Moll (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 5. Auflage, CH Beck 2021
Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen
Das Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, herausgegeben von Prof. Dr. Wilhelm Moll, LL.M. (Berkeley), ist – gleichwohl nun erst in 5. Auflage erschienen – aus der arbeitsrechtlichen Praktikerliteratur bereits nicht mehr hinwegzudenken. Moll, selbst Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, hat von Beginn an Wert daraufgelegt, dass es sich nicht einfach um einen weiteren arbeitsrechtlichen Kommentar handelt, sondern, dass es ein Werk ist, was tatsächlich im besten Sinne ein „Anwaltshandbuch“ darstellt. Es soll gewissermaßen „das Handbuch“ des arbeitsrechtlich tätigen Rechtsanwalts sein, der ständige Begleiter, den der Anwalt zu Rate zieht, wenn er mit üblichen Problemen befasst ist und nicht ständig „das Rad neu erfinden“ möchte. Das Handbuch soll so „dem Praktiker bei der täglichen Arbeit Orientierung“ geben und helfen, „in einer konkreten Sachverhaltskonstellation die einschlägigen Normkomplexe zu erfassen“(S. VI). Um dieses Ziel zu erreichen, hat Moll einen umfangreichen Kreis an Autorinnen und Autoren versammelt, maßgeblich aus Anwaltschaft sowie Arbeitsgerichtsbarkeit stammend. Damit ist der Ansatz des Werkes klar: Es soll ein Handbuch von Praktikern für Praktiker sein.
Die Neuauflage wartet mit dem Rechtsstand Sommer 2020 auf, wobei an einigen Stellen auch spätere Entwicklungen noch berücksichtigt werden konnten (so etwa zum Entwurf des Mobile-Arbeit-Gesetzes, § 13 Rn. 9). Das Werk wurde damit auf den aktuellen Stand gebracht, insbesondere betreffend Gesetzeslage und Rechtsprechung. Veröffentlichungen aus der Literatur werden ebenfalls berücksichtigt, allerdings folgt das Werk – den praktischen Aspekt in den Vordergrund stellend – zumeist der höchstrichterlichen Rechtsprechung und reißt Meinungsstreitigkeiten oftmals nur an. Die vorliegende 5. Auflage enthält zudem umfangreiche Aktualisierungen in den Bereichen Digitalisierung und Arbeitsrecht 4.0, Entgelttransparenzgesetz, Teilzeit und Befristung, Geschäftsgeheimnisschutz sowie COVID-19.
Das unverändert in 18 Teile gegliederte Handbuch umfasst auf 3340 Seiten thematisch alle Bereiche, die dem im Arbeitsrecht tätigen Praktiker tagtäglich begegnen bzw. begegnen können. Die Teile sind ihrerseits wiederum in Kapitel untergliedert, wobei die Kapitel über das Werk hinweg fortlaufend nummeriert wurden und damit die Zitation erleichtern. Gewissermaßen „vor die Klammer“ gezogen wurde eine von Altenburgverfasste Einführung zum arbeitsrechtlichen Mandatsverhältnis (Teil A.), die sicherlich insbesondere für Berufsanfänger lesenswert sein dürfte. Neben des Ausführungen zum Anwaltsvertrag im arbeitsrechtlichen Mandat (§ 2) und zur Abwicklung von Mandaten im Zusammenhang mit einer Rechtsschutzversicherung (§ 3) exerziert Altenburg den Gang eines Mandats auch beispielhaft am Fall einer Kündigung durch (§ 4), was das Ganze überaus anschaulich gestaltet. Bereits hier zeigt sich der praktische Nutzen des Werks in Form vielerlei Mustertexte, die dem Anwalt wertvolle Zeit und Geld sparen. Nur beispielhaft seien genannt die Mustertexte für den Anwalt zur Mandatsbestätigung (§ 2 Rn. 8), zur Vereinbarung über eine Haftungsbeschränkung (§ 2 Rn. 34), zur Vollmachterteilung (§ 2 Rn. 36), zur Vergütungsvereinbarung (§ 3 Rn. 13) oder zur Deckungsschutzanfrage (§ 3 Rn. 225), darüber hinaus die Checkliste zur Mandatsannahme (§ 2 Rn. 44). Daneben beinhalten die Ausführungen auch taktische Hinweise, etwa zur Vergleichsbereitschaft (§ 2 Rn. 38 ff).
Die weiteren Teile widmen sich Statusfragen (Teil B.) und folgen sodann dem gewöhnlichen Verlauf eines Arbeitsverhältnisses, beginnend mit der Begründung (Teil C.), über die Durchführung, insbesondere betreffend Arbeitspflicht (Teil D.), Entgelt (Teil E.), Urlaub (Teil F.), Nebenpflichten (Teil G.) und Betriebliche Altersversorgung (Teil H.), bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Teil I.). Sodann schließen sich besondere Themenkomplexe an. So widmen sich Kohnenden Betriebsübertragungen (Teil J.), Liebers den Betriebsänderungen (Teil K.), Ludwig/Kemna der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat (Teil L.) und Christ dem Fremdpersonaleinsatz (Teil M.). Schließlich folgen noch Ausführungen zum Tarifvertragsrecht (Teil N.), zu Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung (Teil O.), zum Arbeitsgerichtsverfahren (Teil P) sowie – gewissermaßen als kleine Exkurse –, zu den Anstellungsverhältnissen von GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstand (Teil Q.) sowie zur Mediation (Teil R.).
Exemplarisch habe ich mir zwei in der Praxis häufig wiederverkehrende Problemkreise angesehen. Zum einen das in § 106 GewO geregelte Direktionsrecht, wonach der Arbeitgeber grdsl. Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann. Gragert/Katerndahl beschreiben die Grundlagen des Direktionsrechts (§ 12 Rn. 21 f.) sowie die anerkannten Sonderfälle (§ 12 Rn. 23 ff.). So können bestimmte Aspekte (etwa Notfall- und Notstandsarbeiten) den Spielraum des Arbeitgebers vergrößern. Beachtlich sind sodann die Schranken des Direktionsrechts, maßgeblich durch Gesetze, Tarifverträge und Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen und den Arbeitsvertrag (§ 12 Rn. 29). Zudem ist das Weisungsrecht stets nur nach billigem Ermessen auszuüben. Die grundsätzliche Kasuistik hierzu stellen Gragert/Katerndahl prägnant und eingehend dar (§ 12 Rn. 30 ff.) und geben dem Leser zudem noch eine Checkliste mit an die Hand. Mögliche Erweiterungen des Direktionsrechts kommen ebenfalls zum Zuge (§ 12 Rn. 36 ff.) und enthalten neben einer Musterklausel eines einseitigen Versetzungsvorbehaltes zudem ein Musterschreiben für die Zuweisung einer anderen Tätigkeitsart. Zum anderen habe ich mir noch die Ausführungen zu Teilzeitansprüchen (§ 73) angesehen, da diese in der Praxis zunehmend wichtiger werden. Lüderslegt nach kurzer Einführung die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 8, 9a TzBfG dar und stellt den Gang des Verfahrens der Arbeitszeitverringerung vor, wobei er sowohl die dauerhafte (§ 8 TzBfG) als auch die befristete (§ 9a TzBfG) Verringerung im Blick hat. Die Erweiterung der Ausführungen um § 9a TzBfG hat sich allerdings noch nicht in der dem Kapitel vorangestellten Inhaltsübersicht niedergeschlagen, sodass dem Leser beim Anblick der Übersicht der Gedanke kommen könnte, § 9a TzBfG sei gar nicht berücksichtigt, was etwas misslich ist. Gut gefallen hat mir zudem die Übersicht von Lüders zur Teilzeitarbeit nach anderen Gesetzen, da es arbeitnehmerseitig durchaus möglich ist, verschiedene Anspruchsgrundlagen zu kombinieren und so die Teilzeitphase zu verlängern (Bayreuther, NZA 2018, 1577 (1578)). Der mit derartigen Problemen befasste Anwalt sollte daher stets die verschiedenen Rechtsgrundlagen im Blick behalten.
Hervorzuheben ist schließlich, dass auf einen eigenen, umfangreichen Teil zu den arbeitsrechtlichen Problemlagen im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie zwar verzichtet wurde, jedoch stattdessen diesbezügliche Hinweise und Ausführungen stets an den betreffenden Stellen im Werk eingefügt wurden. Wichtig für die anwaltliche Praxis sind wohl vor allem die Hinweise in Bezug auf Home-Office (vgl. § 13 Rn. 8 f.), Kurzarbeit bzw. Kurzarbeitergeld (vgl. § 1 Rn. 63; § 24 Rn. 165; § 66 Rn. 95; § 33 Rn. 102) sowie zu den verschiedenen Fragen der Entgeltfortzahlung (vgl. § 24 Rn. 166, 217 ff. sowie besonders eingehend zur Lohnfortzahlung während der Pandemie § 24 Rn. 221 ff.).
Ein Mammutwerk wie das Vorliegende erfordert natürlich ein umfangreiches Sachverzeichnis, um das gebündelte Wissen zugänglich, leicht auffindbar und somit optimal zu organisieren. Auf 3171 Seiten Hauptwerk folgen daher 168 Seiten Sachverzeichnis, was leider in dieser Ausführlichkeit nicht immer selbstverständlich ist und mir daher äußerst gut gefällt. Denn was nützt dem Leser das viele Wissen, wenn es nicht so wohl geordnet und verschlagwortet ist, dass er nicht binnen kürzester Zeit zur gesuchten Stelle zu gelangen vermag.
Die wertvollen Praxishilfen fügen sich insgesamt perfekt in den übrigen Text ein, der überaus gut lesbar ist, was nicht zuletzt daran liegt, dass der Verlag dem Werk einen umfangreichen Fußnotenapparat spendiert hat. Die Beck-Verlags-typische Gestaltung mit Fettdruck von Schlagworten, angenehmem Schriftbild, Randnummerierung sowie der Abhebung der besonderen Elemente (so werden Checklisten und Mustertexte grau unterlegt oder eingerahmt) tut ihr Übriges und bereitet dem Leser ein gesteigertes Lesevergnügen. Aufgrund des schieren Umfangs ist das Papier naturgemäß recht dünn, der Einband hingegen stabil, sodass es dem Werk in haptischer Hinsicht nicht an Langlebigkeit fehlen dürfte. Allein ein oder gar zwei Lesebändchen hätte ich mir noch gewünscht, da gerade in der täglichen Arbeit ein Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Kapitel oftmals unerlässlich ist oder gar mehrere Probleme gleichzeitig bearbeitet werden, sodass sich ein schnelles Wiederauffinden der zuletzt aufgeschlagenen Stelle als zeitsparend erweist.
Setzt man den nicht ganz geringen Preis ins Verhältnis zu der mit dem Band erzielbaren Zeitersparnis durch die prägnanten Ausführungen sowie die vielen Hinweise, Mustertexte, Beispiele, Checklisten, so wird sich der Kauf bereits nach kurzer Zeit amortisiert haben. Hinzuweisen ist allein darauf, dass eine digitale Bereitstellung der Praxishilfen nicht im Kaufpreis inkludiert ist und damit nicht umfasst ist; dies ist natürlich in der Praxis dann doch misslich, da die Formulare – bei Fehlen des entsprechenden Beck-Online-Moduls – „abzutippen“ sind. Eine dem Druckwerk beigefügte elektronische Bereitstellung jedenfalls der Mustertexte wäre daher wünschenswert (so bereits zur 4. Auflage hierim Blog).
Nach alledem ist das Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht allen im Arbeitsrecht tätigen Rechtsanwälten sehr zu empfehlen und sollte einen der oft wenigen Plätze im Handapparat erhalten. Zudem hat mir auch das „Stöbern“ im Werk viel Freude bereitet, lernt man auf diese Weise doch immer noch dazu. Kurzum: Die fünfte Auflage des „Moll“ gefällt mir sehr. Es ist im besten Sinne ein absolutes Standardwerk von Praktikern für Praktiker.