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Rezension: Prozesse in Bausachen

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Motzke / Bauer / Seewald (Hrsg.),Prozesse in Bausachen, Privates Baurecht | Architektenrecht, 3.Auflage, Nomos 2018

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Sebastian Leppla, Kaiserslautern


Das erstmals im Jahre 2009 erschienene Werk versteht sich als Handbuch, dessen vorliegende 3. Auflage im Wesentlichen durch die Reform des Bauvertragsrechtes geprägt ist. Dabei fällt angenehm auf, wie zwanglos und selbstverständlich die Neuregelungen ohne den ständigen Hinweis erläutert werden, dass früher hierzu etwas anderes gegolten habe.

Berücksichtigt man die im Duden zu findende Definition eines Handbuches als „Buch in handlichem Format, das den Stoff eines bestimmten Wissensgebietes oder dergleichen in systematischer, lexikalischer Form behandelt bzw. als „Anleitung, Gebrauchsanweisung“, wird man angesichts des Umfanges des Werkes mit gut 1.900 eng bedruckten Seiten und einem gut 60-seitigen Stichwortverzeichnis naturgemäß über die „Handlichkeit“ schmunzeln können. Inhaltlich jedoch zeigt sich das Werk durchaus als detaillierter Wegweiser sowohl für die „Hauptstrecken“ als auch für die „Verzweigungen“ der baurechtlichen Materie.

Dabei ermöglicht die Gliederung in 16 Paragrafen, die zum Teil in Unterabschnitte mit aussagekräftigen Überschriften gestaffelt sind, generell einen schnellen Zugriff auf die aktuell interessierende Fragestellung. Auch die Binnengliederung der betreffenden Abschnitte mit aussagekräftigen Zwischenüberschriften und kurzen Absätzen erleichtert die Handhabung und Lesbarkeit. Besonders hervorzuheben ist, dass durchaus wichtigen, in der Fachliteratur aber oft nicht gesondert hervorgehobenen Bereichen, eigene Paragrafen gewidmet wurden. Dies gilt beispielsweise für den Problembereich des Nachbarrechts und der in diesem Zusammenhang stehenden deliktischen Sorgfaltspflichten, ebenso wie für das Versicherungsrecht, dessen Berücksichtigung gerade bei der Durchsetzung von Ansprüchen des Bauherren gegen einen Architekten das entscheidende Zünglein an der Waage dafür sein kann, ob die Ansprüche einen leistungsfähigen, weil versicherten, Schuldner treffen oder ob die gegen den Architekten letztlich titulierten Ansprüche nur noch im Insolvenzverfahren angemeldet werden können.

Auch die ausführlichen Erläuterungen zu den prozessualen Beweismitteln mit praktischen Hinweisen, die auf die jeweilige Rolle der im Prozess handelnden Personen abgestimmt sind, und die sich im umfangreichen Paragraphen zu den prozessualen Besonderheiten von Baustreitigkeiten finden, sind gesondert hervorzuheben.

Leider fallen stellenweise immer wieder Nachlässigkeiten des Lektorats auf, wie beispielsweise bei § 11 C. Rn. 14, wo es im ersten (unvollständigen) Satz wie folgt heißt: „Als Nichtversicherbarkeit ist die sog „Pfuscharbeit“ am Bau als elementarer Grundstein für den Ausschluss von Erfüllungsschäden.“ Und wo sich im übernächsten und zugleich letzten Satz des betreffenden Absatzes Folgendes findet: „Hingegen ist als Nichtversicherbarkeit die sog. „Pfuscharbeit“ am Bau als elementarer Grundstein für den Ausschluss von Erfüllungsschäden zu nennen.“ Nachdem sich im zweiten Anlauf also zumindest ein kompletter Satz finden lässt, bleibt der Leser jedoch mit der Frage zurück, was der Autor mit dem Begriff „Pfuscharbeit“ meint, zu dem er leider keine Definition liefert.

Auch ist der optimale Zugang zu den interessierenden Themen durch die übergeordnete Gliederung des Inhaltsverzeichnisses bzw. die dort verwandten Schlüsselbegriffe nicht in jedem Fall einfach und eindeutig. Dies gilt beispielsweise für die Ausführungen zum selbständigen Beweisverfahren. Diese befinden sich in § 2 unter dem Überbegriff „Zustandssicherung“. Mit Sicherheit hat die Verwendung dieses Begriffs durchaus seine Berechtigung, wenn man darunter auch den Begriff der „Beweissicherung“ eingliedern möchte. Möglicherweise hätte man die Bearbeitung des selbständigen Beweisverfahrens aber auch in § 4 unter dem Oberbegriff „prozessuale Besonderheiten von Baustreitigkeiten“ vermuten können.

Leider spiegelt sich das Schattendasein, welches das selbständige Beweisverfahren in der richterlichen Praxis führt, im Standort und zum Teil auch in der Qualität der Bearbeitung im vorliegenden Werk wider. So führen die Autoren beispielsweise zur Vorschrift des § 485 Abs. 1 2. Alternative ZPO aus, die Besorgnis des Verlusts oder der erschwerten Benutzung des Beweismittels liege zum Beispiel vor, bei lebensgefährlicher Erkrankung eines Zeugen, bei drohendem Untergang des Beweismittels (z.B. Zerstörung), aber auch bei vorliegendem schutzwürdigen Bedürfnis zur Veräußerung der streitbefangenen Sache oder zu deren Abänderung wegen unzumutbarem Erhaltungsaufwand, obwohl streng genommen kein Verlust des Beweismittels vorliege, sondern lediglich die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes - zum Beispiel Behinderung des Baufortschritts - unzumutbar sei. Darauf folgt der Hinweis, dass von der Möglichkeit einer selbständigen Beweiserhebung wegen drohenden Beweisverlustes in der baurechtlichen Praxis noch wenig Gebrauch gemacht werde. Dabei verkennen die Autoren jedoch, dass in der Praxis einer der häufigsten Beweggründe für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens auf Basis der oben genannten Vorschrift die vom Bauherren beabsichtigte Mangelbeseitigung sein dürfte. Unstreitig würde diese zum Beweisverlust führen. Dabei handelt es sich auch nicht zwingend um einen Fall der „Unzumutbarkeit der Beibehaltung des aktuellen Zustandes“, sondern oft auch um ein praktisches Bedürfnis, um fortschreitenden Bauschäden zu begegnen, durch welche ebenfalls ein Beweisverlust herbeigeführt werden kann. Zu denken wäre hier etwa an eine fehlerhafte Gebäudeabdichtung.

Auch der weiteren Ansicht der Autoren, in der Praxis werde das Beweissicherungsverfahren häufig zweckentfremdet, da es oft nur zu Herbeiführung der materiell-rechtlichen Wirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB, also zur Hemmung der drohenden Verjährung durchgeführt werde, wenn die Voraussetzungen für eine schlüssige Hauptsacheklage noch nicht vorliegen, kann so nicht gefolgt werden. Läuft doch die Verjährung für jeden einzelnen Mangel gesondert, und muss also zur Hemmung der Verjährung nach Möglichkeit jeder einzelne Mangel, zumindest seinen Symptomen nach, zum Gegenstand des Beweissicherungsverfahrens gemacht werden, damit eine Verjährungshemmung eintreten kann. Folglich bietet sich das Beweissicherungsverfahren doch geradezu dafür an, die bereits (zumindest den Symptomen nach) bekannten Mängel durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen feststellen zu lassen, der zugleich auch – zumindest grob – die zur Beseitigung erforderlichen Maßnahmen feststellt und die anfallenden Kosten schätzt. Naturgemäß sind diese Kostenschätzungen zwar relativ ungenau, sie sollten jedoch eine hinreichende Grundlage für eine bezifferte Vorschussklage des Bauherrn darstellen, die nach der Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur fiktiven Schadensberechnung aktuell ohnehin einer Schadensersatzklage vorzuziehen wäre. Demnach ist das selbständige Beweisverfahren gerade nicht lediglich ein „Lückenfüller“ bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens, sondern gerade oft ein notwendiger oder zumindest zweckmäßiger Zwischenschritt.

Was am Beispiel der Ausführungen zum selbständigen Beweisverfahren durchaus positiv auffällt, ist der Umstand, dass durch Querverweise auf die Ausführungen zum materiellen Recht, gerade auch auf die Neuregelungen nach der Reform des Bauvertragsrechtes, ein praktischer Bezug zu den Möglichkeiten aber auch den Einschränkungen des selbständigen Beweisverfahrens dargestellt werden soll. Leider können die dabei vertretenen Rechtsansichten der Autoren ebenfalls nicht gänzlich unkommentiert bleiben. So findet sich beispielsweise die Behauptung, auch mit der Zielsetzung einer Zustandsfeststellung nach Abnahmeverweigerung gemäß § 650g BGB sei theoretisch ein selbständiges Beweisverfahren möglich. Die Gesetzesbegründung zu § 650g BGB gehe ausdrücklich von dieser Möglichkeit aus, insbesondere dann, wenn man sich nicht auf eine gemeinsame Feststellung des Zustands nach § 650g Abs. 2 BGB einigen könne. Grundlage dieser Aussage sind die späteren Ausführungen der Autoren zum Unterabschnitt „Zustandssicherung durch Parteien während des Bauablaufs“, wo man bei § 2 C. in Rn. 331 zunächst zur gemeinsamen Zustandsfeststellung im Sinne des § 650g Abs. 1 BGB die Aussage findet, dass aufgrund der widerstreitenden Interessen der Baubeteiligten bei einer gemeinsamen Zustandsfeststellung eine gemeinsame Unterschrift unter die Zustandsfeststellung in der Praxis aller Voraussicht nach eher die Ausnahme sein dürfte, weshalb - und hier beginnen bereits die Ausführungen in Rn. 332 zur einseitigen Zustandsfeststellung - § 650g Abs. 2 BGB auch die einseitige Zustandsfeststellung nach Abnahmeverweigerung unter zusätzlichen Voraussetzungen ermögliche.

Zieht man jedoch die auch von den Autoren wiederholt zitierte Gesetzesbegründung zurate, erweisen sich diese Ausführungen als fehlerhaft. In der einschlägigen Drucksache des Bundestages 18/8486 ist auf Seite 60 oben dazu Folgendes zu lesen: „Die Voraussetzungen einer einseitigen Zustandsfeststellung liegen nicht vor, wenn sich beide Vertragsparteien zu einer gemeinsamen Zustandsfeststellung einfinden, sich in der Folge aber nicht auf den feststellenden Zustand einigen können. In diesem Fall steht es den Parteien offen, in einem selbständigen Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO den Zustand des Werks von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen feststellen zu lassen.“

Demnach wäre die einseitige Zustandsfeststellung – mit den Rechtsfolgen des § 650g Abs. 3 BGB – gerade nicht möglich, wenn zwar eine gemeinsame Zustandsfeststellung faktisch durchgeführt wurde, die Parteien sich aber nicht auf eine gemeinsame Formulierung zu dieser Feststellung einigen können. Darüber hinaus ist festzustellen, dass ein selbständiges Beweisverfahren gerade nicht mit der Zielsetzung beantragt werden kann, den Zustand mit den Rechtsfolgen des § 650g Abs. 3 BGB feststellen zu lassen, sondern vielmehr vom Gesetzgeber angesichts der in diesem Fall unzulässigen einseitigen Zustandsfeststellung als Alternative zur Zustandsfeststellung gem. § 650g Abs.1 u. 2 BGB betrachtet wird. Soweit die Autoren unter Rn. 333 ausführen, der Rückgriff auf das selbständige Beweisverfahren zur Wahrung der Rechte sei überzogen, soweit der Antrag nur auf Zustandsfeststellung nach Abnahmeverweigerung laute, ist daher der Hinweis angebracht, dass ein Antrag mit einem solchen Inhalt schon mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig sein dürfte, da die Wirkungen des § 650g Abs. 3 BGB durch ein selbständiges Beweisverfahren nicht herbeizuführen sind.

Fazit: Ein großes Handbuch, das umfassend die im Zusammenhang mit dem Bauprozess aufgeworfenen Fragen beleuchtet und sich auch mit den vermeintlichen Randgebieten prominent befasst; das aber zum Teil auch eine kritische Befassung mit den geäußerten Rechtsansichten gebietet.


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