Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage, Nomos, 2013
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen
Betreuungsrecht ist ein Gebiet, auf dem sich nur wenige Juristen wirklich heimisch fühlen. Viele Betreuungsrichter etwa empfinden Betreuungssachen gar nicht als echte Juristerei. Anwälte, die auf Betreuungssachen spezialisiert sind, ohne gleichzeitig selbst als Betreuer tätig sind, gibt es kaum. Diese Situation ist paradox- das Betreuungsrecht begegnet tagtäglich vielen Juristen als Nebengebiet und hinterlässt sie oft ratlos, was zum Teil auch an der vorhandenen Literatur liegt. Auch ich bearbeite seit Jahren Betreuungssachen – die richtige Literatur zu finden, die Theorie und Praxis gleichermaßen darstellt ist und war schwierig. In der Regel wird zu FamFG-Kommentaren gegriffen und zum Palandt. Den „Jurgeleit“ kannte ich bislang nur vom Titel und bin nach der Durcharbeitung für diese Rezension begeistert. In nunmehr dritter Auflage liegt das Buch vor – damit dürften die üblichen Abstimmungsschwierigkeiten bei der Erstellung eines jeden neuen Kommentarwerkes abgestellt sein. Tatsächlich ist der Kommentar für die tägliche Arbeit erstklassig geeignet und durch sein handliches Format und mit fast 1200 Seiten ein idealer Begleiter in allen (Betreuungs-)Lebenslagen. Ganz nach dem Nomos-Konzept vieler anderer Kommentare verbindet das Buch materielles Recht mit Verfahrensrecht und Theorie mit Praxis – zehn Autoren mit unterschiedlichem Hintergrund zeichnen hierfür verantwortlich.
Was also wird im Einzelnen kommentiert? Da sind zunächst einmal die auf über 500 Seiten erläuterten §§ 1784 – 1908i BGB also alles, was unter das Thema Vormundschaft und Betreuung fällt. Schön und praxisnah ist dabei etwa der Abdruck eines typischen Textes einer Vorsorgevollmacht (S. 319). Für Praktiker hilfreich dürften zudem die in diesem Zusammenhang mit abgedruckten Vorschriften zum Vorsorgeregister incl. der Gebührensatzung sein. Gut – weil von Jurgeleit selbst praxisnah kommentiert – gefallen auf den ersten Blick die Darstellungen zu § 1896 BGB, also quasi zu der Einstiegsnorm für alle Betreuungsverfahren. Hier wird insbesondere das in der Praxis immer wichtigere Verhältnis des Betreuungsrechts zu den Vorsorgevollmachten erläutert. Thematisiert werden hier etwa die Fragen rund um eine Kontrollbetreuerbestellung oder auch das Verhältnis mehrerer Vollmachten untereinander. Was auch hilfreich ist, sind die Darstellungen zu den einzelnen typischen Aufgabenkreisen, unter denen sich gerade Anfänger oft wenig vorstellen können. Wer (der nicht mit der Materie schon befasst ist) weiß schon, welchen Aufgabenkreis einem Betreuer typischerweise zugewiesen sein muss, damit er eine Genehmigung von Bettgittern zur Abwendung von Gesundheitsgefahren beantragen kann. Der Kommentar gibt auf solche und andere Fragen stets zuverlässig eine Antwort.
Weiterhin finden sich kurze Darstellungen zum Betreuungsbehördengesetz (ca. 40 Seiten) und – wichtig für Berufsbetreuer – ausführliche Kommentierungen zum Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz. Bemerkenswert gerade hier scheint, dass es durchaus gelingt, den juristischen Kommentar soweit sprachlich zu gestalten, dass sicher auch Berufsbetreuer, die Nichtjuristen sind gut in der Lage sein werden, mit dem Buch zu arbeiten.
Einen ganz wesentlichen Buchteil macht dann das Verfahrensrecht aus, also die Erläuterung der §§ 271 bis 341 FamFG. Hier hat es insbesondere der Mitautor Bucic geschafft, eine vollkommen eigenständige (weil betreuungsrechtliche), praxisnahe Kommentierung zu verfassen, die deutlich leichter lesbar und besser strukturiert ist, als in anderen reinen FamFG-Kommentierungen ohne den Schwerpunkt Betreuungsrecht. Besonders gefallen bei einem testweisen Lesen etwa die Ausführungen zur Gutachteneinholung bei Betreuerbestellung, §§ 280 bis 282 FamFG. Bucic befasst sich dabei richtigerweise auch ausführlich mit der Frage, wie ein ärztliches Attest zu bewerten ist und wo auch hier Grenzen zu ziehen sind, was die Einrichtung der Betreuung auf Grundlage eines solchen Attestes betrifft. Hilfreich für die Praxis der Gerichte sind dann auch Muster-Beschlussformeln, wie sie etwa in den Erläuterungen zu § 286 FamFG enthalten sind.
Rein äußerlich gefallen am „Jurgeleit“ die zahlreichen Überschriften in der Kommentierung, die das Auge gut leiten. Zudem sind sparsame Fettungen im Text vorgenommen, die ebenfalls Übersichtlichkeit schaffen. Schließlich werden auch durch Aufzählungen (so etwa Übersicht vor § 1 VBVG), eingeschobene Musterformulierungen oder vereinzelte Checklisten (§ 1843 BGB Rn. 5) die behandelten Inhalte leicht verständlich und übersichtlich dargeboten. Längere Kommentierungen enthalten zudem zunächst eine Gliederungsübersicht (so etwa der ca. 30 Seiten lange § 1908b BGB und der 45 Seiten lange § 1896 BGB) – die tägliche Arbeit wird dies erleichtern.
Bei mir hat sich der Kommentar so tatsächlich auch in den letzten Wochen als zuverlässiges und schnelles Hilfsmittel in der Praxis bewährt. Anwälten, Notaren, Mitarbeitern von Verwaltungsbehörden und Richtern ist das Buch damit ebenso zu empfehlen, wie Berufsbetreuern, Vormündern und Verfahrenspflegern, die nicht nur mit reiner Betreuerliteratur arbeiten wollen, sondern auch vor Gericht bzw. gegenüber Dritten fundiert argumentieren wollen. Ich kann den Kauf also durchaus empfehlen.