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Rezension: Anwaltliches Berufsrecht

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Römermann / Hartung: Anwaltliches Berufsrecht 3. Auflage, C.H. Beck 2018



„Berufspflichten immer unbekannter“ so lautete die Überschrift eines Interviews mit Rechtsanwältin Anja Merk in der NJW 07/2019. Dieser knackige Titel lässt Böses vermuten. Und tatsächlich sind die Berufspflichten des Rechtsanwalts in der Anwaltschaft selbst häufig nicht tiefergehend bekannt oder werden bestenfalls „nur“ missachtet. Gegen die einfache Unkenntnis ist jedoch ein Kraut gewachsen. Bereits seit Jahren wird der Markt an Literatur zum Berufsrecht und damit zu den Berufspflichten durch einige Autoren und Verlage bedient. Ein Buch aus diesem Segment ist das nun in der 3. Auflage vorliegende Werk „Anwaltliches Berufsrecht“ von Römermann und Hartung.

Nach der Erstauflage aus 2002 und der zweiten Auflage aus 2008, kann die aktuelle Auflage auf Grund einer historischen Betrachtung bereits als Klassiker angesehen werden. Der allerdings eine nicht unerhebliche Preissteigerung erfahren hat. Von anfänglich 24 Euro, über dann 29 Euro kostet die aktuelle Auflage 44,90 Euro.

Der Gegenwert ist aber nicht gering. Die beiden erfahrenen Autoren, die das anwaltliche Berufsrecht bereits seit Jahrzehnten kommentierend und zum Teil auch aktiv in einigen gerichtlichen Verfahren begleiten, verstehen es sehr gut, in knapper aber verständlicher Darstellung die wesentlichen Punkte anschaulich aufzuarbeiten. Dazu trägt sicher auch die Aufteilung in elf Teile und 55 Abschnitte bei, die keinen Aspekt des Kernbereichs des anwaltlichen Berufsrechts auslässt.

Kennzeichnend für das Werk ist der Versuch, in Literatur und Rechtsprechung streitige Themen nicht unbedingt mit einer eigenen Stellungnahme entscheiden zu müssen, sondern auf das dahinter stehende Problem aufmerksam zu machen. Etwa bei der Frage, ob Großkanzleien, mit einer großen Anzahl von Associates pro Partner, ähnlich wie Laborärzte, eher gewinnorientiert arbeiten, die persönliche Leistungserbringung damit in den Hintergrund tritt und deshalb als gewerblich im steuerrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind (§ 11 Rn. 10).

Auffällig ist, dass gerade im Bereich der Digitalisierung das Werk eher zurückhaltend ist. Hinweise auf das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) finden sich kaum. Und sogar bei den Hinweisen zur Mindestausstattung der Kanzlei ist das Werk eher in der Vergangenheit verhaftet. Mit Verweis auf die Rechtsprechung wird als Mindestausstattung ein Raum, ein Praxisschild, ein Briefkasten und ein Telefonanschluss genannt. Dies ist sicher zu wenig. Der Zugang zum beA ist schon heute wegen der passiven Nutzungspflicht zur Abgabe von elektronischen Empfangsbekenntnissen unabdingbar, weshalb die Mindestausstattung um Computer und Internetzugang mit eMailadresse zu ergänzen ist. Auch wenn hierzu noch keine gerichtlichen Entscheidungen vorliegen, wäre eine etwas mehr in die Gegenwart gerichtet Ausführung wünschenswert.

Richtig stark ist das Werk immer dann, wenn es um Angelegenheiten geht, die wenigstens einen der beiden Autoren selber betreffen. Römmermann etwa hat sich selbst als Anwalt für den BGH beworben. Auf diese Bewerbung und seine Kritik am Verfahren sowie die von Hartung schon vor 25 Jahren publizierte Kritik zur Verfassungsmäßigkeit der BGH-Zulassung wird nicht nur verwiesen, sondern auch argumentativ ausgeführt (§ 7 Rn. 6 ff.)

Immer wieder lesenswert sind die Ausführungen von Römermann zum Gesellschaftsrecht der Anwälte. Pointiert stellt er die gesetzlichen Vorgaben und seine Kritik dar, so dass sich der Leser auf wenigen Seiten schnell eine Orientierung über den status quo und die rechtliche Kritik daran verschaffen kann.

Daher gilt: Jeder angehende oder praktizierende Rechtsanwalt sollte die Grundlagen des anwaltlichen Berufsrecht kennen. Das Werk ist hervorragend zur Vermittlung dieses Wissens geeignet. Eine klare Kaufempfehlung.


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