Dornis / Keßenich / Lemke, Rechtswissenschaftliches Arbeiten, 1. Auflage, utb 2019
Von Dr. jur. Michael Höhne, Frankfurt am Main
Das sog. rechtswissenschaftliche oder juristische Arbeiten nimmt seit geraumer Zeit einen immer größeren Stellenwert in der Literatur und in der (Ausbildungs-)Praxis ein. Die Existenz von diesbezüglichen Büchern oder auch Leitfäden, die von bestimmten Lehrstühlen oder ganzen Fachbereichen zugänglich gemacht werden (siehe etwa https://www.jura.uni-frankfurt.de/49827895/Leitfaden__Erstellung_von_HausarbeitenStand: 21.08.2020), führt zu einer veränderten Erwartungshaltung der Korrektoren von juristischen Haus-, Studien- und Seminararbeiten. So ist es geradezu unverzeihlich, wenn man trotz der Fülle an Informationsmaterial eine in formeller Hinsicht unzureichende Bearbeitung vorlegt. Wie negativ dies berücksichtigt wird, hängt naturgemäß von der Einstellung innerhalb des aufgabenstellenden Lehrstuhls bzw. des Korrektors ab. Generell gilt, dass man bei Formalitäten kaum Punkte gewinnen, aber durchaus verlieren kann.
Vor diesem Hintergrund, ist es für Studierende heutzutage unerlässlich, sich – zumindest einmal – intensiv mit den Grundlagen des rechtswissenschaftlichen Arbeitens auseinanderzusetzen. Das Buch von Dornis, Keßenich und Lemke kann hierzu sehr gut als Studien- und Nachschlagewerk dienen. Im Vergleich zu anderen relevanten und guten Büchern zur Thematik werden u.a. andere Schwerpunkte gesetzt. So wird – anders als z.B. bei Putzke, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, 6. Aufl. 2018 oder Byrd/Lehmann, Zitierfibel für Juristen, 2. Aufl. 2016 (siehe generell dazu http://dierezensenten.blogspot.com/2016/10/rezension-zitierfibel-fur-juristen.htmlStand: 21.08.2020) – ein Schwerpunkt auf Gutachtentechnik und Methodik gelegt (S. 118 ff.). Einen zentralen Unterschied zu auch diese Aspekte umfassend aufarbeitenden Büchern – wie etwa Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Möllers, Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten, 9. Aufl. 2018 oder Schimmel, Juristische Klausuren und Hausarbeiten richtig formulieren, 13. Aufl. 2018 – stellt etwa die Abbildung einer vollständigen „Musterhausarbeit“ im Anhang (S. 157 ff.) dar. Für Studierende dürfte es durchaus spannend sein, eine ausformulierte Musterlösung zu sehen, insbesondere um diese mit den eigenen Ausarbeitungen vergleichen zu können. Insoweit muss gleichwohl ein Hinweis auf den Untertitel des Buches erfolgen: „Ein Leitfaden für Form, Methode und Inhalt zivilrechtlicherStudienarbeiten“ (Hervorhebung nur hier). Auch wenn im Buch viele Aussagen für alle Rechtsgebiete zutreffen, liegt der Fokus primär auf den zivilrechtlichen Arbeiten, was sich insbesondere bei der „Musterhausarbeit“ bemerkbar macht. Im Abschnitt zu Aufbau und Gliederung von Arbeiten wird aber immerhin ein „Exkurs“ zu Aufbauschemata im Strafrecht und im öffentlichen Recht vorgelegt (S. 45 f.).
Einen Exkurs – wenn auch nicht als solcher gekennzeichnet – stellt der Abschnitt zur Remonstration (oder Prüfungsanfechtung) dar (S. 140 ff.). Die Ausführungen enthalten sicherlich viele richtige und wertvolle Hinweise. Gerade vor dem Hintergrund, dass (heutzutage) viele Studenten (jedenfalls bei „schlechter“ Benotung) sofort einen Fehler in der Korrektur erkennen wollen, könnte man dem Hinweis auf die „mit Besonnenheit“ zu erfolgende Analyse der Bewertung durchaus einen prominenteren Platz als bei den abschließenden Hinweisen (S. 155) einräumen. In der Praxis sind unzureichende (und bisweilen anmaßende) Remonstrationen an der Tagesordnung. Oftmals wird das Remonstrationsbedürfnis der Studierenden über die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Korrektur gestellt. Generell muss die Relevanz der intensiven Aufarbeitung der Korrekturen und der gewünschten Lösung (ohne Fokus auf etwaige Fehler in der Korrektur) besonders hervorgehoben werden. Nicht zu Unrecht sagt der Volksmund: „Fehler sind Treppenstufen, auf denen der kluge Mensch emporsteigt.“
Positiv hervorzuheben ist u.a. der Abschnitt zu „Umgang mit und Lösung von Meinungsstreiten“ (S. 132 ff.). Es handelt sich dabei generell um einen Bereich, in dem Studierende häufig Defizite aufweisen, Hilfe also besonders sinnvoll erscheint. Man hätte gleichwohl eine noch stärkere Verknüpfung und Verzahnung mit dem vorangegangenen Abschnitt zur Auslegung von Rechtsvorschriften (S. 122 ff.) durchführen können. In Studienarbeiten offenbaren Studierende oftmals durch ungefiltert übernommene und unsystematisch dargebotene Argumente, dass sie die Streitfrage und die Argumente nicht verstanden haben. Argumente entstehen gleichwohl (zumeist) nicht im luftleeren Raum, sondern folgen aus einer Auslegung, Erwägungen zur praktischen Anwendung o.ä. Es ist sehr punkteträchtig, wenn Studierende in ihren Arbeiten solche Erwägungen offenbaren.
Des Weiteren bestehen noch zwei kleinere Anmerkungen: Der weit verbreitete und auch im Buch (S. 32) erteilte Hinweis, man solle Wikipedia-Artikel nicht zitieren, gilt nur für den Nachweis von inhaltlichen (juristischen) Aussagen; soll demgegenüber etwa (im Rahmen der Wortlautauslegung) der übliche Gebrauch eines Wortes bestimmt werden, kann auf Wikipedia zurückgegriffen werden (vgl. Schimmel, GS Manfred Wolf, 2011, 725 ff.). Vor dem Hintergrund, dass auch die Autoren zu Recht davon ausgehen, dass das Literaturverzeichnis „über-sichtlich gestaltet“ (S. 61) sein sollte, sollten überflüssige Informationen weggelassen werden. Dazu muss auch die Angabe eines „zitiert als“-Hinweises bei Zeitschriften gelten, da ihm kein Mehrwert innewohnt. Im Buch wird das gleichwohl anders gehandhabt (siehe etwa S. 61 oder S. 164 f.).
Abschließend lässt sich konstatieren: Die Autoren aus Lehre (Dornis ist Professor in Lüneburg), Rechtsanwaltspraxis (Keßenich ist Rechtsanwalt in Hamburg) und Justizpraxis (Lemke ist im Höheren Justizdienst des Landes Niedersachsen tätig) bieten auch inhaltlich eine sehr gute Mischung der relevanten Aspekte zum Thema rechtswissenschaftliches Arbeiten. In leicht verständlichen und präzisen Sätzen, wird die Thematik gewinnbringend aufbereitet. Studierende können mit diesem Buch insbesondere zu Beginn des Studiums viele sinnvolle Einblicke erhalten. Die erforderliche Umsetzung in die Praxis wird auch durch die „Musterhausarbeit“ zielführend erleichtert.