Hannich, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage, C.H. Beck 2013
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Fünf Jahre mussten ins Land gehen, bis die Neuauflage des KK-StPO die Leser und Rechtsanwender endlich erreichte. Nicht nur die vielfältig ergangene Jurisdiktion, sondern auch eine rege Tätigkeit des Gesetzgebers musste eingearbeitet und zum Teil bewertet werden, sorgten doch Neuregelungen wie die Verfahrensabsprache für heftige Auseinandersetzungen in Rechtsprechung und Literatur. Berücksichtigt wurden dabei Änderungen der StPO und des GVG bis Ende Juni 2013 - damit präsentiert sich der KK-StPO höchst aktuell! Das Team der Bearbeiter hat sich verändert und erweitert, wahrt aber weiterhin den Bezug zum Bundesgerichtshof. Inklusive Verzeichnissen birgt das Werk nunmehr bald 3200 Seiten und bietet dem Leser schon aufgrund des puren Umfangs eine umfassende und tiefgreifende Wissensdarstellung. Von den Kommentierungen erfasst sind die StPO, das GVG, das EGGVG und die EMRK, die letzteren jeweils, sofern strafverfahrensrechtlicher Bezug gegeben ist.
Die neu von VRiBGH Prof. Dr. Fischer verantwortete Einleitung erläutert auf geboten kompaktem Raum die Rechts- und Verfahrensprinzipien der StPO mit sinnvollem Schwerpunkt auf dem Grundsatz der Beschleunigung samt Darstellung der nun auch in Gesetzesform gegossener Problematik der Verfahrensverzögerung und der daraus resultierenden Konsequenzen (S. 9). Ebenfalls unter Einbeziehung aktueller Überlegungen werden der Grundsatz der Öffentlichkeit (S. 15), die Verfahrensabsprache (S. 31) aber auch die richterliche Unabhängigkeit (S. 24) angesprochen. Zudem wird die Fortentwicklung der StPO nachgezeichnet (S. 20). So vorbereitet kann sich der Leser frohen Mutes den Detailkommentierungen zuwenden.
Der Karlsruher Kommentar zur StPO erleichtert seit Jahren meine tägliche Dezernatsarbeit. Ich bin von dem Werk überzeugt und nutze ihn vor allem zur Absicherung und Vertiefung von Detailfragen. Dementsprechend halte ich auch die Neuauflage für höchst empfehlenswert und zudem maßgebend für Konkurrenzprodukte. Im Folgenden sollen einige Aspekte herausgegriffen werden, um die Qualität des Kommentars nachzuzeichnen, aber auch um auf kleinere Verbesserungswünsche hinzuweisen.
Im verkehrsstrafrechtlichen Bereich fasst Sengebei § 81a StPO die lange Monate verworrene Diskussion um Beweisverwertungsverbote treffend und kompakt zusammen (S. 389 f.) und auch die Kommentierung zu § 111a StPO wird von Bruns mit allen erforderlichen Nuancen vorgenommen (S. 582 ff.). Bei der Kommentierung des § 140 StPO durch Laufhütte/Willnow werden insbesondere die Varianten des Abs. 2 präzise abgegrenzt, inklusive der verfassungskonformen Auslegung der Norm. Dabei hätte ich mir persönlich, wenn schon spezifisch bußgeldrechtliche Entscheidungen zitiert werden (S. 918 oben, LG Köln und LG Mainz), allerdings gewünscht, dass wenigstens ein Unterabsatz zur Anwendung im Ordnungswidrigkeitenverfahren hinzugenommen wird. Abseits der gängigen Normen gefällt mir auch die Kommentierung des zum Teil neu geregelten § 161 StPO durch Griesbaum, der nicht nur die Tätigkeitsfelder von Staatsanwaltschaft und Polizei sinnvoll abgrenzt, sondern auch die Frage der zulässigen Verwendung erlangter Daten und Informationen pragmatisch erläutert (S. 1081). Sehr praxisfreundlich und meiner Ansicht nach völlig zutreffend, leider aber von den Beschwerdekammern selten so, sondern vielmehr gegenteilig exerziert, ist die Kommentierung von Schneider in § 203 StPO zur Anwendung des Zweifelsgrundsatzes bei der Prüfung der Eröffnung des Hauptverfahrens (S. 1232). Sinnvoll wäre es gewesen, diese Passage auch bei § 204 StPO zu verorten, denn nicht jeder, der zur Ablehnung der Eröffnung nachschlägt, liest automatisch auch den § 203 StPO mit.
Schon ein Klassiker ist die Kommentierung von Kuckein zur Frage des notwendigen Hinweises, § 265 StPO, wobei seine Überlegungen zur Anwendung bei bloßer Änderung der tatsächlichen Lage nach wie vor höchst lesenswert sind (S. 1729). Im Rahmen der Hauptverhandlung sind die Kommentierungen zur Verständigung und den daraus resultierenden formalen Anforderungen (vgl. etwa Schneider, § 243 StPO, S. 1401; Moldenhauer/Wenske, § 257c StPO, S. 1599 ff.; Greger, § 273 StPO, S. 1785) wunschgemäß präzise und umfassend vorhanden. Bedauerlich ist, dass in der Kommentierung von Paul zu § 329 StPO (dort. S. 1924) das neuere Problem des möglichen Widerspruchs dieser Norm zu den Vorgaben der EMRK nur in einer Klammer nebenbei erwähnt, aber keine Stellung dazu genommen wird. Hier hätte ich vom KK-StPO in seiner Rolle als Leitmedium für andere Kommentare und Rechtsanwender mehr erwartet (im Übrigen wird das Problem auch bei Art. 6 EMRK, Kommentierung durch Schädler/Jakobs, S. 2948 ff., nicht hinreichend aufgegriffen). Abschließend lobend herausstellen möchte ich die Kommentierungen zu den Kostennormen durch Gieg, §§ 464 ff. StPO (S. 2495 ff.). Insbesondere die Ausführungen zur sofortigen Beschwerde (S. 2498 ff.) und zur Kostenentscheidungen bei erfolglosem Rechtsmittel des Nebenklägers und anderen besonderen Verfahrenskonstellationen (S. 2554 ff.) sind pragmatisch und gut nachvollziehbar verfasst, sodass eine Anwendung auf die tägliche Dezernatspraxis effektiv gegeben ist.
Insgesamt möchte ich den KK-StPO jedem Strafrechtler mit Nachdruck ans Herz legen, sei es für den Erstzugriff oder zur vertiefenden bzw. vergleichenden Bearbeitung. Auch bei einem großen Werk wie diesem bleiben kleinere Auslassungen nicht aus, aber der Gesamteindruck dieses Werks ist so überwältigend positiv, dass das kaum ins Gewicht fällt. Eine rundum gelungene und erfreulich aktuelle Neuauflage.