Thiele, Risikoverhalten von Investmentfondsmanagern, 1. Auflage, Gabler 2009
Von Ref .iur. David Eckner, Düsseldorf
Die vorliegende Rezension nimmt sich aus aktuellem Anlass und entgegen der sonst üblichen Tradition auf Die-Rezensenten.comeine ökonomische Dissertation aus dem Jahre 2009 vor. Die Untersuchung von Tanja Thiele entstand am Graduiertenkolleg Risikomanagement und am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzierungslehre der Universität zu Köln, betreut von Prof. Dr. Alexander Kempf. Hier sei bereits auf den Domänenwechsel von rechts- zu wirtschaftswissenschaftlicher Literatur hingewiesen, der später noch einmal in Erinnerung gerufen sei.
Die Arbeit trägt den großen Titel „Risikoverhalten von Investmentfondsmanagern“. Hier sind gleich mehrere Bestandteile eines komplexen Gebildes interdisziplinärer Natur auf den Plan gerufen. Man mag gar an Vater Briest denken, der seiner Effi stets das Grübeln abnahm, in dem er auf ein „(zu) weites Feld“ verwies. Nicht so Thiele: die Autorin hat sich durch dieses weite Feld einen spannenden Weg geschlagen und bepflügt ihn in gebotener wissenschaftlicher Tiefe und unter einem Gesichtspunkt der nach zahlreichen Manöverkritiken an Managern in der internationalen Investmentfondsindustrie nicht aktueller sein könnte: dem rezipierbaren Risikoverhalten des Fondsmanagers. Dabei steht nicht die regulatorische Übersetzung (z. B. nach deutscher Diktion, die Kapitalverwaltungsgesellschaft), sondern vielmehr das Individuum „Fondsmanager“, der Mensch auf dem Geldsack der Anleger, im Vordergrund.
Die Untersuchung ist in sieben Abschnitte untergliedert, lässt jedoch eine zweiteilige Grobgliederung erkennen. Im ersten Teil untersucht Thiele auf empirischer Basis zwei Fragen. Einerseits wird untersucht, warum die höchst gerankten Investmentfonds zugleich das höchste Fundraising vorweisen können. Andererseits analysiert Thiele die realisierten Entlassungsrisiken solcher Investmentfondsmanager, die in den traditionellen Rankings die unteren Plätze einnehmen. Beide Untersuchungsperspektiven haben unmittelbare Wirkung auf das Risikoverhalten von Investmentfondsmanagern, da sie einerseits Entlohnungsanreize bieten, andererseits Entlassungsrisiken bergen. So werden auf der einen Seite Strategien im (geglaubten) Hort öffentlicher Sicherheit (hohes Ranking) riskanter, während auf der anderen Seite Risikoaversion und -vermeidung im Mittelpunkt anderer Manager steht (niedriges Ranking): „Die Entlassungsangst hält Fondsmanager von sehr riskanten Strategien ab, da sie hierdurch Gefahr laufen, in der Gruppe der schlechtesten Fondsmanager abzustürzen und ihren Arbeitsplatz zu verlieren.“ (Kempf, Vorwort, S. VI). Die Antwort der Fragen sieht Thiele in einer Korrelation des Risikoverhaltens von Investmentfondsmanagern und der Entwicklung der Aktienmärkte. Dabei untersucht sie nicht einzelne Marktphasen über eine bestimmte Periode, sondern wendet sich vielmehr einer ganzheitlichen Betrachtung zu, um etwaige Marktphasen an das am Risiko ausgerichteten Verhalten von Investmentfondsmanagern sachgerecht koppeln zu können. Freilich ist der Befund, dass etwa fallende Märkte eine Risikoscheu auf Seiten von assetkorrelierten Investmentfondsmanager zur Folge hat, nicht verwunderlich, denkt man sich zahlreiche Ausreißer hinweg. Die Untersuchung zielt auf Dominanz, nicht auf Pauschalierung oder Generalisierung. Indes ist das Ergebnis von besonderer Bedeutung, dass Risikostrategien über die Marktphasen hinweg häufig gleich laufen und damit prognostizierbarer werden.
Der Bogen wird zum zweiten Teil gespannt, indem eine Antwort auf die Frage der risikoorientierten Strategieanpassung entsprechend der empirischen Vorbefunde aufgezeichnet wird. Wie gestalten Investmentfondsmanager das Risiko ihres verwalteten Vermögens, wenn Entlohnungsanreize oder Entlassungsrisiken dominieren? Eine nicht leicht zu beantwortende Frage, die für eine Letztbeantwortung, so man deren Möglichkeit überhaupt annimmt, nicht minder interdisziplinärer, umfassenderer Behandlung bedürfte. Thiele aber knüpft an ihre empirische Studie an und stellt fest, dass Risikoanpassungen entsprechend der dominanten Marktphase unterschiedlich, aber doch mit dem Verlauf der Marktphase korreliert sind. Einen Generalverweis auf die richtige oder vorherrschende Anpassungsstrategie sucht man vergeblich; zu Recht, sind doch Risiko- und Unternehmensstrategie von zahlreichen Faktoren abhängig und nicht nur durch das Verhalten des Fondsmanagers lenk- und steuerbar. Das Spannende an der Ergebnisfindung liegt – neben den ökonomischen Detaillösungen – vor allem darin, dass die Arbeit ein Raster mit interessanter Wegleitung bietet, das jederzeit zur Überprüfung des Fondsmanagerverhaltens im Hinblick auf die Risikoexpositionen des Fonds herhalten kann. Nach den jüngsten Zerwürfnissen alternativer Fondsanbieter bietet die Untersuchung damit zugleich ein Maß für andere Fondsbranchen als jene, die an Aktienmärkten orientieren. Es stellen sich Folgefragen, wie beispielsweise die Universalität der gefundenen Ergebnisse. Lässt sich der Koppelungsgedanke (individuelle Risikostrategie und Marktphase) auch auf Fonds übertragen, die nicht, jedenfalls aber nicht streng an Aktienmärkte gekoppelt sind? Sind die Entlohnungsanreize und Entlassungsrisiken z.B. von Portfoliomanagern von Alternativen Investmentfonds ebenso abbildbar? Thiele konzentriert ihre Untersuchung, soweit ersichtlich, nicht auf diese Zielgruppen; die Untersuchung stellt jedoch einen wichtigen Beitrag in der Forschung um Investmentfonds dar, die nicht jeder Rezeption entzogen ist. Die Arbeit sollte daher in den Regeln jener Brancheninteressierten nicht fehlen.
Der Rezensent will der Plattform treu bleiben und erlaubt sich zu guter Letzt den bereits in der Einleitung angesprochenen Domänenwechsel wieder in den Blick zu nehmen. Das Thema der Dissertation reiht sich in die (ökonomisch-dominierte) Spezialliteratur zu Investmentfonds ein. Es findet mit den Mitteln der Ökonomie, insbesondere der Statistik, Ergebnisse für Fragen, die jedoch weit weniger in ein spezielles, wirtschaftswissenschaftlich getriebenes Feld einzuordnen sind. Thiele subsumiert das Risiko- und Entscheidungsverhalten (i. w. S.) von Investmentfondsmanagern. Sie trägt damit ganz wesentlich auch zu rechtswissenschaftlichen Fragen bei, die sich (nicht nur) in diesem Zusammenhang stellen. In einer Branche wie der Finanzdienstleistungsindustrie überwiegt mittlerweile die Dichte an Regulierung. Diese Regulierung, als Bestandteil eines z. T. gefahrenabwehrrechtlichen, besonderen Wirtschaftsverwaltungsrechts, hat ganz überwiegend Risiken im Auge, die nachteilige Auswirkungen auf die Bevölkerung und/oder einen Ausschnitt dieser (z. B. Anleger) zeitigen können. Risiken werden zu übergreifender Domäne; der, der sie verwalten muss, gerät allerorts in das Rampenlicht des Rechts. Recht braucht aber einen Orientierungsrahmen, damit es angemessen und in gebotenem Umfang auf Risiko reagieren kann. Einen Bestandteil dieses Orientierungsrahmens gibt uns Thielemit ihrer Arbeit zum Risikoverhalten von Investmentfondsmanagern. Erst wenn auch die zunehmend differenzierten Puzzleteile der Ökonomie angemessen in Augenschein genommen werden, kann das Recht des Finanzmarkts, hier das der Investmentfonds, die Effizienz und Sicherheit bieten, die Marktteilnehmer auf beiden Seiten beanspruchen wollen. Die Publikation sollte daher für den Rechtswissenschaftler und -praktiker im Finanzmarkt von nicht minderem Interesse sein.