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Rezension: Sachversicherungsrecht

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Jula, Sachversicherungsrecht, VVW, 4. Auflage 2018

Von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Wilfried J. Köhler, Köln


RoccoJula, sowohl Fachanwalt für Versicherungsrecht als auch Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht mit Kanzlei in Berlin, hat nun schon die 4. Auflage seines – auf den ersten Blick nicht sehr umfangreichen – Werks zum Sachversicherungsrecht vorgelegt. Die Seitenzahl (ca. 270 Seiten incl. Stichwortverzeichnis) darf aber nicht täuschen, denn der Inhalt ist zwar knapp, gleichwohl gewichtig und aussagekräftig.

Einen besonderen Service bietet der Verlag auf seiner Internetseite. Dort findet sich eine Aktualisierungsmöglichkeit [https://www.vvw.de/index.php?parent=6&idcat=244], die völlig unkompliziert – insbesondere auch ohne Anmeldung o.ä. – und kostenfrei in Anspruch genommen werden kann. Im Inneren des Buches von Jula, nach den bibliografischen Informationen, wird auf diese Möglichkeit des Zugriffs hingewiesen. Für das Werk von Julagab es zum Zeitpunkt der Rezensionsbearbeitung (Anfang August 2018) zwar noch keine Aktualisierung, gleichwohl ist das eine sehr gute Idee des Verlags. Man muss nur daran denken, bei der Bearbeitung von Fällen hierauf zurückzugreifen.

Nach einer systematischen Einordnung und der Erläuterung von Grundbegriffen und „Deckungen“ – also der Abdeckung des finanziellen Bedarfs nach einem Schadensereignis – beschäftigt Jula sich mit dem „versicherten Interesse“ und den Rechtsgrundlagen der Sachversicherung, wobei er kurze Hinweise zur juristischen Fallbearbeitung gibt (S. 17 f).

Die von Jula aufgeführten einzelnen Punkte der juristischen Prüfung muss man sich bei der Bearbeitung von Versicherungsfällen stets wieder in Erinnerung bringen, um nicht den einen oder anderen Punkt zu übersehen oder nicht zu bedenken: Besteht ein wirksamer Versicherungsvertrag, ist der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum eingetreten, hat sich die versicherteGefahran versicherten Sachen und am Versicherungsort verwirklicht? Gibt es Risikoausschlüsse oder Risikobegrenzungen (gesetzliche oder vertragliche Obliegenheitsverletzungen)? Wie berechnet sich der Anspruch auf Entschädigung?

Diese zu Beginn nur kursorisch aufgeführten Punkte werden von Jula im weiteren Verlauf seines Werks eingängig besprochen. Bei den einzelnen versicherten Gefahren, wie Feuer, Sturm, Hagel, Leitungswasser/Rohrbruch, Einbruchdiebstahl, Raub, Vandalismus und Elementarschäden (Schäden, die auf Naturereignissen beruhen, z.B. Überschwemmung, Erdbeben, Erdsenkung usw.), gibt Jula jeweils Hinweise auf einschlägige Literatur, Rechtsprechung und vor allem auf die den Versicherungsverträgen zugrunde liegenden Bedingungswerke in ihren verschiedenen Fassungen, definiert die einzelnen Schadensbegriffe und stellt prägnant dar, wann Schadensereignisse zu der entsprechenden Schadens-Kategorie zählen und der Versicherer eine Entschädigung leisten muss.

Ein unerwünschtes Feuer mit schädlichen Folgen (= „Brand“), so die allgemeine Meinung (siehe Jula, S 22), ist die Veränderung von Sachen durch eine Verbrennung als chemischer Vorgang mit einer Lichterscheinung. Schäden ohne eine solche Lichterscheinung, wie z.B. Erhitzung durch elektrischen Strom, fallen nicht unter diesen Begriff. Reine Sengschäden usw., sind nicht mitversichert (Jula, S. 29), es sei denn, sie sind anlässlich eines Brandes, einer Explosion oder eines Blitzschlages entstanden. Nach den üblichen Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87/2008/2010) wird „Brand“ als Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist, bezeichnet oder als ein Feuer, das den bestimmungsgemäßen Herd verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszudehnen vermag.

Die Problematik der Abgrenzung zwischen einem Ereignis, das als versicherter Schadensfall angesehen werden kann, und anderen – nicht dem Versicherungsvertrag unterfallenden Ereignissen – macht Jula stets mit Beispielsfällen plastisch erkenn- und nachvollziehbar. So z.B. für den schon erwähnten „Sengschaden“ (Jula, S. 29): A greift über einen Tisch, wobei eine auf dem Tisch stehende Kerze sein Hemd ansengt, ohne dass eine „Lichterscheinung“ auftritt. Das Kerzenfeuer hat den bestimmungsgemäßen Herd (nämlich die Kerze) nicht verlassen und das Hemd selbst brannte nicht. Ein reiner „Sengschaden“, der von der Feuerversicherung nicht abgedeckt wird.

Bei der Leitungswasserversicherung geben die Versicherer eine Deckung für Schäden an versicherten Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden. „Bestimmungswidrig“ ist ein Austritt von Leitungswasser, wenn der Austritt nicht dem Willen des Versicherungsnehmers oder eines sonst Berechtigten entspricht (Jula, S. 49). Das kann sogar der Fall sein, wenn Einbrecher aus Ärger darüber, dass sie nichts Wertvolles gefunden haben, einen Wasserhahn aufdrehen und die Badewanne überlaufen lassen (Jula, S. 50).

Die Beweislast dafür, dass ein bestimmungswidriger Austritt von Leitungswasser vorliegt, trifft den Versicherungsnehmer. Das kann, wie Jula richtig darlegt (S. 51 f), u.U. schwierig sein. Problematisch wird es für den Versicherungsnehmer nämlich, wenn er von einem zum anderen Versicherer wechselt und nach dem Wechsel ein Wasserschaden entdeckt wird, der aufgrund des Schadensbildes längere Zeit unentdeckt geblieben sein könnte. Der Versicherungsnehmer hätte dann auch zu beweisen, dass der bestimmungswidrige Leitungswasseraustritt in dem versicherten Zeitraum stattgefunden hat und damit der „richtige“ Versicherer in Anspruch genommen wird.

Allerdings hat, hierauf weist Jula hin (S. 52), der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 12.7.2017 – IV ZR 151/15, VersR 2017, 1076 = NJW 2017, 2831, deutlich gemacht, aus den VGB 2001 (die Streitgegenstand des Verfahrens waren) könne nicht entnommen werden, „dass Leitungswasserschäden nur dann versichert sind, wenn aus einer defekten Leitung erstmals in versicherter Zeit Wasser ausgetreten ist oder begonnen hat, versicherte Gegenstände zu schädigen“. Der BGH führt weiter aus, dass der Versicherer nach den VGB 2001„diejenigen Schäden zu ersetzen [hat], die bestimmungswidrig austretendes Leitungswasser an allen denkbaren versicherten Gegenständen verursacht. Das setzt ein Geschehen voraus, das sich – anders als ein Rohrbruch – regelmäßig über einen – oft längeren – Zeitraum erstreckt und bei dem sich der Schaden mit zunehmender Dauer infolge ständig nachlaufenden Wassers vergrößert.

Der in dieser Entscheidung geäußerten Ansicht des BGH will Jula, so seine Aussage Seite 52, nicht folgen, wobei mir allerdings der Unterschied zwischen der Meinung von Julaund dem BGH nicht klar wird – beide Argumentationen von Jula und vom BGH gehen in die gleiche Richtung.

Etwas störend ist bei dem von Jula verwendeten BGH-Zitat, wie auch bei zahlreichen anderen von ihm angebrachten Fußnoten, dass Jula als Fundstelle nur „Juris“ nennt, ohne auch die gängigen Printausgaben von Fachzeitschriften zu erwähnen. Die Zitierweise ist leider auch im Übrigen nicht durchgängig einheitlich. Teilweise werden neben dem entscheidenden Gericht nur die Zeitschriftenfundstellen genannt, teilweise zitiert Jula Entscheidungsdaten und Fundstellen, jedoch keine Aktenzeichen.

Neben der häufig zitierten Fundstelle „VersR“ – die Zeitschrift Versicherungsrecht ist für Fachanwälte für Versicherungsrecht sozusagen Pflichtlektüre und der Bezug der Zeitschrift stellt für sie ein „Pflichtbezug“ dar – wäre es für „einfache“ Rechtsanwälte schön, wenn Jula auch gängige Parallelfundstellen nennen würde. Solche Fundstellen existieren fast immer – so (nur als Beispiel für ein vollständiges Zitat) bei der Fußnote 172 „LG Essen, 27.5.1986 – 13 S 63/86, VersR 1988, 346 = NJW 1987, 481 = RuS 1986, 238“.

Das sind nur Verbesserungswünsche hinsichtlich des schon erfreulich umfassenden Fußnotenapparats von Jula.

Ein größeres Kapital (S. 163 – 216) seines Werks widmet Jula den Tatbeständen der Leistungsfreiheit, nämlich den gesetzlichen, den vorvertraglichen und vertraglichen Obliegenheiten, dem subjektiven Risikoausschluss nach § 81 VVG und der arglistigen Täuschung.

Hier kann ich sagen, dass eine so knappe, gleichwohl so eingängige, leicht verständliche und mit den notwendigen Einzelheiten versehene Darstellung der Problembereiche in der versicherungsrechtlichen Literatur selten zu finden ist.

Jula stellt die Unterschiede zwischen dem Versicherungsvertragsgesetz alter (VVG 1908) und neuer Fassung (VVG 2008) dar. Nach dem VVG 1908 galt bei Obliegenheiten das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ (Jula, S. 164), was bedeutete, dass der Versicherer bei Verletzung einer Obliegenheit gänzlich leistungsfrei wurde. Das wurde vom Gesetzgeber im VVG 2008 (welches ab dem 1.1.2008 in Kraft ist) abgemildert.

Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist bei einem Obliegenheitsverstoß des Versicherungsnehmers (gleichgültig, ob eine vorvertragliche oder eine vertragliche Obliegenheitsverletzung vorliegt) auf die Fälle beschränkt, in denen dem Versicherungsnehmer Vorsatz nachgewiesen werden kann. Bei grober Fahrlässigkeit kann eine Leistungskürzung erfolgen, wobei eine Quotelung nach Schwere des Verschuldens vorgenommen wird – was verständlicher Weise zu Auseinandersetzungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über den Grad des Verschuldens führt. Einfache Fahrlässigkeit ist nunmehr für den Umfang der Entschädigungsleistung des Versicherers unschädlich (Jula, S. 165).

In § 81 VVG 2008 ist ein subjektiver Risikoausschluss festgelegt (Jula, S. 194 ff). § 81 VVG 2008 bestimmt folgendes:

(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Jula stellt – auch an einigen einprägsamen Beispielen – die Unterschiede zwischen einer versicherungsrechtlich relevanten groben Fahrlässigkeit und einer (im Hinblick auf die Versicherungsleistung unschädlichen) leichten Fahrlässigkeit dar und bringt auch Rechtsprechungsbeispiele, wie für das durchaus berühmte „Verlassen der Wohnung trotz gekippter Fenster“ (S. 198 ff) und die „unbeaufsichtigte Wasch-/Geschirrspülmaschine“ (S. 201). Die in den zitierten Entscheidungen verwendeten Gesichtspunkte sind für den Vergleich mit den „eigenen“ Fällen durchaus wertvoll und erkenntnisreich.

Bei der arglistigen Täuschung, mit der sich Jula (S. 209 ff) beschäftigt, geht es nicht um Täuschungen bei der Antragstellung (die den Versicherer zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigen), sondern um solche, die das Regulierungsverhalten des Versicherers beeinflussen sollen. In vielen Sachversicherungsbedingungen ist festgeschrieben, dass der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei wird, wenn der Versicherungsnehmer versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, „die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind“.

Auch hier macht Jula die Problematik anhand von typischen Fällen (z.B. Einreichen fingierter Belege, manipulierter Anschaffungsrechnungen usw.), Rechtsprechungshinweisen und plastischen Beispielen deutlich und bietet Anschauungsmaterial für die Bearbeitung eigener Fälle.

Den Abschluss macht Jula mit dem Kapitel zur Schadens- und Entschädigungsermittlung. Hier finden sich Ausführungen über die Grundsätze der versicherungsrechtlichen Schadensberechnung, über die Entschädigung des Versicherungswerts, über die Grundsätze bei der (gleitenden) Neuwertversicherung und über die versicherten Kosten, wie die Schadensermittlungskosten, Aufräumungskosten, Bewegungs- und Schutzkosten (um versicherte Sachen wieder herzustellen, müssen andere Sachen bewegt, verändert oder geschützt werden). Rettungskosten werden ebenso erläutert, wie Hotel- und Unterbringungskosten und Mietausfallkosten.

Das Werk von Jula bietet einen sehr guten Überblick über das Sachversicherungsrecht und macht die Beschäftigung mit der – manchmal etwas sperrigen – Versicherungsproblematik anhand der vielen Beispiele und weiterführenden Hinweise deutlich einfacher. Es ist eine Fundgrube für weiterführende Ermittlungen.

Ein empfehlenswertes Buch.


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