Kunz / Henssler / Brand / Nebeling, Praxis des Arbeitsrechts, Arbeitsrecht – Steuerrecht – Sozialversicherungsrecht, 6. Auflage, Anwaltverlag 2018
Von Rechtsanwalt Marc Becker, Leipzig
Wie in jedem anderen Rechtsbereich kommt der Rechtsanwender auch im Arbeitsrecht kaum um Hand- und Formularbücher herum. Der Markt hierfür ist auch nahezu nicht zu überblicken. Mit Praxis des Arbeitsrechts haben die Herausgeber Jürgen Kunz, Martin Henssler, Jürgen Brand und Martin Nebeling die Neuauflage ihrer Kombination aus Hand- und Formularbuch vorgelegt, das die Vorzüge beider Werke vereint. So verspricht der Werbetext das Rüstzeug für „JEDES Arbeitsrechtsmandat“. Ein weiteres hervorgehobenes Merkmal ist die Verknüpfung des Arbeitsrechts mit dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Auch dieser Ansatz dürfte dem versierten Arbeitsrechtler nicht neu sein, kennt man ihn doch (nahezu in Perfektion) vom Küttner – Personalbuch.
Das vorliegende Werk ist in nunmehr 6. Auflage erschienen und bildet den Rechtsstand von ca. Juni 2018 (mangels genauerer Angabe) ab. Die Darstellungen stammen von insgesamt 35 Autoren einschließlich der Herausgeber. Wie üblich ist ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt. Schön ist, dass dem Inhaltsverzeichnis unmittelbar ein Musterverzeichnis folgt, welches sehr übersichtlich die im Buch vorhandenen Muster auflistet und so einen schnellen Zugriff auf diese ermöglicht, ohne dass man sich vorher zwingend durch den Fließtext arbeiten muss. Ich habe allerdings nicht überprüft, ob das Verzeichnis tatsächlich alle angepriesenen „über 300“ Muster erfasst. Wem die analoge Suche nach Mustern ohnehin zu müßig ist, für den liegt dem Buch eine CD-ROM bei, die Zugriff auf alle Muster bietet. Nicht verbergen kann das Werk seine Vergangenheit als Loseblattsammlung. Die Bindung hat sich zwar geändert, geblieben ist das markante dünne Papier.
Inhaltlich orientiert sich die Struktur des Buches am groben Ablauf eines Arbeitsverhältnisses. Es beginnt mit den Themen Personalplanung und Personalbeschaffung, setzt mit dem Bewerbungsvorgang fort und beleuchtet dann Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dem schließen sich Kapitel zu Betriebsübergang, Mitbestimmung der Arbeitnehmer, Arbeitskampf, Gerichtlicher Rechtsschutz, Insolvenzarbeitsrecht, Internationales Arbeitsrecht und Compliance an. Zudem widmet sich ein eigenständiges Kapitel der Digitalisierung der Arbeitswelt.
Ein Herzstück des Werkes ist sicher die Übersicht zu Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien (§ 21). Hier werden auf über 300 Seiten von A wie Abmahnung bis Z wie Zeugnis nach Stichworten wesentliche Punkte des Arbeitsverhältnisses beleuchtet. Die Stichworte bieten einen schnellen Zugriff auf die jeweiligen Problembereiche und geben einen prägnanten Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Es finden sich sogar exotische Stichworte wie „Incentivereisen“, „Jubiläum“ und „Kantinenessen“. Zudem werden die Stichworte überwiegend (und soweit einschlägig) aus arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht beleuchtet.
Ein gänzlich neues Kapitel wurde dem Thema Beschäftigtendatenschutz gewidmet. Sicher war dies eins der zentralen Themen im Jahr 2018 und es finden sich unzählige Veröffentlichungen dazu auf dem Markt. Richtig ist sicher auch, dass das Thema zur Arbeitsrechtspraxis untrennbar dazugehört. Der Autor liefert hier einen fundierten Überblick über den Regelungsgehalt der DS-GVO und des neuen BDSG. Etwas unglücklich erscheint mir die Trennung von Beschäftigtendatenschutz (§ 78) und Digitale Überwachung und Beschäftigtendatenschutz (§ 83). Zum einen führt dies zu unnötigen Wiederholungen u.a. hinsichtlich der Ausführungen zur Neuregelung des Datenschutzrechtes. Zum zweiten sind beide Themen aus meiner Sicht inhaltlich so eng miteinander verbunden, dass eine gemeinsame Abhandlung in einem Abschnitt sinnvoll gewesen wäre.
Weiterhin wird im Vorwort hervorgehoben, dass die Neuregelungen des Mutterschutzrechtes umfassend berücksichtigt wurden. Leider finden sich weder unter § 21 (Stichwort: Mutterschutz) noch unter § 30 (Sonderkündigungsschutz) Ausführungen zum neu geschaffenen § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG, wonach nunmehr auch Vorbereitungsmaßnahmen des Arbeitgebers zur Kündigung einer schwangeren Frau nach Maßgabe von § 17 Abs. 1 S. 1, 2 MuSchG unwirksam sind. Die damit verbundenen praktischen – zum Teil noch ungeklärten – Fragen (vgl. BeckOK ArbR/Dahm, 50. Ed. 1.9.2018, MuSchG § 17 Rn. 43-50) werden nicht erörtert. Sollte ich die entsprechenden Ausführungen trotz intensiver Suche übersehen haben, wäre jedenfalls aus meiner Sicht in den beiden vorgenannten Abschnitten ein Verweis auf die Fundstelle im Buch wünschenswert.
Insgesamt liefert das Werk eine Fülle an Informationen. Der Aufbau und die komprimierte Aufbereitung der Themen bieten für die tägliche Arbeit einen schnellen Zugriff und anwendungsfreundliche Lösungsansätze. Dies gilt umso mehr, da sich häufig eine Betrachtung aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht findet. Zudem ist die umfangreiche Mustersammlung mit auch zum Teil sehr speziellen Mustern ein wichtiger Wegbegleiter in der Praxis. Kurzum kann – auch mit Blick auf den moderaten Anschaffungspreis – das Werk jedem Arbeitsrechtler ans Herz gelegt werden.