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Rezension: 30 Klausuren aus dem Individualarbeitsrecht

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Oetker, 30 Klausuren aus dem Individualarbeitsrecht, 10. Auflage, Vahlen 2017

Von Johann v. Pachelbel, Göttingen



Dem Rezensenten liegt die bereits in der 10. Auflage erscheinende Fallsammlung zum Individualarbeitsrecht von Prof. Dr. Hartmut Oetker vor. 30 Klausuren werden mit ausformulierter Musterlösung präsentiert. Die Klausuren sind thematisch in 4 Blocks gebündelt: Begründung, Durchführung, Änderung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Exemplarisch sind klassische Probleme des Arbeitsrechts in Sachverhalte eingebaut, die den Bearbeiter der Klausur auch durch Themenkreise des allgemeinen Teils des BGB und Teile des Schuldrechts führen.

Zunächst stellt sich die Frage, an wen sich die Fallsammlung richtet. Wie beschrieben, werden die klassischen arbeitsrechtlichen Klausurprobleme des juristischen Studiums im Fall erklärt. Erkennbar werden hierbei Grundlagenkenntnisse des Arbeitsrechts bereits vorausgesetzt. Die angesprochenen Problemkreise werden nicht bis ins kleinste Detail lehrbuchartig erklärt. Die Lösungsskizze führt in geraffter Argumentation zu den Problemen hin und umreißt grob das Meinungsspektrum. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelegt. Zur weiteren Vertiefung dienen ausführliche Verweise auf Literatur und Rechtsprechung zu jedem einzelnen angesprochenen juristischen Problem am Ende der Musterlösung. Zusätzlich sind die Fälle nicht so konstruiert, dass ausschließlich arbeitsrechtliche Probleme abgeprüft werden. Gewisse Klausuren sind zu großen Teilen mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch lösbar und arbeitsrechtliche Normen tauchen nur vereinzelt auf. So zeigen die vorliegenden Klausuren hervorragend, wie in juristischen Klausuren Problemkreise aus den zivilrechtlichen Nebengebieten das klassische Zivilrecht modifizieren. Dies schärft die methodischen Fähigkeiten des Bearbeiters, welcher der Gefahr entgeht, sich mit arbeitsrechtlichem Spezialwissen zu überladen, ohne es in der Klausur anwenden zu können. So entgeht der Bearbeiter der Gefahr, zum „Fachidioten“ für sehr spezielle Probleme eines Nebenrechtsgebiets zu werden und dessen Zusammenhänge mit den Grundlagen des Bürgerlichen Rechts zu übersehen.

Die Fallsammlung richtet sich also an Studenten der fortgeschrittenen Semester, die bereits alles Wesentliche zum Schuldrecht verinnerlicht und auch schon Grundkenntnisse im Arbeitsrecht haben. Nach Durcharbeit aller 30 Klausuren sind alle examensrelevanten Bereiche des Arbeitsrechts bekannt und eingeübt. Die Fallsammlung eignet sich also hervorragend zur Vorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen, gerade weil der Schwerpunt auf der Schulung methodischer Fähigkeiten des Bearbeiters liegt. Für die Eignung zur Examensvorbereitung spricht auch, dass bei wiederkehrenden (leicht abgewandelten) Problemen niemals nach oben verwiesen wird, sondern zur Wiederholung und Lernkontrolle die Lösung in gleicher Ausführlichkeit erfolgt. Der Wiederholungseffekt hat einprägende Wirkung, lässt den Bearbeiter das vermittelte Wissen besser bewältigen und schafft Erfolgserlebnisse.

Aber auch der tiefere Einstieg in das Arbeitsrecht wird durch die ausführlichen Verweise auf Literatur und Rechtsprechung am Ende der Musterlösungen ermöglicht. Sehr genau werden zu einzelnen Gliederungspunkten der Lösung relevante Entscheidungen des BAG und Publikationen angegeben. Dies ermöglicht eine punktgenaue Recherche, die ein langes Herumsuchen in Lehrbüchern oder Kommentaren erspart.

Das Urteil des Rezensenten über die Form der Präsentation der Musterlösungen fällt gemischt aus. Positiv hervorzuheben ist die prägnante Sprache in makellosem Gutachtenstil, die dem Bearbeiter eine Richtschnur in den zuweilen komplexen Klausurlösungen ist. Ebenfalls sind die Klausurlösungen inhaltlich sehr übersichtlich gegliedert. Entgegen vieler anderer Fallrepetitorien treffen die Lösungsskizzen ungefähr die Klausurlösung eines guten Studenten. Auch hat die Anordnung der Fußnoten und Literaturverweise die angenehme Folge, dass die Musterlösungen nicht überladen mit theoretischen Ausführungen sind und der Lesefluss nicht von ständig eingeschobenen Verweisen unterbrochen wird. Den praktischen Bedürfnissen des Studenten wird auch ein weißer Rand auf jeder Seite der Lösungen gerecht, der zur Niederschrift kleiner Notizen und Anmerkungen einlädt.

Nicht sehr hilfreich sind allerdings die Formalia der Gliederung. Hier hat der Autor auf die klassische juristische Gliederungstechnik (A., I., 1., etc.) verzichtet und stattdessen nummerisch gegliedert (1, 1.1, 1.1.1, etc.) Dies führt bei mehreren Gliederungsebenen zu einem etwas unübersichtlichen Zahlengewusel (etwa 3.1.2.4.1.). Hier muss der Klausurbearbeiter sich verstärkt konzentrieren, um sich in der Falllösung zu orientieren. Dabei hilft ihm allerdings die schon erwähnte gute inhaltliche Gliederung.


Fazit: Die 10. Auflage der Fallsammlung von Prof. Dr. Oetker zum Individualarbeitsrecht ist inhaltlich eine wertvolle Stütze im fortgeschrittenen Jurastudium und jedem Examenskandidaten zur Vorbereitung wärmstens zu empfehlen. Das positive Gesamturteil lässt über kleine formale Schwächen leicht und gern hinwegsehen.

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