Wandtke / Bullinger, Praxiskommentar Urheberrecht, 5. Auflage, C.H. Beck 2019
Von Dipl.-Jur. Marvin Jäschke, Göttingen
Auch angesichts der immer stärkeren Digitalisierung gilt das Urheberrecht als wichtiger und komplexer Teil des Immaterialgüter- und Wirtschaftsrechts und stellt in der europäischen Binnenmarktstrategie einen essentiellen Baustein dar. Seiner – damit sogar wachsenden –Bedeutung angemessen, wird das so europäisch durchdrungene deutsche Urheberrecht an nahezu allen deutschen Universitäten im Schwerpunktstudium gelehrt.
Als absolutes Standardwerk darf dabei – sowie in der Praxis – der von Emeritus Dr. Artur-Axel Wandtke und Honorarprofessor Dr. Winfried Bullingerherausgebende „Praxiskommentar Urheberrecht“ gelten, der im C.H.Beck-Verlag erscheint. 2019 wird der „Wandtke/Bullinger“ dort nun in seiner gut 3200 Seiten starken 5. Auflage verlegt. Der berücksichtige Gesetzesstand ist dabei der des 1.1.2019; Literatur und Rechtsprechung haben bis zum Februar 2019 Eingang ins Werk gefunden.
Die neu bearbeitete und ergänzte Kommentierung des „Wandtke/Bullinger“ umfasst neben dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) auch die unmittelbar angrenzenden, besonders praxisrelevanten Gesetze, namentlich das umgangssprachlich „Kunsturhebergesetz“ genannten KUG, sowie das neue Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG), das das bisherige Urheberrechtswahrnehmungsgesetz abgelöst hat. Daneben sind aber auch die Normen des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG), der Insolvenzverordnung (InsO) und des Einigungsvertrags (EVtr) kommentiert, soweit sie das Urheberrecht betreffen.
Eine erfreuliche inhaltliche Erweiterung stellt zudem die neue Darstellung zur sog. InfoSoc-RL, also der bisher wichtigsten europäischen Harmonisierung des Urheberrechts, dar: Zwar ist diese – auch dem Vorwort der 5. Auflage folgend – wohl nicht als eigene Kommentierung der Richtlinie zu verstehen; gleichwohl wird in diesem Abschnitt aber die – das europäische Urheberrecht prägende und geradezu fortentwickelnde –Entscheidungspraxis des EuGH zur InfoSoc-RL auch im Detail und für die einzelnen Regelungen, Absätze und sogar Tatbestandsmerkmale getrennt, nachvollzogen. Vor dem Hintergrund dieser – durchaus wertvollen – Zusammenstellung erscheint es dann mehr als verschmerzbar, dass es der bisherige Anhang, bestehend aus dem Urheberrecht der DDR und einigen europäischen Richtlinientexten, nicht mehr in die neue Auflage geschafft hat; seinem Ruf als selbsterklärter „Praxiskommentar“ wird das Werk damit durchaus gerecht.
Dies gilt auch für den Stab der Bearbeiter sowie den verfolgten Kommentar-Stil: Die Bearbeiter des Praxiskommentars sind (weit) überwiegend Rechtsanwälte, der Stil meist schnörkellos und gut verständlich, die Darstellung gleichfalls aber auch tiefgreifend problemorientiert und aktuell:
So wurde beispielsweise die Darstellung des (ganz zentralen) Werkbegriffs spürbar um neue Aspekte, etwa den 3D-Druck oder den sich immer mehr manifestierenden europäischen Werkbegriff erweitert; ähnliches gilt für das Schöpferprinzip, das nun etwa auch autonome Schöpfungen behandelt. Erfreulich ist zudem, dass aber auch die ältere Kommentierung an vielen Stellen nicht nur ergänzt, sondern auch „erneuert“ wurde: So sind wohl auch die §§ 69a ff. UrhG einer inhaltlichen Prüfung unterzogen, deren Gliederung angepasst und der Inhalt leicht erweitert worden, ohne aber dass das Konzept der Kommentierung darunter leidet. Das Gefühl eines „Flickenteppichs“, in den über die Auflagen stets „nur“ Neues „eingewoben“ wurde, stellt sich daher während der Arbeit nicht ein.
Vereinzelt wurde, soweit existierende Regelungen betroffen sind, auch die – zum 1.1.2019 noch nicht beschlossene – DSM-RL in ihrem aktuellen Stand ausblickartig aufgenommen. Angesichts der noch fehlenden Umsetzung kann eine solche zukunftsorientierte Kommentierung an dieser Stelle ebenfalls nur begrüßt werden.
Negatives gibt es hingegen nur mit Mühe zu berichten: So wäre zwar möglicherweise anzumerken, dass die Nutzung der Harvard-Zitierweise, also die Zitierung im Fließtext, gerade bei längeren Verweisen im Satz oder im Satzgefüge doch den Lesefluss deutlich hemmt. Ähnliches gälte auch für die Literaturangaben, die sich ebenfalls als Fließtext der Kommentierung vorangestellt finden und wenig übersichtlich wirken. All dies kann aber kaum als Nachteil oder Fehler befunden werden: So ist eine andere Literaturanagabe angesichts der Masse an Literatur kaum realistisch und bei der Handhabung des Werks – dank eindeutiger (und üblicherweise richtiger) Zeitschriftenfundstellen – ohnehin meist nicht erforderlich; die Zitierweise letztlich auch persönliche Präferenz und der Lesefluss wohl nicht zu priorisieren.
Der Vielen nur als „Wandtke/Bullinger“ bekannte „Praxiskommentar Urheberrecht“ gilt mit Recht als einer der vier großen Kommentare im Urheberrecht. Seine praxisnahen Bearbeiter, die sich größtenteils aus der Anwaltschaft rekrutieren, geben dem Werk einen insgesamt praxisorientierten Sprach- und Darstellungsstil, der insbesondere auch aktuelle Probleme und Entwicklungen gut abdeckt. Als echtes Standardwerk sollte der „Wandtke/Bullinger“ deshalb auch in keiner urheberrechtlichen Bibliothek fehlen – sei es in der Wissenschaft oder in der rechtsanwaltlichen bzw. gerichtlichen Praxis.