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Rezension: German National Reports on the 20th International Congress of Comparative Law

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Schmidt-Kessel, German National Reports on the 20th International Congress of Comparative Law, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2018

Von Rechtsanwalt Dr. Norbert Lösing, Lüneburg


Seit Erscheinen des ersten Heftes der von den Heidelberger Professoren Carl Josef Anton Mittermeier und Carl Salomo Zachariae herausgegebenen wissenschaftlichen Zeitschrift „Kritische Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des Auslandes“ im Jahr 1829 bis zum heutigen Tage hat sich der Stellenwert dieser rechtswissenschaftlichen Teildisziplin in Deutschland stark verändert. Dies zeigen zahlreiche Publikationen, unter anderem auch die beeindruckende Publikationsreihe des Verlags Mohr Siebeck, die Existenz der international hoch angesehenen Max-Planck-Institute und die regelmäßigen wissenschaftlichen Kongresse. Das zu besprechende Buch enthält die Beiträge, die für den 20. Internationalen Kongress für Rechtsvergleichung im Juli 2018 in Fukuoka, Japan, von deutschen Teilnehmern erarbeitet worden sind. In mehr als zwanzig Sitzungen des Kongresses wurde die gesamte Bandbreite des Rechts, von der Rechtstheorie über Zivil-, Familien-, Handels-, Straf- und Verwaltungsrecht bis zum Verfassungsrecht, abgehandelt. Schwerpunkte des Kongresses, die sich auch in zahlreichen Beiträgen widerspiegeln, waren Multikulturalismus, Identität und Sprache.

Zunächst wirkt die Zusammenstellung der Beiträge etwas willkürlich. So werden Themen wie Rechtsfragen zur Arzthaftung und der Durchsetzung des materiellen Rechts (Andreas Spickhoff) ebenso behandelt, wie z.B. die Kontrolle von Preisklauseln in AGBs (Matthias Fervers/Beate Gsell), das Recht auf Vergessen (Jürgen Kühling) oder Datenschutz im Internet (Christina Breunig/Martin Schmidt-Kessel). Die Vielfalt ist allerdings dem ehrgeizigen Programm des Kongresses geschuldet. Man mag bei der Lektüre daher je nach Interesse selektiv vorgehen, das wäre aber ein Fehler. Auch wenn sich die Publikation schon durch die Wahl der englischen Sprache in erster Linie an ausländische Juristen wendet, ist jeder einzelne Beitrag es wert, auch von einem deutschen Juristen sorgfältig studiert zu werden. Die der Rechtsvergleichung geschuldete Herangehensweise an die einzelnen Themen und deren Darstellung in englischer Sprache sorgt für einen ungewohnten Blick auf die eigene Rechtsordnung. Alle Darstellungen werden in einen internationalen, europäischen, verfassungsrechtlichen und einfach-rechtlichen Kontext gestellt und die Verortung einzelner Rechtsfragen wird im Rahmen der gesamten deutschen Rechtsordnung herausgearbeitet.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Beitrag von Klaus Tonner zu den Rechtsfragen bei Kreuzfahrten. In seinem Beitrag analysiert er das internationale, europäische und nationale Recht im Verhältnis „Kreuzfahrten und Gäste“, „Kreuzfahrten und Arbeitnehmer“ sowie „Kreuzfahrten und Umwelt“. Sein Beitrag endet zutreffend mit der Feststellung, dass auch anwendbares internationales und europäisches Recht, in die nationale Rechtsordnung übernommen, ein Eigenleben entwickelt, das durch die „nationale Rechtsumgebung“ geprägt wird.

Umgekehrt wird der Aspekt der Ausstrahlung deutschen Rechts auf das internationale Umfeld, insbesondere aber auch in der internationalen Zusammenarbeit, sehr ausführlich in dem Beitrag von Stefanie Schmahl zur Armutsbekämpfung und zu dem Recht auf Entwicklung im deutschen Recht herausgearbeitet. Zu Recht weist sie auf den eher zurückhaltenden Umgang des deutschen Rechts mit den sogenannten Menschenrechten der dritten Generation, insbesondere den Rechten auf Entwicklung, eine gesunde Umwelt und eine Beteiligung am gemeinsamen Erbe der Menschheit, hin. In der Tat sind dessen Inhalte noch vage und die Adressaten dieser Rechte sind nicht ausreichend definiert.

Die weitere Dimension des Zusammenspiels von internationalem, ausländischem und deutschem Recht berücksichtigt Lars Viellechner in seinem Beitrag „Freundlichkeit“ gegenüber Dritten, wie die deutsche Verfassung mit Rechtspluralismus umgeht. Der dynamische Prozess der gegenseitigen Befruchtung der unterschiedlichen Rechtsordnungen wird, insbesondere im Bereich der Grundrechte, blendend entwickelt, sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in Deutschland. Zu Recht beklagt er, dass in der deutschen Juristenausbildung die Grundlagen des Rechts und der Blick über den eigenen Tellerrand zu kurz kommen. Ob die von ihm erwähnte, steigende Popularität der „Konstitutionalisierung“ hier zukünftig eine Änderung herbeiführen wird, bleibt abzuwarten.

Die Publikation mit allen hier auch nicht gesondert erwähnten Aufsätzen ist ein gelungener Beitrag zur Verdeutlichung der „Notwendigkeit der Rechtsvergleichung“ (Ernst Rabel). Die Lektüre ist nicht nur geeignet, einen Blick auf die Ausstrahlung deutschen Rechts im Ausland zu werfen, sondern die eigene Rechtsordnung im internationalen Kontext aus einer anderen Perspektive zu betrachten. 



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