Diering / Timme / Stähler (Hrsg.), Sozialgesetzbuch X, Lehr- und Praxiskommentar, 5. Auflage, Nomos 2019
Von RAin, FAin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf
Der bewährte Kommentar erscheint bereits in 5. Auflage. Da das SGB X der "Grundstein" des Sozialrechts ist, der den praktischen Umgang zwischen Sozialleistungsträger und Antragsteller miteinander regelt, ist die Materie immer in Bewegung. Erfreulich, dass die Rechtsprechung bis zum Jahr 2017 eingepflegt ist. Auch andere zitierte Kommentare und Literaturquellen sind auf dem neuesten Stand.
Die Vorauflage des Kommentares aus dem Jahr 2016 ist bereits vergriffen, natürlich war das ein Ansporn für die Herausgerber, eine Neuauflage in Angriff zu nehmen. Den Anstoß dürfte aber die Datenschutz - Grundverordnung (DSGVO), in Kraft seit dem 25.05.2018, gegeben haben. Diese Vermutung drängt sich geradezu auf, weil der Kreis der Herausgeber um Dr. Thomas Stähler erweitert worden ist. Er ist nicht nur Justiziar sondern zugleich betrieblicher Datenschutzbeauftragter des BAR e.V. Diese VO stellt jeden, egal, ob Privatperson oder beruflich, Betrieb, Unternehmen, Verein etc. vor Probleme. Im Bereich des Sozialverwaltungsverfahrensrechts, und nur darum geht es im SGB X, wird die praktische Umsetzung zusätzlich dadurch erschwert, dass die Bundesländer uneinheitliche Datenschutzgesetze haben. Die Kommentierung der datenschutzrechtlichen Vorschriften, die sonst eher ein Schattendasein fristet, nimmt dieses Mal einen wesentlich größeren Teil ein.
Nichtsdestotrotz folgt der Kommentar dem (bisher bewährten) Aufbau eines klassischen juristischen Kommentares. Aber vor der eigentlichen Kommentierung stehen ein Inhaltsverzeichnis, ein Abkürzungsverzeichnis und ein Literaturverzeichnis. Keine Selbstverständlichkeit mehr, aber äußerst hilfreich, ist der Index am Ende des Buches.
Unverständlich ist, warum im Literaturverzeichnis Kommentare mit Auflage und Erscheinungsjahr angeben werden, Loseblattsammlungen wiederum nur mit z.B. "Kommentar zum Sozialgesetzbuch X." Unverständlich ist das insoweit, als dass der Leser dann in der eigentlichen Kommentierung ergründen muss, ob es die aktuelle Auflage des zitierten Werks ist, oder ob es sich um eine u.U. längst aufgegebene Ansicht handelt. Die Verständlichkeit beeinträchtigt das nicht, aber wer sich die Mühe macht, die zitierte Quelle zu prüfen, wird viel Zeit aufwenden müssen.
Zeit wiederum einsparen lässt sich mit einer benutzerfreundlichen Formatierung im Fließtext: Die entscheidenden Schlagwörter sind fettgedruckt (natürlich ist dasjenige fettgedruckt, was der jeweilige Bearbeiter als entscheidend ansieht). Jegliche zitierte Quelle ist aus dem Text in eine Fußnote verbannt. Das dient zwar einerseits der Lesefreundlichkeit, zwingt den Leser aber andererseits dazu, immer zwischen Kommentierung und Quelle hin- und her zu springen und führt in einem Fall sogar zu rekordverdächtigen 21 Fußnoten auf einer Seite. Diese unerfreuliche Schwachstelle lässt sich leider noch überbieten: Der"Klassiker" des SGB X, die Rücknahmeregelung des § 45, bringt es auf sage und schreibe 422 Fußnoten. Hätte man diese Quellen allesamt im Fließtext untergebracht, könnte von "Praktikerkommentar" nicht mehr die Rede sein.
Jede Kommentierung hat ein Literaturverzeichnis und in der Praxis häufig vorkommende Paragraphen haben zusätzlich eine eigene Gliederung. Besonders oft gebräuchliche Regelungen werden in eigenen Kapiteln nochmals zusammenfassend kommentiert; so die Paragraphen §§ 44 – 51.
Der Untertitel "Lehr- und Praxiskommentar" erklärt sich mit einem Blick in das Bearbeiterverzeichnis: Es sind fast alles Richter aus der Sozialgerichtsbarkeit (und von neun Bearbeitern ist nur eine weiblich).
Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist die Zitierweise von Quellen "aaO". Der Leser muss dann jeweils die gesamte Kommentierung des Paragraphen durchforsten, an welcher Stelle diese Quelle schon einmal zitiert wurde. Bei der bereits erwähnten Zitierfreudigkeit des jeweiligen Bearbeiters dürfte der Leser fast mehr mit Vor- und Zurückblättern beschäftigt sein als mit dem Lesen. Andererseits würde der Rahmen des Buches bei weitem gesprengt werden, wenn jeweils die Quelle nochmals komplett angegeben werden würde.
Der Kommentar eignet sich durch seinen Praxisbezug - der Schwerpunkt liegt auf der Rechtsprechung, weniger auf der theoretischen Abhandlung von einzelnen Punkten – vor allem für die tägliche, praktische Arbeit – wenn man denn bereit ist, auf die akribische Prüfung von Zitaten zu verzichten.