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Rezension: Legal Tech

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Solmecke / Arends-Paltzer / Schmitt, Legal Tech: Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei, 1. Auflage, Rheinwerk 2019

Von Dipl.-Jur. Julius Remmers, LL.M. (Edinburgh), Hamburg


Seitdem vermehrt über „Legal Tech“ gesprochen wird, erscheinen nicht nur immer mehr Zeitschriftenbeiträge, sondern auch Bücher. Eines davon ist das dem Rezensenten vorliegende Buch „Legal Tech: Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei“ von den Autoren Christian Solmecke, Petra Arends-Paltzer und Robin Schmitt. Jedoch bezieht sich der Inhalt des Buches nicht nur auf „Legal Tech“ in Anwaltskanzleien, sondern auch in Bezug zu Endkunden, Verbraucher, Unternehmer usw. (siehe Aussage „immerhin ist Legal Tech kein Thema, das allein Kanzleien betrifft“, S. 18).

Das Buch umfasst 489 Seiten und gliedert sich in fünf Teile: Was ist Legal Tech (I.), Moderne Marketing-Strategien (II.), Digitale Akquise (III.), Digitale Abarbeitung (IV.) und Legal Tech 3.0 – ein Ausblick (V.).

Im ersten allgemeinen Teil stellen die Autoren die Neuheit „Legal Tech“ und die dazugehörigen Anwendungsfelder vor. Die Autoren führen für „Legal Tech“ eine Definition an, die sehr passend ist: „juristische Arbeitsabläufe und Transaktionen mithilfe intelligenter Software, die ‚lernfähig‘ ist, unterstützt oder in hohem Maß automatisiert werden können“ (S. 25). Als wichtigste Anwendungsfelder nennen die Autoren: „Legal Tech“ für Kanzleien, Rechtsabteilungen und Endkunden. Insbesondere für Rechtsanwälte mag dieser Teil eine besondere Relevanz haben. Denn einerseits wird Bezug zu Kanzleien bzw. Rechtsabteilungen und den anwaltlichen Tätigkeiten genommen. Andererseits listet dieser Abschnitt viele Applikationen und Unternehmen auf, die zum jeweiligen Anwendungsfeld gehören. Allerdings wird durch solch eine bloße Auflistung weniger der Fokus auf die Erklärung der einzelnen Anwendungsfelder gelegt (beispielsweise, weshalb juristische Datenbanken als „intelligente Software, die ‚lernfähig‘ ist“ (S. 25) qualifiziert werden). Nichtsdestotrotz eignet sich dieser Teil gut als Nachschlagewerk. Zudem wird sich der aufmerksame Leser wundern, weshalb das auf S. 29 genannte Anwendungsfeld für Kanzleien „Automatisierung von Dokumenten und künstlicher Intelligenz“ in den folgenden Ausführungen nicht auftaucht. Dies mag ein redaktionelles Versehen sein.

Für den Verbraucher ist der Unterabschnitt „Legal Tech für Endkunden“ (S. 65 bis 81) höchstwahrscheinlich am interessantesten. Den Autoren gelingt hier der Einstieg in das Thema sehr gut. Weiterhin positiv auffällig ist, dass gut recherchiert wurde und die wichtigsten Legal Tech-Unternehmen für Verbraucher vorgestellt werden (z.B. Flightright, Geblitzt.de und bankright.de).

Der zweite Teil (Moderne Marketing-Strategien) umfasst die Entwicklung von Marketing-Konzepten und führt – wie auch im ersten Teil – viele Beispiele in Form von Dienstleistern an. Auch hier mag dem Leser der Eindruck entstehen, dass es sich um gezielte Werbung handelt, die den Leser auf ausgewählte Unternehmen aufmerksam machen soll. Dennoch muss man bei „Legal Tech“ eingestehen, dass dies ohne Erklärungen und Beispiele nur schwer zugänglich ist. Als Umsetzungsidee machen die Autoren Ausführungen zu einer „Landingpage“ (S. 133 ff.), die sie wie folgt definieren: „eine einzige Website, mit der Sie einen potenziellen Kunden auf ein einziges Thema hinweisen und dabei das Ziel verfolgen, diesen Kunden zu einer gezielten Aktion zu bewegen“ (S. 133). Dieser Unterabschnitt ist für die praktische Anwendung besonders interessant, da er wie eine „Anleitung“ aufgebaut ist und Schritt für Schritt zeigt, wie eine Landingpage aufgebaut wird.

Fortlaufend im „Anleitungsstil“ widmen sich die Autoren im dritten Teil (Digitale Akquise) der digitalen Mandantenakquise. Sie nehmen Bezug auf Website, Blog, Newsletter, Social Media und Pressearbeit. Es finden sich viele gute Praxistipps für Kanzleien, wie die Mandantenakquise erfolgreich durchgeführt werden kann (beispielsweise die Einholung einer Zertifizierung vom TÜV, S. 184 f.). Jedoch ist die inhaltliche Darstellung deswegen eher einseitig, da für viele Beispiele die Kanzlei WBS (Wilde Beuger Solmecke) oder der RA Christian Solmecke herangezogen wird (S. 161, 169, 170, 247, 257 etc.). Zudem ist zu erkennen, dass im gesamten Buch viel Eigenwerbung für Solmecke gemacht wird (z.B. S. 138, 161, 170, 171, 257, 261, 267, 276, 315, 329). Hierdurch mag für den Leser der Eindruck eines sehr großen „Werbekatalogs“ entstehen.

Der vierte Teil (Digitale Abarbeitung) beschäftigt sich mit der anwaltlichen Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung. Eine essentielle Frage, die in diesem Teil bearbeitet wird, ist, ob Rechtsanwälte überhaupt eine Kanzleisoftware benötigen (S. 333 ff.). Sehr akribisch wägen die Autoren Vor- und Nachteile bei diesem Thema ab und stellen im nächsten Kapitel das Cloud Computing vor (S. 369 ff.). Beim Cloud Computing gelingt es den Autoren, verständlich die unterschiedlichen Cloud-Leistungen (SaaS, IaaS und PaaS) voneinander abzugrenzen (S. 372 ff.). Auch hier werden wieder viele Beispiele genannt, wie Google G-Suite (S. 383), TeamDrive (S. 383) oder WebMerge (S. 384). Zum besonderen Anwaltspostfach (beA) machen die Autoren Ausführungen zur Entstehung, zum Vorläufer, zu den Problemen des beA und den technischen Besonderheiten (S. 425 ff.). Für den Leser ist dies sehr plausibel und prägnant dargestellt.

Der fünfte Teil (Legal Tech 3.0 – ein Ausblick) gibt einen Ausblick in zukünftige Rechtsberatung durch Vorstellung verschiedener Business-Modelle und verschiedener Länder im Vergleich zu Deutschland. Dieser Teil rundet die Ausführungen zu Legal Tech ab, indem aufgezeigt wird, wie sich der Rechtsmarkt in der Zukunft verändern kann.

Allgemein betrachtet, lassen sich weitere folgende positive und negative Kritikpunkte festhalten. Optisch spricht das Buch sehr an, was nicht nur dem belebten Cover, sondern auch den zahlreichen Abbildungen (fast auf jeder Seite) geschuldet ist. Die Autoren schaffen es, das Lesevergnügen mit den Abbildungen zu steigern und die Schwelle zur Überladung grafischer Darstellungen nicht zu übertreten. Zudem ist das Buch gut zu lesen, da es in einem eher umgangssprachlichen Stil verfasst ist. Wer ein „sprachliches Feuerwerk“ erwartet, wird in diesem Punkt etwas enttäuscht sein.

Wie die Aussage auf dem Buchrücken schon verrät („Machen Sie Ihre Kanzlei fit für die Zukunft“), handelt es sich um eine Art Handbuch für Anwälte bzw. Kanzleien, wie man sich bestmöglich der Digitalisierung anpassen kann. Insofern zieht sich der Praxisbezug wie ein roter Faden durch das Buch. Dementsprechend werden fast keine Quellenangaben benutzt und kein wissenschaftlich-juristischer Stil verwendet, was jedoch neutral zu bewerten ist, da dies vermutlich nicht die Intention der Autoren war. Allerdings fällt es dadurch schwer, den Wahrheitsgehalt des Inhalts zu überprüfen. Dass das vorliegende Buch viele moderne Technologien im Rahmen des Legal Tech abdeckt, wird in mehreren Kapiteln deutlich. Denn die Autoren erwähnen beispielsweise das Natural Language Processing anhand von Chatbots (S. 61), Augmented Reality (S. 100), Sharing Economy (S. 101), Blockchain (S. 105) und das beA (S. 425). Dem Vollständigkeitsanspruch zu neuen Technologien wird dieses Buch also gerecht. Jedoch ist es empfehlenswert, schwer zugängliche Themen, wie Blockchain, zumindest grob zu erklären, da ansonsten die Assoziation zum Legal Tech erschwert wird. Beim Thema „ICO“ (Initial Coin Offering) gelingt eine allgemeine Erklärung hingegen sehr gut (S. 108 f.).

Summa summarum ist das Buch über „Legal Tech“ allen Praktikern im Rechtsmarkt zu empfehlen. Dies wird dadurch deutlich, dass das vorliegende Buch eine Art „Anleitung“ für Kanzleien, Rechtsabteilungen etc. ist, wie „Legal Tech“ bestmöglich implementiert werden kann. Die Bearbeitung von „Legal Tech“ aus rechtswissenschaftlicher Perspektive bleibt dagegen außen vor. Als Einstieg in die „Legal Tech-Welt“ und für einen guten Überblick über dieses Thema ist dieses Buch zu empfehlen. Allerdings fällt es eher nicht in die Reihe der günstigen Bücher (89,90 Euro). 


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