Kaniess, Abschiebungshaft, 1. Auflage, Nomos 2020
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Abschiebehaftverfahren sind bzw. waren (inzwischen erfolgt immer öfter eine Zuständigkeitskonzentration auf bestimmte Amtsgerichte in den Bundesländern) gerade an kleineren Amtsgerichten mit die unangenehmste Aufgabe für die betroffenen Richter, sowohl im Bereitschaftsdienst als auch im normalen Geschäftsgang. Dies liegt zum einen daran, dass es eine überschaubare Anzahl von Fällen gibt, dann aber dennoch eine Vielzahl von Fallstricken lauern können, sowohl was die Beteiligten als auch die anzuwendenden Gesetze angeht.
Kaniesshat nun auf über 260 Seiten (inklusive Verzeichnissen) die Materie aus amtsgerichtlicher Perspektive aufbereitet. Das Buch ist zwar eine „Bleiwüste“, also ausschließlich aus Text bestehend bis dann am Ende noch ein Anhang mit Mustern angeboten wird. Dennoch fällt die Lektüre nicht schwer, da inzwischen die gelbe Reihe „NomosPraxis“ besser gelayoutet ist als früher, d.h. größere Abstände, Randnummern mit angenehmem Umfang, enthaltene Aufzählungen, echte Fußnoten etc. Hinzu kommt, dass der erklärende Ton der Darstellung den Leser gut abholt und im Lauf der Kapitel auch mitnimmt und im hinzu erworbenen Wissen festigt.
Die inhaltliche Aufbereitung der Materie führt über viele grundsätzliche Ausführungen sukzessive zu den Details der Abschiebungshaft. Vorgestellt werden bspw. zunächst einmal die Ausreisepflicht samt Unterscheidung in Asylfälle und Nichtasylfälle, danach die Haftarten nach AufenthG oder Dublin-III-VO. Sodann folgen Formalia wie die Antragstellung der Behörde, Begründungspflicht und –umfang und das Verfahren in erster Instanz. Erfreulich ausführlich kommen dort der Anhörungstermin und die Inhalte der möglichen gerichtlichen Entscheidungen nach FamFG zur Sprache. Gerade Dinge wie zu bewilligende Verfahrenskostenhilfe, der rechtzeitige Zugriff auf Dolmetscherdienste und die Bestellung eines Verfahrenspflegers (sic!, § 419 FamFG) gehören zu den Aspekten, die neben den Haftgründen und der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zu kurz kommen dürfen. Ebenfalls erfasst wird die zweite Instanz, wo insbesondere die Notwendigkeit eines Anhörungstermins und die Möglichkeit einer vorläufigen Entscheidung nach § 64 Abs. 3 FamFG zutreffend problematisiert werden. Die vorgeschlagenen Muster für Protokoll und Beschlüsse bilden dann die verschiedenen Haftmöglichkeiten sinnvoll ab.
Dass das Werk als „Handbuch“ firmiert, ist sinnvoll und zutreffend. Von einem Handbuch erwartet man eine klare, komprimiert aber dennoch vollständige Darstellung des Stoffes, angereichert um praktische und prozessuale Aspekte sowie passende Beispiele und Muster. Es ist auf die Praxis zugeschnitten und auch für diese Gewinn bringend einsetzbar, gerade wegen der Hinweise auf typische Abläufe im Verfahren (vgl. Rn. 437) oder auch wegen sinnvoller Anmerkung von Besonderheiten (minderjährige Kinder vorhanden, Rn. 282). Ein schönes Werk, dem hoffentlich zahlreiche Folgeauflagen vergönnt sein werden.