Brose / Weth / Volk, Mutterschutzgesetz, Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Auflage, C.H. Beck 2020
Von Rechtsanwalt Marc Becker, Leipzig
Das Mutterschutzrecht sowie die umfassenden Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld stellen einen Grundpfeiler des deutschen Arbeitsschutzrechtes dar und sind Ausdruck des Strebens nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Beide Gesetzestexte unterliegen – wie üblich – einem steten Wandel. Insbesondere das Mutterschutzrecht hat zuletzt eine umfassende Novellierung erfahren.
Die 9. Auflage des Kommentars zum Mutterschutzgesetz (MuSchG) und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) aus dem Hause C.H.Beck und der Reihe Beck´sche Kommentare zum Arbeitsrecht musste ganze 12 Jahre auf sich warten lassen. Die Vorauflage wurde noch von Prof. Herbert Buchner und Prof. Ulrich Becker verantwortet. Mit der Neuauflage wurde das gesamte Autorenteam ausgetauscht. Herausgeber (und selbst Autoren) der Neuauflage sind Prof. Wiebke Brose, Prof. Stefan Weth und Ri´inBAG Dr. Annette Volk. Ergänzt wird das Autorenteam durch Ri´inArbG Kerstin Herrmann, RiArbG Dr. Thomas Kühn, Yasmina Latterner, Akademische Rätin Dr. Laura Schmitt, Dr. Martin Wieske und Akademische Oberrätin Dr. Angie Schneider. Als Besonderheit ist hier hervorzuheben, dass es sich bei Herrn Dr. Martin Wieske nicht um einen Juristen, sondern einen Naturwissenschaftlicher handelt, der im Bereich des Arbeitsschutzrechtes tätig ist.
Das Werk ist entsprechend der beiden behandelten Gesetze aufgeteilt, wobei das MuSchG an erster Stelle steht. Eingangs sind die kompletten Gesetzestexte der eigentlichen Kommentierung vorangestellt. Eine Gestaltung die ich stets schätze. Wie üblich findet sich noch einmal der Normtext vor jeder Kommentierung. Zudem ist jede Norm mit einem eigenen Kurzinhaltsverzeichnis versehen. Sowohl dem MuSchG als auch dem BEEG sind jeweils informative Einleitungen vorangestellt, die die Geschichte des jeweiligen Gesetzes, die gesetzlichen Grundzüge und rechtlichen Vorgaben aus Verfassungs- und Europarecht zusammenfassen. Auffällig ist, dass der Umfang des Werkes im Vergleich zur Vorauflage um über 200 Seiten reduziert wurde; ein Fakt, der mittlerweile eher selten bei Neuauflagen ist.
Wichtige Stichworte sind in Fettdruck hervorgehoben und die Zitate befinden sich im Fließtext. Insgesamt sind die Texte übersichtlich und gut zu lesen.
Näher angesehen habe ich mir die Kommentierung zum Kündigungsverbot im BEEG. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BEEG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt wurde (also mit Zugang des formwirksamen Elternzeitverlangens) nicht kündigen. Eine gleichwohl gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung ist gem. § 134 BGB nichtig.
Die Kommentierung umfasst hier die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes sowie die Ausnahmen vom Kündigungsverbot durch behördliche Genehmigung. Besonders erfreulich ist, dass die Kommentierung bei der Darstellung des wichtigen Grundes für die ausnahmsweise Zulässigerklärung der Kündigung auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Kündigungsschutz bei Elternzeit verweist, die maßgebliche Grundlage für die behördliche Entscheidung ist. Daneben finden sich noch Ausführungen zur Zulässigerklärung der Kündigung bei besonders schweren Verstößen des Arbeitnehmers.
Besonderes Augenmerk habe ich aus aktuellem Anlass den Ausführungen zum Sonderkündigungsschutz bei der verteilten Inanspruchnahme von Elternzeit in mehreren Zeitabschnitten gewidmet. Das Gesetz sieht einen Kündigungsschutz für die Dauer der Elternzeit vor. Daneben gibt es einen zeitlich begrenzten vorgehenden Kündigungsschutz vor Beginn der Elternzeit. Wird die Elternzeit in mehreren Zeitabschnitten in Anspruch genommen, stellt sich die Frage, ob der vorgehende Sonderkündigungsschutz bei jedem Elternzeitabschnitt neu zu laufen beginnt. Dies wurde nach alter Rechtslage recht eindeutig verneint. Die Kommentierung bezieht sich hier auch eindeutig auf die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung und geht auch für die neue Rechtslage davon aus, dass der vorgehende Sonderkündigungsschutz nur für den ersten in Anspruch genommenen Elternzeitabschnitt gilt. Leider wird dabei übersehen, dass es mittlerweile zahlreiche Stimmen in der Literatur gibt, die davon ausgehen, dass der vorgehende Sonderkündigungsschutz vor jedem Elternzeitabschnitt neu zu laufen beginnt (BeckOK ArbR/Schrader, 56. Ed. 1.6.2020, BEEG § 18 Rn. 4; ErfK/Gallner, 20. Aufl. 2020 Rn. 5, BEEG § 18 Rn. 5; KR-/Bader, 12. Aufl. 2019, § 18 BEEG Rn. 54). Geht man mit der nunmehr (herrschenden) Meinung von der Erstreckung des vorgehenden Sonderkündigungsschutzes auf alle Elternzeitabschnitte aus, hat dies eine erhebliche Ausdehnung des Kündigungsschutzes und weitgehende Auswirkungen auf die Beratungspraxis zur Folge. Insofern ist es ärgerlich, dass die nicht unwesentliche, abweichende Auffassung in der Kommentierung keinen Niederschlag gefunden hat. So könnte in der Beratungspraxis die Besonderheit dieser Sachverhaltskonstellation schnell übersehen werden.
Einen weiteren Blick habe ich in die Kommentierung zur Vertretungsbefristung gem. § 21 BEEG geworfen. Danach liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin u.a. für die Dauer einer Elternzeit eingestellt wird. Nach § 21 Abs. 2 BEEG ist über die Dauer der Vertretung hinaus die Befristung für notwendige Zeiten einer Einarbeitung zulässig. Die Dauer der Befristung des Arbeitsvertrags muss kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Alternativ muss der Zweck der Elternzeit-vertretung dem Vertrag zu entnehmen sein.
Die Kommentierung stellt hier die wesentlichen Voraussetzungen der zulässigen Sachgrundbefristung dar. Insbesondere überzeugend sind die Ausführungen zu Kausalzusammenhang (insbesondere mittelbarer Vertretung) und Prognoseentscheidung, die in der Praxis einen wesentlichen Eckpunkt für die Begründung der Sachgrundbefristung darstellen.
Auch die Ausführungen zur grundsätzlichen Befristungsdauer sind überzeugend. Die Befristungsdauer kann gem. § 21 Abs. 2 BEEG auf die Dauer einer „Einarbeitung“ erstreckt werden. Leider verhält sich die Kommentierung hier nicht zu der Frage, ob die Dauer der Einarbeitung auch eine Einarbeitung des vertretenen Mitarbeiters nach Rückkehr aus der Elternzeit umfasst. In Praxis kann sich hier das Problem stellen, dass auch der Vertretene eine erneute Einarbeitung/Übergabe nach seiner Rückkehr benötigt und sich die Befristungsdauer grundsätzlich auch hierauf beziehen müsste. Andere einschlägige Kommentierungen positionieren sich hierzu eindeutig (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, 5. Aufl. 2017, BEEG § 21 Rn. 23; Laux/Schlachter/Schlachter, 2. Aufl. 2011 Rn. 8, BEEG § 21 Rn. 8; KR/Lipke, § 21 BEEG Rn. 46; MüKoBGB/Hesse TzBfG § 23 Rn. 20).
Insgesamt vermittelt das Werk einen positiven Gesamteindruck. Es handelt sich um einen umfassenden Überblick über alle wesentlichen Themen des BEEG und MuSchG und darf daher sicher auf keinem Arbeitsplatz von Arbeitsrechtlern fehlen. Letztendlich können auch die angesprochenen Details nicht den positiven Gesamteindruck entscheidend trüben. Dennoch gehe ich davon aus, dass der Kommentar den Anspruch erhebt, einen umfassenden Überblick über das BEEG zu bieten, auch da es sich um einen themenbezogenen „Spezial“kommentar handelt. Dies sollte aus meiner Sicht die Bearbeitung wichtiger Detailfragen umfassen, da der Praktiker jedenfalls auch für solche einen Kommentar zur Hand nimmt. Insofern wäre es wünschenswert, wenn eine weitere Auflage (auf die man hoffentlich nicht erneut 12 Jahre warten muss) noch einen geschärften Blick auch auf Detailprobleme und -fragen wirft, um so einen noch größeren Mehrwert für die Praxis zu liefern.