Kindhäuser, Strafprozessrecht, 3. Auflage, Nomos 2013
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen
„Strafprozessrecht“ so ist der schlichte Titel des nunmehr in 3. Auflage erschienenen Lehrbuchs von Kindhäuser. Der Autor ist natürlich vor allem in der strafrechtlichen Ausbildungsliteratur ein bekannter Name, an den dementsprechend hohe Erwartungen gestellt werden. Vorab schon mal: Das Buch ist toll und zweifellos sein Geld wert.
Es ist in dieser dritten Auflage liegt das Buch“ Strafprozessrecht“ von Kindhäuser nunmehr vor. Es ist geringfügig auf 432 Seiten angewachsen – bemerkenswert ist, dass das Buch noch immer nur 24 Euro kostet und damit ebenso viel, wie die erste Auflage im Jahre 2006.
Vorab: Das Buch erfüllt alle Erwartungen - nicht nur diejenigen, die der Rezensent an ein Lehrbuch zum Strafprozess hat, sondern auch diejenigen, die Studenten und Referendare an derartige Ausführungen stellen.
Kindhäuser beginnt erwartungsgemäß mit einem allgemeinen Überblick, in dem u.a. die Funktion des Strafrechts und des Strafverfahrens ebenso behandelt werden, wie auch die Verfahrensziele und die strafprozessualen Rechtsquellen. Ein weiterer Abschnitt des Buches befasst sich mit dem Ermittlungsverfahren. Hierfür nimmt sich Kindhäuser etwa 100 Seiten Platz. Die Darstellungen (dies gilt auch für alle folgenden Abschnitte) sind durchgehend gut lesbar, vor allem auch optisch gut aufbereitet durch zahlreiche Aufzählungen, viele Absätze, zahlreiche Zwischenüberschriften und immer wieder grafisch hervorgehobene kleine Fälle. Am Ende der einzelnen Abschnitte finden sich dann auch noch Wiederholung-und Vertiefungsfrage, anhand derer nachvollzogen werden kann, ob der Leser tatsächlich dem Inhalt der vorherigen Erörterungen verstanden hat. Diese Wiederholungs-und Vertiefungsfragen sind dann auch gut – ähnlich einem Repetitorium – für eine Examensvorbereitung geeignet. Die Fragen werden dadurch beantwortet, dass auf einzelne Randnummern der vorherigen Abschnitte verweisen wird, was (ich habe dies selbst geprüft) funktioniert. Hervorzuheben sind im Rahmen der Darstellungen des Ermittlungsverfahrens die ausführlichen Darstellungen zum Haftbefehl unter Untersuchungshaft.
Weiterhin widmet sich Kindhäuser dem gerichtlichen Verfahren. Letztlich ist dies dann auch mit etwa 200 Seiten Umfang der Kernbereich des Buches. Natürlich werden zunächst der Gerichtsaufbau und die Zuständigkeiten der Gerichte dargestellt. Sodann arbeitet der Autor das gesamte Gerichtsverfahren auf, beginnend mit den Prozessvoraussetzungen und dem Zwischenverfahren über das Hauptverfahren bis hin zum Urteil und den besonderen Verfahrensarten (z.B. Strafbefehlsverfahren, Sicherungsverfahren, beschleunigtes Verfahren Adhäsionsverfahren usw.). Hierzu nutzt er auch z.B. Grafiken, wie das zum strafrechtlichen Instanzenzug (Seite 162-164). Selbst Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens werden von Kindhäuser dargestellt.
Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit allen denkbaren Rechtsbehelfen, also auch mit absolut examensrelevanten Fragen. Kernthemen sind hier natürlich die Berufung und die Revision. In einem letzten Abschnitt und meines Erachtens ein wenig deplatziert finden sich dann noch historische Ausführungen zum Strafrecht und der Strafprozessordnung. Diese Darstellungen hätten m.E. nach vorne gemusst. Der Qualität des Buches schadet das nicht – der Student bzw. Referendar muss sowieso alles lesen. Schön sind die ebenfalls am Ende angesiedelten kurzen Ausführungen zur europäischen Perspektive des Strafrechts. Für die Falllösung in Klausurfällen ist dies freilich wenig einbringlich - für mündliche Examensprüfungen dagegen sind derartige Darstellungen äußerst hilfreich.
Natürlich fragt man sich bei einer Rezension auch: Gibt es bei dem Buch Verbesserungsbedarf? Natürlich ist das Buch von Kindhäuser als reines Lehrbuch konzipiert. Studenten und Referendaren würde es aber sicher helfen, wenn zumindest am Ende des Buches eine kleine Mustersammlung vorhanden wäre, in der sich typische Schriftstücke befinden, die in dem Buch dargestellt werden (z.B Haftbefehl, Einstellungsverfügung, Urteil, Revisionsschrift; Anklageschrift). Angesichts des Umfanges des Buches muss vermutlich auf derartige Darstellungen verzichtet werden. Da der Prozess aber gerade die praktische Umsetzung des Strafrechtswissens bedeutet, würden solche Beispielstexte dem Verständnis sicher dienen. Dem durchweg guten Eindruck des Buches tut dies freilich keinen Abbruch.
Letztlich verbindet das Werk von Kindhäuser nämlich die Vorteile eines klassischen Lehrbuchs mit denen eines ausschließlich zu didaktischen Zwecken erstellten Skripts. Es finden sich also sowohl die systematische Aufarbeitung von Wissen als auch Lernhilfen und Hilfen zur Wissenskontrolle. Hierdurch ist das Buch manche anderen zum Strafprozessrecht deutlich überlegen. Als Student oder Referendar kann man sich daher guten Gewissens für „den Kindhäuser“ entscheiden.