfernt, als dass das Werk nur noch auf die Insel gehört. Viel mehr aufgrund der jüngsten Entwicklungen lohnt sich das Nachschlagen in Turings Clearing and Settlement. Besonders wertvoll sind die umfangreichen Äußerungen über die Fortgeltung („on-shoring“) der Europäischen Regularien für das Post-Trading (zusammengefasst in Table 0.1 im Vorwort, S. vii) und die vielen folgenden Referenzen in den jeweils einschlägigen Kapiteln.
Insgesamt kommt das Werk sehr übersichtlich und eingängig daher. Schaubilder, Tabellen und Fallstudien veranschaulichen die komplexe post-trading Landschaft des Finanzmarkts. Umfangreiche Sammlungen relevanter Entscheidungen, Statuten, Regularien und Gesetzen sowie der zur weiteren Recherche einladende Fußnotenapparat ermöglichen dem Leser eine vertiefte Auseinandersetzung.
Das Werk gliedert sich intuitiv in drei Teile: die faktische Einführung in „Processes“, den rechtlichen Rahmen in „Regulation“ und das operative Herzstück „Risk and operations“. Turing führt recht pragmatisch in die Prozesse Clearing und Settlement ein. Wir kennen es alle aus dem Onlinehandel: Schnell geklickt ist das Super-Angebot und damit der Kauf initiiert. Doch spannend wird es nun erst richtig – kommt das bestellte Gut per Paketbote bis zur Haustür? Erreicht die Zahlung das eigene Bankkonto? In Clearing and Settlement beschäftigt sich Turing genau mit diesem Abschnitt der Transaktion, dem sogenannt post-trading.
Post-trading versteht sich jedoch nicht isoliert, weshalb in wenigen Worten das Trading selbst präzise mit dem Zusammenkommen von Ordern beim „matching“ erklärt wird. Daran reihen sich Clearing und Settlement mit jeweils ausführlichen Erläuterungen für ein fundiertes Verständnis - denn leider herrscht noch heute allerhand Begriffsverwirrung vor. Begriffsscharf versteht Turing Clearing als zentrale Funktion einer CCP im Management des wechselseitigen Ausfallrisikos der an der Ausführung der Transaktion beteiligten Parteien (vgl. dazu das europäische Verständnis in Art. 40 EMIR). Bestandteile sind das multilaterale Netting der offenen Kauf- und Verkaufspositionen der Teilnehmer sowie die Absicherung des Gegenparteiausfallrisikos, insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit. Mit diesem eminent wichtigen Thema setzt sich Clearing and Settlement in Kapitel 17 dezidiert auseinander. Settlement schließlich umfasst die physische und finanzielle Abwicklung der Transaktion.
Nachdem die relevanten Begrifflichkeiten geklärt sind, widmet sich Clearing and Settlement den namensgebenden Prozessen. Was passiert bei Clearing und Settlement? Vorgestellt werden die etablierten rechtlichen Konstruktionen zur Einbeziehung einer CCP und anhand von griffigen Übersichten und Fallstudien veranschaulicht. Vorgestellt werden diverse Akteure: Clearing Member, Non-Clearing Member, Sponsored clearing models, Internationale-Zentralverwahrer, Agent Banks, ACH, DNS, RTGS sowie denkbare Abwicklungsverhältnisse. Nicht nur demjenigen, dem diese Begriffe böhmische Dörfer sind, ist ein Blick in die relevanten Passagen empfohlen. Mit beglückender sprachlicher Leichtigkeit klärt Turing all diese Begriffe auf und erfüllt sie über ihre Historie mit Leben.
Nachdem grundlegendes Verständnis für Clearing und Settlement gelegt wurde, widmet sich Turing dem rechtlichen Rahmenwerk. Über internationale Standards von BIS und CPMI verdichtet sich der Blick auf den europäischen Rechtsrahmen mit EMIR, CSDR und SFD hin zu dem des Vereinigten Königsreichs, um schlussendlich in der konkreten Governance zu enden. Wie bereits angedeutet, behandelt Turing grenzüberschreitende Sachverhalte ausführlich, insbesondere die wechselseitige Anerkennung von CCPs in der europäischen Union und im Vereinigten Königreich. In Kapitel 10 - „The clearing imperative“ setzt sich Turing pointiert und kritisch mit den politischen Erwägungen und Überzeugungen hinter der Pflicht zum Clearing auseinander.
Im dritten Teil „Risk and operations“ wendet sich Turing den geläufigen Risiken von Finanzmarktakteuren und ihrem entsprechenden Risikomanagement zu. Beginnend mit dem kritischsten Risiko für die Abwicklung von Geschäften – der Insolvenz der Transaktionsbeteiligten. Nachdem die rechtsvergleichend häufig ähnlich ausgestalteten rechtlichen Besonderheiten der Insolvenzordnungen kurz abgehandelt sind, widmet sich Turing den speziellen Sicherungsrahmen von Finanzmarktakteuren. Neben Sondergesetzen für Sanierung und Abwicklung bespricht er weitere Spezialgesetze wie die Settlement Finality Directive (SFD), deren Umsetzung in britisches Recht und weitere nationale Regelungen. Wie gewohnt, beschreibt Turing Regelungsgehalt, Wirkung, Vor- und Nachteile pointiert wie prägnant. Anschließend werden in „Failure of infrastructures“ Sanierungs- und Abwicklungsleitlinien für CCPs und CSDs dargestellt. Als Ausgangspunkt dient zwar die BRRD, letztlich allerdings lediglich als bei Textlegung einzig verfügbarer europarechtlicher Rahmen. Regulation (EU) 2021/23 on a framework for the recovery and resolution of central counterparties („CCP R&R“) war bei Redaktionsschluss noch nicht verabschiedet, sondern erst in Form eines Kompromissvorschlags in der Welt. Eine dezidierte Besprechung der Neuregelung wäre wünschenswert und bleibt der Folgeauflage vorbehalten. Spannend und überaus erhellend sind auch die Ausführungen zur Interoperabilität – der Zusammenarbeit von Finanzmarktinstitutionen. Interoperabilität soll den Wettbewerb stärken und folglich wohlfahrtsfördernd sein; kommt allerdings auch mit einigen Risiken, wie zum Beispiel dem des „race to the bottom“ (vermindertem Risikomanagement zur Kosteneinsparung) einher. Erfrischend ist Turings unverstellter Blick auf die Vorzüge und Schwierigkeiten.
Das gesamte Werk Clearing and Settlementüberzeugt: flott und kompakt geschrieben, zeigt sich in jedem Kapital die außerordentliche Expertise des Autors. Historische Herleitung der heutigen Finanzmarktstrukturen, treffende Normexegese und präzises verdichtete Problemdarstellung und -behandlung qualifizieren Clearing and Settlementeinmal mehr zur Pflichtlektüre sowohl für Praxis als auch Lehre.