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Rezension: Alg II-V

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Hannes, Alg II – V, 1. Auflage, Nomos 2020

Von RAin, Fachanwältin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf



Seit das SGB II in Kraft ist inkl. seiner diversen Reformen, ist diese Verordnung ein treuer Begleiter. Kein Hilfebedarf kann ohne sie berechnet werden. Sobald auch nur ein Cent Einkommen zufließt, wird die Alg II – V angewendet (und wenn es nur gilt, herauszufinden, dass Einkommen in dieser Höhe irrelevant ist). Was in §§ 11, 11 a, 11 b, 12 und 13 SGB II gesetzestechnisch niedergelegt ist, wird hier ausformuliert. Daher ist es erstaunlich, dass das SGB II immerhin fünfzehn Jahre alt werden musste, bis die ergänzende Verordnung kommentiert wurde.

Ohne die Verordnung kommen Praktiker überhaupt nicht mehr aus, sie birgt so manches "Geheimnis", das im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zwar berücksichtigt wird, aber im Gesetzestext nirgends aufzufinden ist, wie z. B. die € 30,- Vermögenspauschale, die vom Einkommen Volljähriger in Abzug gebracht wird. Wer nicht nur vollmundig behaupten will, "Das macht man eben so!", der muss die VO lesen.

Eine Kommentierung zum SGB II, die "nur" 236 Seiten umfasst, verwundert allein vom Umfang her. Das SGB II ist so problemlastig, dass der dünne Umfang des Buches auf Skepsis stößt. Andererseits prägen Einkommen und Vermögen gerade einmal fünf (!) Paragraphen des Gesetzes. Dass dafür eine eigene Verordnung benötigt wird, ist schon traurig. Umso schlimmer, wenn die Anwendung dieser Verordnung sehr konfliktträchtig ausfällt, wie die unzähligen Rechtsstreite zeigen.

Optisch erscheint die Kommentierung wie alle Handkommentierungen des Verlages: Der Einband ist rot – grau, der Fließtext ist innen, außen sind in grau gehaltene Randziffern. Der Umfang ist, wie bereits gesagt, sehr dünn. Schon beim ersten Querlesen fällt auf, dass es sich nicht um Fließtext handelt, sondern nur so wimmelt von Verweisen, Abkürzungen, Sonderzeichen u. a. Das Erscheinungsbild ist mithin sehr unruhig. Die ständigen Querverweise machen das Lesen auch nicht leichter. Immer, wenn der Praktiker sich in die Erläuterungen vertiefen will, kommt wieder ein Querverweis auf eine andere Quelle.

Inhaltlich ist das Ganze dann unübersichtlich: Die Alg II – V konkretisiert die entsprechenden Paragraphen des SGB II. Trotzdem kommt es immer wieder und immer häufiger zu Rechtsstreitigkeiten. Es gibt zahllose Urteile und Beschlüsse zu diesem Thema. Diese werden nun nicht, - wie im Kommentar zum SGB II aus dem gleichen Verlag – zitiert; stattdessen wird auf Quellen verwiesen, die der VO zugrunde lagen, die angeblich den "wirklichen Willen" des Gesetzgebers wiederspiegeln sollen (z. B. BT – Drs., BGBl., Begründung des Entwurfs des BMS vom [Datum], Fachliche Weisung zu § ...) oder gleich ganz andere Gesetze (z. B. Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage, BundesreisekostenG). Vollends widersinnig wird es, wenn in der Erläuterung zu einer VO, die das Gesetz erläutern soll, dann wieder auf den Gesetzestext verwiesen wird, z. B. § 11 b I S. 1 SGB II: "Vom Einkommen abzusetzen sind ... Beiträge zu öffentlichen... Versicherungen, soweit die Beträge gesetzlich vorgeschrieben sind." Näher erläutert wird das SGB II durch die Alg II – VO. Hier bestimmt § 6 I Nr. 3 : "Als Pauschbeträge sind abzusetzen ... von dem Einkommen Leistungsberechtigter monatlich ein Betrag in Höhe eines Zwölftels der zu Zeitpunkt der Entscheidung über den Leistungsanspruch nachgewiesenen Jahresbeiträge zu den gesetzlich vorgeschrieben Versicherungen nach § 11 b I S. 1 Nr. 3 des SGB II". Und nun erläutert die Kommentierung "Fallen die Beiträge zu einer gesetzlich vorgeschriebenen Versicherung monatlich an, sind sie nach § 11 b I S. 1 Nr. 1 SGB II in tatsächlicher Höhe abzusetzen, ohne dass die Regelegung in § 6 I Nr. 3 zur Anwendung käme". M. a. W.: Es bleibt beim Gesetzestext, die VO ist überflüssig (und die Kommentierung dazu dann leider auch). Es kann nicht Sinn einer Arbeitshilfe zu einem Gesetz sein, zwecks Verständnisses der Arbeitshilfe wieder auf den Gesetzeswortlaut zu verweisen! Im Kommentar zum SGB II von Münder aus dem Nomos Verlag werden in der Kommentierung zu § 11 b die Absetzungstatbestände ebenfalls ausführlich dargestellt; dort sogar mit Zitaten aus der Rechtsprechung, die für die praktische juristische Arbeit wichtiger sind als Durchführungsvorschriften o. ä. Falls es auf diese wirklich ankommt, sind sie in den zitierten Fundstellen der Gerichtsbarkeit garantiert erwähnt. Vielleicht liegt es an der Holprigkeit des SGB II an sich, aber im jetzt vorgelegten Kommentar zur Alg II – V steht mit einigen Ausnahmen nichts, was der "reguläre" Handkommentar zum SGB II nicht auch enthält.



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