Wieprecht / Wieprecht – Kotzsch, Die Hilfsmittelfibel, 1. Auflage, BoD Verlag 2018
Von RAin, FAin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf
Das Handbuch wird von Dr. Andre Wieprecht und seiner Frau Annett Wieprecht – Kotzsch im Books on Demand Verlag herausgegeben. Angesichts der ständigen steigenden Nachfrage nach praxistauglicher Literatur gerade auf dem Gebiet der Pflege im Schnittfeld von Kranken- und Pflegeversicherung ist es völlig unverständlich, warum sich nicht längst einer der großen Verlage dieses Projekts angenommen hat. Soweit ersichtlich gibt es nur ganz wenige Bücher, die aus dem Blickwinkel des Hilfsmittels argumentieren. Der größte Teil der Literatur auf diesem Gebiet findet sich entweder in der Krankenversicherung und hat dann naturgemäß den Schwerpunkt auf Hilfsmitteln nach § 33 SGB V. Oder eben umgekehrt: Das Buch hat den Schwerpunkt im Pflegerecht und befasst sich in erster Linie mit den Hilfsmitteln nach § 40 SGB XI. Und in keinem dieser Bücher ist das Hilfsmittelverzeichnis ISO 9999 genannt, - wohl aber hier.
Das Buch ist unterteilt in vier Teile: Teil eins befasst sich mit den Hilfsmitteln nach der GKV inkl. der gerade erwähnten ISO 9999. Es beginnt mit dem Finden des richtigen Hilfsmittels (Sicherung einer Krankenbehandlung, Ausgleich einer Behinderung), geht weiter mit einem speziellen Abschnitt über Sehhilfen und setzt sich fort mit den beiden Hilfsmittelverzeichnissen (das des GKV Spitzenverbands und der ISO 9999). Als nächstes folgt dann aber ein Abschnitt über das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Hilfsmitteln, gleichsam eine Art "Ernüchterung". Es leitet über in "Ausschlussgründe bei der Hilfsmittelversorgung": Hier wird mit einfachen Worten erklärt, warum Betroffene sich mit einem gewissen Eigenanteil an einem Hilfsmittel beteiligen müssen und ganz besonders: Wie hoch der empfohlene Eigenanteil ist (z. B. € 76 bei Stabilisationsschuhen bei Achillessehnenschädigung). Hierzu gibt es eine übersichtliche Tabelle. Es folgen die "Schritte zum Hilfsmittel": Vorfragen (wie finde ich das richtige Hilfsmittel?), Antrag auf Hilfsmittelversorgung, Verfahren und Entscheidung der KK, Leistungsumfang, Bewilligung, Einschränkung, Zuzahlung und Wechsel des Hilfsmittellieferanten, sowie Hilfsmittel und Wechsel der KK.
Im zweiten Teil des Buches werden dieselben Fragen im Bereich der Pflegeversicherung beantwortet. Hier findet sich versteckt auch eine Erläuterung zu einem beliebten Streitpunkt: Den doppelfunktionalen Hilfsmitteln. Die Autoren lüften hier das Geheimnis um diese Hilfsmittel, die die KK immer mit Verweis auf die PK und die PK immer mit Verweis auf die KK ablehnen. Wieprecht / Wieprecht – Kotzsch zeigen, dass das so nicht stimmt. Anhand einer ganz schlichten Tabelle (überhaupt wimmelt es in diesem Buch nur so von benutzerfreundlichen Tabellen) wird aufgezählt, welches Hilfsmittel von welchem Kostenträger in welchem Umfang zu ersetzen ist; z.B. zahlen von den Kosten der Badewannenlifter die KK 65,3 % (was man erst einmal gar nicht glauben würde). Die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen sind nach den einzelnen Wohnräumen (Küche, Bad, etc.) aufgezählt.
So richtig zum Handbuch wird das Buch dann im dritten Teil: Hilfsmittel von der Kindertagesstätte bis hin zum Pflegeheim, oder anders: Hilfsmittel angepasst an das Alter des Betroffenen. An dieser Stelle zeigt sich der Unterschied zu einem juristischen Lehrbuch: Der Abschnitt über Hilfsmittel in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist leider sehr knapp ausgefallen. Aber hier geht es nun einmal um die Praxis und nicht um den haarscharfen Unterschied zwischen Pflegeheim und vollstationärer Einrichtung. Für einen juristischen Berater ist das hier zu dünn, aber immerhin ist es schon einmal ein Einstieg. Kurz thematisiert ist die Hilfsmittelversorgung durch die Berufsgenossenschaft. Interessant ist dann wieder ein Abschnitt über Hilfsmittel für Flüchtlinge. Hier gilt der Sonderfall, dass die traumatisierten Betroffenen ärztliche Hilfe und Hilfsmittel benötigen, aber weder in KV noch in PV versichert sind. Betroffene, Berater und Beistände erhalten hier nützliche Tipps und erst einmal einen "Leitfaden" durch den juristischen Dschungel.
Nach dem inhaltlichen Teil folgt im Teil fünf der unvermeidliche Gang des Verfahrens vom Widerspruch bis hin zur Klage mit den üblichen Fragen: Wie berechnet sich eine Widerspruchsfrist, wie legt man Widerspruch ein, was kostet es, braucht man einen Anwalt und wie geht es dann weiter.
Das Buch schließt mit einem Abkürzungs- und einem Stichwortverzeichnis. Rechts und links außen vom Text ist jeweils der Absatz mit einem Schlagwort wiedergegeben. In grauen Kästen befindet sich der "Praxistipp", teils mit Rechtsprechung.
Fazit: Ein sehr guter Ratgeber im Dickicht der Hilfsmittelversorgung. Wo Leistungsträger Betroffene alleine lassen im Dickicht der Hilfsmittelversorgung – dieses Buch hilft weiter.