Liebers / Hoefs (Hrsg.), Formularbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 6. Auflage, Luchterhand 2021
Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen
Das von Liebersund neuerdings gemeinsam mit Hoefs herausgegebene Formularbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht erfreut sich einiger Beliebtheit. Dabei wird das Werk nicht nur von „Fachanwälten für Arbeitsrecht“, an die das Werk qua Titel adressiert ist, geschätzt, sondern auch von Praktikern in Unternehmen und Behörden. Das Bedürfnis an vorgefertigten Mustertexten kann dabei nicht hoch genug geschätzt werden, gewinnen doch die rechtlichen Anforderungen gerade in Unternehmen und Behörden stetig an Quantität und Komplexität. Ein mit arbeits- bzw. personalrechtlichen Fragestellungen befasster Praktiker ist daher schon aus zeitökonomischen Gründen gehalten, jedenfalls einfach gelagerte oder ständig wiederkehrende Sachverhalte schnellen und möglichst pragmatischen Lösungen zuführen können. Formularbücher stellen hierfür eine nicht zu unterschätzende Hilfestellung dar.
Dabei ist als Spezifikum zu beachten, dass es in anderen Rechtsgebieten möglich sein kann, zehn Jahre alte Mustertexte ggf. noch rechtssicher zu verwenden, während es im Arbeitsrecht aufgrund der schnellen Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung eines regelmäßigen „Updates“ bedarf. Das vorliegende Werk, nunmehr in 6. Auflage im Luchterhand Verlag erschienen, kommt dieser Anforderung nach und erscheint regelmäßig im Abstand von zwei bis drei Jahren, was weithin ausreichend ist (vgl. auch hier im Blog die Besprechungen der 3. Auflage, 4. Auflage und 5. Auflage). In der aktuellen Auflage konnten insofern etwa arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sars-CoV-2-Pandemie, das neue Geschäftsgeheimnisgesetz sowie das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts und zur Brückenteilzeit Berücksichtigung finden. Zudem wurden Rechtsprechung und Literatur auf den aktuellen Stand gebracht, was etwa im Bereich Urlaubsrecht (z.B. betreffend Hinweisobliegenheiten, Kürzung bei Sonderurlaub) zu einigen Änderungen führte.
Die Struktur des Werks ist im Vergleich zur Vorauflage im Wesentlichen unverändert geblieben. So ist das Werk in vier Teile gegliedert, die wiederum in einzelne Kapitel untergliedert sind. Dabei beginnt das Formularbuch wie üblich mit dem Individualarbeitsrecht (Teil 1). Von der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses (A.) über Standardarbeitsverhältnisse (B.), Nebenpflichten (C.) und diverse Sonderformen von Arbeitsverhältnissen (E., F., G.) über das laufende Arbeitsverhältnis (J.) bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (L.) finden sich hier die klassischen Themen aus dem üblichen Zyklus des Arbeitsverhältnisses wieder. Es folgt ein Teil zu Dienstverträgen (Teil 2), der sich einerseits mit Organverträgen (M.), andererseits mit freien Mitarbeitern und Handelsvertretern (N.) befasst. Zwar fallen diese Personengruppen nicht unter das klassische Arbeitsrecht, jedoch ist es für den arbeitsrechtlichen Praktiker nicht unüblich, dass er auch mit Fragen betreffend die Rechtsverhältnisse von Organmitgliedern oder von freien Mitarbeitern konfrontiert wird. Daher hat auch dieser Teil absolut seine Berechtigung in einem Formularbuch wie dem vorliegenden. Der dritte Teil, überschrieben mit „Kollektives Arbeitsrecht“, enthält zunächst vertiefte Ausführungen zu Fragen des Betriebsverfassungsrechts und abweichender Strukturen. Dabei ist löblich, dass auch das Personalvertretungsrecht (Q.) und das kirchliche Arbeitsrecht (R.) behandelt werden. Weitere Kapitel behandeln Fragen des Tarifvertragsrechts (S.), der Compliance (T.) und des Datenschutzes (U.). Im vierten und damit letzten Teil des Werks werden sodann noch einige unternehmensbezogene Fragestellungen vertieft behandelt. Dazu gehören maßgeblich der Übergang des Arbeitsverhältnisses (V.) sowie die verschiedenen möglichen Verfahren vor Arbeitsgerichten (X.), anderen Gerichten (Y.) sowie im Rahmen der Mediation (Z.).
Vertieft angesehen habe ich mir einige Problemlagen, die in der Praxis vermehrt auftreten, vom Grundsatz her einfacher Antworten bedürfen und dennoch ohne ein Formularbuch wie das vorliegende einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine dieser Problemlagen ist die Elternzeit (G.I). Hierzu bildet Bitsch nach kurzer Einführung mit den bereitgestellten Mustern den gesamten Zyklus der Elternzeit ab, beginnend bei der Mitteilung der Schwangerschaft (Rn. 9), über das Informationsschreiben an die schwangere Mitarbeiterin (Rn. 11), den Antrag auf Elternzeit (Rn. 18) bis hin zum Antwortschreiben des Arbeitgebers (Rn. 27). Die besondere Problemlage der sog. „Teilzeit in Elternzeit“ hat Bitschebenfalls im Blick und hält hierzu Texte für Antrag (Rn. 34), mögliche Vertragsänderung (Rn. 44) und Antragsablehnung (Rn. 49) bereit. Dabei können die Erläuterungen naturgemäß ganze sich dem BEEG widmende Kommentare nicht ersetzen, stellen aber die Grundzüge für die jeweilige Situation prägnant dar und sind damit so etwas wie ein kleines, ergänzendes Handbuch. Allerdings hätte ich mir die Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung gewünscht. So finden sich etwa die wichtigen BAG-Urteile zur Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer der Elternzeit (BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 362/18, NZA 2019, 1141), zur vorzeitigen Beendigung der Elternzeit aufgrund der Geburt eines weiteren Kindes (BAG, Urt. v. 08.05.2018 – 9 AZR 8/18, NJW 2018, 3053) sowie zur Präklusionswirkung im Hinblick auf andere als im Teilzeit-Ablehnungsschreiben genannte Gründe (BAG, Urt. v. 24.09.2019 – 9 AZR 435/18, NZA 2020, 340) in der Bearbeitung nicht wieder, was schade ist.
Eine andere praktische Problemlage betrifft das Zusammenspiel Urlaubsanspruch und ‑gewährung (J.IV). Nach der neueren EuGH-Rechtsprechung sind Arbeitnehmer nunmehr regelmäßig über ihren Urlaubsanspruch zu informieren, da dieser andernfalls nicht verfällt. Insofern ist es lobenswert, dass Jensen hier auch ein Muster betreffend „Urlaubshinweise des Arbeitgebers“ anbietet und sogar noch den kürzlich ergangenen BAG-Vorlagebeschluss zur Verjährung von nicht verfallenen Urlaubsansprüchen (BAG, Vorlagebeschl. v. 29.09.2020 – 9 AZR 266/20 (A)) berücksichtigen konnte.
Ein Blick ins Kapitel zum Personalvertretungsrecht stimmte mich ebenfalls sehr positiv. Die dort zu findenden Ausführungen und Muster können naturgemäß nicht alle Landespersonalvertretungsgesetze berücksichtigen, sondern orientieren sich am BPersVG, was ihren Nutzen für dem Landesrecht unterstehende Behörden jedoch nur begrenzt mindert, sind die Verfahren und Beteiligungstatbestände doch in weiten Teilen gleich oder jedenfalls sehr ähnlich. Thies setzt den Schwerpunkt richtigerweise auf individuelle Personalangelegenheiten, die das Gros der Beteiligungsverfahren betreffen dürften, und beschränkt sich zudem – der Zielgruppe des Werks folgend – auf arbeitsrechtliche Sachverhalte. Obgleich der versierte Praktiker die Beteiligungstatbestände weithin parat hat, sind doch immer wieder Nuancen zu beachten, die zuvor nicht hinreichend beachtet wurden. So sind immer wieder Streitigkeiten über die Inhalte der Unterrichtung im Rahmen der Vorlage beteiligungspflichtiger Sachverhalte zu beobachten. Thiesarbeitet insofern treffend heraus, dass die Unterrichtung so umfassend erfolgen muss, dass der Personalrat alle entscheidenden Gesichtspunkte kennt, die für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts von Bedeutung sein können (OVG NRW, Beschl. v. 07.11.2013 – 20 A 218/13.PVB), und rät, etwa bei einer beabsichtigten Einstellung die Bewerberdaten „umfassend mitzuteilen“(Q., Rn. 12). Ein Muster für einen vollständigen Antrag ist den Erläuterungen vorangestellt (Q., Rn. 7). Weitere Muster betreffen etwa Höhergruppierungen, Versetzungen und Kündigungen. Lobenswert ist auch, dass Thies drei Muster für in Dienststellen oftmals vorzufindende Dienstvereinbarungen in das Kapitel aufgenommen hat, darunter auch eines für die von § 166 Abs. 1 SGB IX grdsl. geforderte Inklusionsvereinbarung.
Bei der Lektüre und der Arbeit mit dem Werk zeigt sich, dass es sich um kein reines Formularbuch handelt. Wer lediglich eine Aneinanderreihung von Mustertexten und ‑schriftsätzen, Checklisten und Musterverträgen sucht, der wird mit diesem Werk nicht rundum glücklich werden. Vielmehr bietet das „Formularbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht“ aufgrund der teilweise sehr eingehenden Erläuterungen gewissermaßen eine Symbiose aus einem Formularbuch und einem sehr prägnanten, kleinen Handbuch, was insbesondere im Hinblick auf die Qualität als weithin gelungenes Unterfangen zu bewerten ist. Dadurch wird das Werk seinem Ansatz gerecht, eine „ebenso präzise wie effiziente Hilfestellung“(Klappentext) für die tägliche Arbeit zu bieten. Dies gilt auch trotz dessen, dass mir die Schwerpunktsetzung nicht immer vollends auf den Praktiker abgestimmt scheint, wenn etwa die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat – wohl eher nicht das täglich Brot des Arbeitsrechtlers – mehr Raum einnimmt als die Ausführungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gleichwohl sind die Bearbeitungen rundum gelungen und für die Praxis von großem Nutzen.
Selbstverständlich erübrigen die Mustertexte nicht die Anpassung an den konkreten Sachverhalt oder an die im Einzelnen geltenden, spezielleren Regelungen, etwa aus Arbeits- und Tarifverträgen oder aus Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen. Gleichwohl erleichtern die vielen Mustertexte die Arbeit in der Praxis ungemein, gerade auch, weil der Verlag – wie bereits bei den Vorauflagen – jedem Exemplar einen individuellen Zugangscode beifügt, mit dessen Hilfe sich die im Formularbuch wiedergegebenen Texte als bearbeitbare Dateien abrufen lassen. Diese Möglichkeit gefällt mir sehr und beschleunigt die Bearbeitung alltäglicher Problemstellungen.
Die Haptik des Werks ist weithin nicht zu bemäkeln. Zwar ist das Papier recht dünn geraten, was angesichts von fast 2.200 Seiten nicht überraschend ist. Jedoch ist der Einband sehr stabil, sodass die geringe Papierstärke der Haltbarkeit des Formularbuchs nicht schaden dürfte. Gewünscht hätte ich mir – zur Verbesserung des Lesekomforts – noch ein oder zwei Lesebändchen. Diese Bändchen, so klein und unterschätzt sie auch teilweise sein mögen, ermöglichen ein schnelles Springen zwischen Passagen, das oftmals erforderlich ist oder durch mehrere gleichzeitig bearbeitete Fragestellungen erforderlich wird.
Das Schriftbild ist typisch für Werke aus dem Luchterhand Verlag, insbesondere aus der Reihe „Formularbuch des Fachanwalts“. Allein die Gliederungsebenen des Werks finde ich etwas unpraktisch, sodass man sich hieran erst gewöhnen muss. Zwar wird man regelmäßig Formularbücher nicht zitieren müssen, jedoch ist es für die eigene Dokumentation oder auch für den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen nicht gänzlich fernliegend, auch einmal Fundstellen zu notieren. Hier besteht insofern noch Optimierungsbedarf, der aber aufgrund des hohen Gesamtnutzens und der sehr guten Qualität der Bearbeitungen den positiven Gesamteindruck des Werks nicht wesentlich schmälert.
Zusammenfassend gefällt mir das Formularbuch von Liebers/Hoefsüberaus gut. Praktiker in Anwaltschaft, Unternehmen und Verwaltung werden mit dem Werk ihre Freude haben und möchten es bereits nach kurzer Zeit nicht mehr missen.