Huber / Eichenhofer / Endres de Oliveira, Aufenthaltsrecht, 1. Auflage, C.H. Beck 2017
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Mit steigenden Flüchtlingszahlen gerät das Aufenthaltsrecht trotz des vorrangig öffentlich-rechtlichen Charakters auch in den Fokus der Strafgerichte bzw. der früheren „freiwilligen Gerichtsbarkeit“, nunmehr Verfahren nach dem FamFG. Denn in der Praxis häufen sich Strafverfahren wegen Verstößen gegen § 95 AufenthG sowie Verfahren rund um § 62 AufenthG, der die Abschiebungshaft regelt. In der Reihe NJW-Praxis ist nunmehr ein Erstlingswerk zum Aufenthaltsrecht erschienen, das dem Rechtsanwender auf ca. 530 Seiten inklusive Verzeichnissen das Rechtsgebiet näherbringen möchte.
Hinsichtlich der Gestaltung des Werks ist es vielleicht übertrieben, von einer „Bleiwüste“ zu sprechen, aber der Mangel an für die Praxis attraktiven Elementen wie Schaubildern, Checklisten, Prüfungsschemata oder Mustern fällt schon deutlich auf, gerade weil die Aufnahme in die Reihe NJW-Praxis zumindest auf mehr als Fließtext hoffen ließ. Letzterer ist jedoch immerhin gut untergliedert, mit Hervorhebungen durch Fettdruck versehen und von echten Fußnoten unterstützt, aber die Lektüre ist schon harte Arbeit, wenn man sich als Nicht-Verwaltungsrechtler in die Materie einfinden möchte. Etliche Druckfehler werden sicherlich in der Folgeauflage weglektoriert werden.
Was wird inhaltlich geboten? Insgesamt vier Teile geleiten den Leser durch das Werk, darunter das umfangreichste zum Aufenthaltsgesetz und weitere drei zur Rechtsstellung von EU-Ausländern, zum Assoziationsabkommen mit der Türkei und eines zu Grundzügen des Asyl- und Flüchtlingsrechts. Sehr ausführlich werden eingangs die verschiedenen Aufenthaltsarten dargestellt, wobei dem Aufenthalt aus humanitären aber auch aus familiären Gründen jeweils ein breit aufgestelltes Unterkapitel gewidmet wird. Angesprochen werden aber auch Fragen der Integration, der Ausreisepflicht, Verfahrensvorschriften sowie die Strafvorschriften. Sehr schön herausgearbeitet sind auch die Grundzüge des Asylverfahrens einschließlich der Rolle des BAMF sowie mögliche Abschiebungsverbote.
Ungeachtet des Umstands, dass dieses gesamte Rechtsgebiet spannende Fragen und Konstellationen bietet, interessieren mich im amtsgerichtlichen Alltag natürlich nur die Unterkapitel zur Abschiebehaft sowie zu den straf- und bußgeldrechtlichen Vorschriften. Zu letzteren wird leider anstelle einer ordentlichen Darstellung und Subsumtion der Normen auf ein Kommentarwerk verwiesen und anschließend werden die diversen Verstoßmöglichkeiten des § 95 AufenthG lediglich aufgezählt (S. 387 ff.). Das ist gelinde gesagt zu wenig für ein Lehr- und Praxisbuch: Den Gesetzestext lesen kann jeder Jurist selbst. Insoweit: klare Minderleistung an dieser Stelle. Immerhin finden sich vereinzelte interne Verweisungen auf die der Norm zugrundeliegenden Begriffe, etwa die „unerlaubte Einreise“.
Das Kapitel zur Abschiebehaft (S. 342 ff.) ist zum Glück ausführlicher gehalten. Die interne Verweisungstechnik wird für alle relevanten Begriffe klug eingesetzt, sodass man sich zuerst einen Überblick verschaffen kann, um dann gegebenenfalls weiter in Details einzusteigen. Wichtig ist des Weiteren eingangs der klare Hinweis auf den Zweck der Haft, die gerade keinen sanktionierenden Charakter hat und auch nicht auf unbestimmte Zeit erfolgen darf. Durch die penible Auflistung der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um zum Haftausspruch zu gelangen, kann sich der zuständige Amtsrichter rasch eine eigene Checkliste erstellen. Insbesondere die Darstellung des erst seit Juli 2015 geltenden Haftgrundes der Entziehungsabsicht unter Berücksichtigung bereits ergangener Rechtsprechung ist gelungen. Auch das Unterkapitel zum Verfahrensrecht, das gewissermaßen die „Bringschuld“ der Ausländerbehörde betont, aber zugleich die Prüfungspflichten des Amtsrichters herausstellt, ist sehr lesenswert. Schließlich ist es spannend zu lesen, wie sich die Autoren zur Frage der Bindung des Haftrichters an verwaltungsrechtliche Fragen positionieren und den Streitstand nachvollziehbar darstellen und aufzulösen versuchen. Der zuständige Richter darf durchaus kritisch an die Prüfung eines solchen Haftantrags herangehen und darf sich unter vorhandenem Zeitdruck nicht auf unzulässige Kompromisse in den Formalia einlassen.
Abgesehen von meiner Enttäuschung über die Darstellung der strafrechtlichen Vorschriften bietet das Werk dem Amtsrichter eine in der gebotenen Kürze einerseits präzise, aber auch effektive Einführung in die Grundlagen der Abschiebehaft. Dank der guten internen Verweistechnik kann man sich dann Stück für Stück den verwaltungsrechtlichen Details widmen, wenn entsprechender Bedarf besteht. Genau so soll ein Praxisbuch den Leser unterstützen. Die übrigen Kapitel möchte ich angesichts meiner Fachfremdheit nicht bewerten, konnte aber den Ausführungen vielfach neben dem reinen Informationsgewinn viele spannende Details entnehmen, was auch für die Qualität der Autoren spricht.