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Rezension: VwVfG

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Kopp / Ramsauer, VwVfG – Kommentar, 17. Auflage, C.H. Beck 2016

Von Rechtsreferendar Dr. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Heidelberg



Das VwVfG hat sowohl für die Praxis als auch für die beiden Juristischen Staatsprüfungen im Öffentlichen Recht eine immense Bedeutung: Zwar könnte man mit Blick auf den in § 1 Abs. 1 a.E. VwVfG kodifizierten Grundsatz der Subsidiarität des VwVfG und dem Vorrang der LandesVwVfG geneigt sein, wegen dieses eingeschränkten Anwendungsbereichs dieses Regelwerkes (instruktiv zum Anwendungsbereich des VwVfG Einführung I Rn. 47 ff.) gleichzeitig die Bedeutung der Materie zu unterschätzen. Jedoch muss man berücksichtigen, dass einerseits die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens im VwVfG kodifiziert und bei der Anwendung des Fachrechts zu berücksichtigen sind und andererseits das LandesVwVfG sich in der Regel (siehe für eine Ausnahme das Fehlen eines dem § 35 VwVfG entsprechenden Paragraphen in Baden-Württemberg) vom BVwVfG nicht unterscheidet. Daher ist es besonders erfreulich, wenn und dass die von Herrn Professor Dr. Ferdinand O. Kopp, ehemals Universitätsprofessor an der Universität Passau, und von Herrn Professor Dr. Ulrich Ramsauer, em. Universitätsprofessor an der Universität Hamburg, Vorsitzender Richter am Hamburgischen OVG a.D. und Rechtsanwalt in Hamburg, fortgeführten Standardkommentierung jährlich in der Neuauflage erscheint und damit die aktuellen Entwicklungen im (inzwischen auch Europäischen) Verwaltungsverfahrensrechts (näher hierzu Vorwort) besonders zeitnah abbildet. Mit Herrn Dr. Peter Wysk, Richter am BVerwG und Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurde ein neuer Autor aufgenommen, der einen „Wandel in der [Kommentierungs-]Autorenschaft“ (vgl. Vorwort) einleitet.

In formaler Hinsicht hat das Werk die bereits bekannte und leserfreundliche Darstellungsweise beibehalten. Aus der Sicht eines Rechtsreferendars – der dieses Werk (sogar) in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung als Hilfsmittel verwenden darf – sind hierbei insbesondere drei Aspekte hervorzuheben, die sowohl das Lernen als auch die Anfertigung von (Probe-)Examensklausuren mit dem Werk erheblich erleichtern: So wird zum einen (erstens) das (praxisorientierte) Lernen, damit zugleich die (praxisorientierte) Vorbereitung auf die (Probe-)Examensklausuren, unter Zuhilfenahme des Werkes dadurch erleichtert, dass einerseits bisweilen Beispielsformulierungen aufgeführt werden (vgl. etwa § 34 Rn. 9 zum Muster des Bundesministeriums des Innern für den Beglaubigungsvermerk einer Unterschrift), die dem Rechtsreferendar die Umsetzung des materiellen Wissens in die praktische Rechtsanwendung zu vermitteln vermögen. Zum anderen (zweitens) ist es hilfreich, dass Prüfungsvoraussetzungen bestimmter Rechtshandlungen überblicksartig aufgeführt werden (siehe z.B. § 79 Rn. 65 zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Widerspruchsverfahrens nach § 68 VwGO), sodass der Leser sich den unmittelbaren Prüfungsort der abstrakten Ausführungen vergegenwärtigen und damit zugleich eine Wiederholung vornehmen kann. Darüber hinaus ist es (drittens) für die Anfertigung von (Probe-)Examensklausuren – gerade mit Blick auf das knappe Zeitbudget – besonders hilfreich, dass einerseits den Einzelkommentierungen Übersichten vorangestellt sind und diese die Funktion eines Inhaltsverzeichnisses bezüglich der Besetzung der einzelnen Randnummern erfüllen. Denn sollte der Leser einmal im Stichwortverzeichnis nicht das Gesuchte finden, kann er bei der systematischen Suche nach der einschlägigen Kommentierung, etwa eines Begriffes/Rechtsinstituts und/oder einer -figur, zunächst die Übersicht eines Paragraphen befragen, um die Einteilung der Einzelkommentierung nachzuvollziehen und hierdurch zügiger auf potentiell einschlägige Stellen zuzugreifen. Andererseits sind bisweilen die in der jeweiligen Vorschrift des VwVfG in Bezug genommenen Vorschriften aus anderen Regelungswerken abgedruckt (vgl. bspw. § 51 vor der Schrifttumsangabe [§ 580 ZPO] oder § 53 vor der Schrifttumsangabe [§§ 195 ff. BGB]), wodurch dem Leser das zeitaufwändige Nachschlagen von Einzelvorschriften in anderen Gesetzeswerken erspart und damit ein zügiges Arbeiten ermöglicht wird.

Inhaltlich besticht das Werk ebenfalls durch die besonders leserfreundliche und praxisorientierte Darstellungsweise. Insofern sind aus inhaltlicher Sicht vier Strukturmerkmale des Werkes besonders hervorzuheben: Zuvorderst (erstens) ist erwähnenswert, dass das Werk zwar das BVwVfG kommentiert, das grundsätzlich vorbehaltlich mangelnder Fachgesetze und bei der Ausführung von Bundesgesetzen zur Anwendung gelangt, jedoch auch der Verweis auf landesbezogene Besonderheiten regelmäßig erfolgt (vgl. etwa § 33 Rn. 18 zur existierenden Zuständigkeitsregelungen [im Verordnungswege] bezüglich der Beglaubigung von Dokumenten in den jeweiligen Bundesländern oder § 71a Rn. 12b ff. zu den jeweiligen [Umsetzungs-]Modellen der einzelnen Bundesländer bezüglich des gesamten Genehmigungsverfahrens für  Dienstleistungserbringer durch eine „einheitliche Stelle“ ans Ansprechpartner [besonders instruktiv auch zum Hintergrund des § 71a in Umsetzung der Dienstleistungs-RL vgl. § 71a Rn. 10 ff.]). Diese Verweise auf die landesspezifischen Besonderheiten ermöglichen es dem Leser, im Rahmen der Rechtsanwendung – ohne großen Rechercheaufwand – die jeweils einschlägigen Landesbesonderheiten im Blick zu behalten und hinreichend zu berücksichtigen. Für den Rechtsreferendar sind die Verweise auf landesspezifische Besonderheiten gerade im Rahmen der Erstellung von (Probe-)Examensklausuren eine immense Hilfe, weil ihm keine landespezifische Literatur als zugelassenes Hilfsmittel zur Verfügung steht.

Des Weiteren (zweitens) erleichtert die Kommentierung insbesondere die Praxisarbeit, indem sie an einschlägige Stellen auf die Auswirkungen des VwVfG auf das Fachrecht verweist (vgl. z.B. § 74 Rn. 223 a.E. zur Reichweite der Plangenehmigung [auch] in Bezug auf die Privilegierungswirkung des § 38 BauGB oder § 51 Rn. 7a ff. zum Verhältnis des Wiederaufnahmeverfahrens nach § 51 VwVfG zu sonstigen Antragsverfahren im Fachrecht [z.B. zum Asyl-Folgeantragsrecht nach § 71 AsylG oder zum Gewerbewiederzulassungsantrag nach § 35 Abs. 6 GewO]). Diese systematischen Hinweise ermöglichen es auf der einen Seite dem Praktiker, respektive dem Rechtsreferendar im Zuge der Stationsarbeit, die systematischen Verbindungen im Blick zu behalten und die jeweils gegenseitigen Wirkungen der Gesetzeswerke bei der Rechtsanwendung hinreichend zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite wird aber auch – der aufmerksame – Studierende und Rechtsreferendar in die Lage versetzt, sowohl beim Erlernen der Materie als auch bei der Erstellung von (Probe-)Examensklausuren die Wechselwirkungen von Gesetzeswerken zu erfassen und eine überzeugende Lösung der zu bearbeitenden Klausur unter Aufzeigen von Systemverständnis zu präsentieren.

Die Praxisarbeit wird ferner (drittens) dadurch erleichtert, dass im Werk viele Lösungen zu einzelnen Rechtsfragen illustriert werden (siehe bspw. § 40 Rn. 107 ff. mit diversen Einzelfällen zu den umstrittenen Fällen der Existenz eines behördlichen Entscheidungsspielraums, § 44 Rn. 16 f. zu den unterschiedlichen Zuständigkeitsmängeln und ihre auf einen Verwaltungsakt bezogenen Nichtigkeitsfolgen und/oder § 48 Rn. 70 zu umstrittenen Fällen eines begünstigenden Verwaltungsaktes). Denn gerade in der täglichen Rechtsanwendung – also auch im Rahmen der Stationsarbeit eines Rechtsreferendars – ist die rechtssichere Beratung/Entscheidung eine der primären Handlungsmaximen, sodass die im Werk besonders instruktiv vorhandene Hilfestellung bezüglich bereits entschiedener Konstellationen die Praxisarbeit nicht nur erleichtert, sondern zugleich beschleunigt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass das Werk eine bloße Ansammlung von Einzelfällen darstellt. Im Gegenteil (viertens): Die Materie wird zugleich – an geeigneten Stellen – zugleich kritisch-wissenschaftlich dargestellt (siehe z.B. in Einführung II Rn. 15 die Darstellung zur Frage nach den Rangverhältnissen zwischen den Sekundärakten im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 AEUV [sog. „Gesetzgebungsakte“] und dem sonstigen Sekundärrecht i.S.d. Art. 288 AEUV oder die kritische Auseinandersetzung mit der Ansicht des BVerfG zur Berücksichtigung von Vertrauensaspekten im Rahmen der Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 Nr. 3–5 VwVfG). Gerade aus der Sicht eines Studierenden oder Rechtsreferendars, der dieses Werk nicht nur für die praktische Rechtsanwendung (etwa im Rahmen von Praktika oder Stationsarbeiten), sondern sowohl beim Erlernen der Materie, bei der Anfertigung von Hausarbeiten und/oder in Vorbereitung auf die Juristischen Staatsprüfungen befragt, ist diese kritisch-wissenschaftliche Herangehensweise begrüßenswert: Hierdurch werden – aufmerksame – Studierende und Rechtsreferendare nämlich befähigt, sowohl den eigenständigen Umgang mit dem Verwaltungsverfahrensrecht als auch das eigenständige Argumentierung in diesem Bereich zu erlernen.


Insgesamt ist die Neuauflage des Werkes Kopp/Ramsauernicht nur wegen der Aktualität besonders empfehlenswert, sondern weil es mit der Kombination aus besonders praxisorientierter Darstellungsweise im Zusammenspiel mit einer kritisch-wissenschaftlichen Herangehensweise das Interesse von diversen Leserkreisen zu befriedigen vermag. Insbesondere Rechtsreferendare sollten dieses im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassene Hilfsmittel bereits sowohl in der Stationsarbeit als auch im Zuge der Vorbereitung auf die Klausuren der Zweiten Juristischen Staatsprüfung als Medium heranziehen. Hierdurch kann man sich sowohl mit diesem in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassenen Hilfsmittel vertraut machen als auch die für die Examensklausuren besonders wertvolle Fähigkeit des eigenständigen Umgangs mit der Rechtsmaterie aneignen.

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