Ruder, Polizeirecht Baden-Württemberg, 8. Auflage, Nomos 2015
Von Rechtsreferendar Dr. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Heidelberg
Das Polizeirecht gehört sowohl im Rahmen der Ersten als auch der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zum Pflichtfachstoff. Zudem sind Kenntnisse des Polizeirechts – insbesondere für Rechtsreferendare – besonders Hilfreich, wenn man das Gesamtsystem des Gefahrenabwehr- und Sicherheitsrechts in der deutschen Rechtsordnung verstehen möchte. Denn nicht nur im Strafprozessrecht sind Kenntnisse der Grundwertungen und Prinzipien des Polizeirechts für das nachhaltige und vertiefende Verstehen des Ermittlungsverfahrens unerlässlich, sondern auch für das gesamte Öffentliche Recht mit gefahren- und sicherheitsbezogenen Zielsetzungen (z.B. Baurecht, Immissionsschutzrecht, Gaststättenrecht usw.). Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung des Polizeirechts für das Rechtsverständnis nicht hoch genug eingeschätzt werden, sodass dieses Rechtsgebiet von jedem Rechtskandidaten gewissenhaft durchgearbeitet werden sollte. Genau an diesem Punkt lässt sich die 470 Seiten umfassende Neuauflage des Werkes von Herrn Stadtrechtsdirektor i.R. und RA Karl-Heinz Ruder zum Erlenen des Polizeirechts hervorragend einsetzen.
In formaler Hinsicht ist – neben dem für die im Nomos Verlag erscheinenden Kompendien zum Öffentlichen Recht typisch leserfreundlichen Layout – besonders hervorzuheben, dass Ruder einen ganz besonders leserfreundlichen Darstellungsstil aufweist. Dies zeigt sich bereits darin, dass der Verfasser dem Leser mit 22 Schaubildern (vgl. S. 21: Verzeichnis der Schaubilder) das Erfassen der – bisweilen – komplexen Strukturen sowohl des Verwaltungsaufbaus als auch der rechtlichen Verwobenheit der öffentlich-rechtlichen Vorschriften erleichtert. Flankiert wird die Erleichterung des Erlernens der Materie ferner dadurch, dass Ruder mit zahlreichen Intra-Verweisen arbeitet, die bisweilen sogar systematisch zusammenhängende Themen, die sich aufbautechnisch in einem Lehrbuch nur mit großen Schwierigkeiten verbinden ließen, miteinander verknüpft (siehe z.B. Kap. E. Rn. 192 mit Fn. 229). Auf diese Weise wird dem Leser die Verknüpfung der Einzelthemen präsentiert und ihm hierdurch das Erfassen der Großzusammenhänge erleichtert. Abgerundet wird das Bild der leserfreundlichen Darstellungsweise des Verfassers durch eine Reihe an Beispielsfällen, die in die abstrakten Ausführungen eingebaut sind (vgl. z.B. Kap. C. Rn. 101 zur Eil- und Notfallzuständigkeit wegen Gefahr in Verzug oder Kap. K. Rn. 418 zur Unzulässigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auf der Grundlage einer Verwaltungsvorschrift). Diese Beispiele erleichtern nicht nur die Lektüre des Werkes, weil sie den Abstraktionsgrad der Ausführungen unterbrechen, sondern sie ermöglichen es dem Leser zugleich, die abstrakten Ausführungen in der unmittelbaren Fallanwendung zwecks Verständnisüberprüfung und Wiederholung gleichzeitig bei der Lektüre des Werkes zu durchdenken.
In inhaltlicher Hinsicht ist das Werk aus dreierlei Gründen besonders hervorzuheben: So ist die Art der Berücksichtigung der Rechtsprechung besonders gut gelungen. Denn einerseits ist es besonders erfreulich, dass die aufgeführten Sachverhalte im Rahmen der bereits erwähnten Beispielsfälle bisweilen an Lebenssachverhalte aus der aktuellen Rechtsprechung orientiert sind (siehe z.B. Kap. E. Rn. 191 mit Fn. 225 zur Anscheinsgefahr anhand eines Urteils des VGH Mannheim aus dem Jahre 2013). Andererseits arbeitet Ruder die aktuelle Rechtsprechung in die abstrakten Ausführungen ein (siehe etwa Kap. B. Rn. 52 a. E. mit Fn. 56 oder Kap. E. Rn. 215 mit Fn. 264). Dies hat den doppelten Vorteil, dass der Leser sowohl Anwendungsfälle zwecks einfachen Erfassens der abstrakten Darstellung erhält und zugleich über die einschlägige, aktuelle Rechtsprechung oder zumindest über gegenwärtig entscheidende Lebenssachverhalte informiert wird. Allerdings muss hervorgehoben werden, dass nicht nur Rechtsprechungsansichten, respektive Auslegungsergebnisse (siehe Kap. K. Rn. 452) präsentiert werden, sondern zugleich auch Anwendungsempfehlungen im Hinblick auf das Gesetz ausgesprochen werden (dazu etwa Kap. C. Rn. 92: genaue Lektüre des Gesetzes hinsichtlich der Zuständigkeiten erforderlich). Ferner ist das Werk wegen der hohen Aktualität besonders gut gelungen, die sich zum einen darin zeigt, dass die erst kürzlich in Baden-Württemberg erfolgten Novellierungen (näher Vorwort), wie etwa durch das Gesetz zur Umsetzung der Polizeistrukturreform (Polizeistrukturreformgesetz – PolRG) vom 23. Juli 2013 (zum 01.01.2014 in Kraft getreten, vgl. GBl. Vom 30. Juli 2013 Nr. 11, S. 233 ff.), in der Bearbeitung an den einschlägigen Stellen ausführlich berücksichtigt werden (bspw. Kap. C. Rn. 79 zur Neustrukturierung der Polizeidienststellen oder Kap. K. Rn. 502 zur Novellierung der Vorschriften über die Überwachung der Telekommunikation). Zum anderen zeigt sich die Aktualität aber auch – neben der bereits erwähnten Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung – durch die Besprechung von tagesaktuellen Gesellschaftsthemen, die in die Darstellung integriert sind (siehe etwa Kap. A. Rn. 17 und Kap. D. Rn. 160 jeweils zur Zusammenarbeit von Gefahrenabwehr- und Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Landesebene im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie oder Kap. K. Rn. 505 zur angeheizten Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung im Zuge des Terroranschlags in Paris im Jahre 2015). Schließlich ist in inhaltlicher Hinsicht insbesondere vor dem Hintergrund der oben betonten Bedeutung des Polizeirechts für das gesamte Gefahrenabwehr- und Sicherheitsrecht sehr erfreulich, dass Ruder einerseits an einschlägigen Stellen den Blick auf die Nachbargebiete (wie etwa die StPO, vgl. Kap. C. Rn. 94) wirft und andererseits ein eigenständiges Kapitel zum Thema „Polizei im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren“ (Kap. N.) vorlegt. Hierdurch werden dem Leser die Systemzusammenhänge illustriert und ihm auf diese Weise das Erfassen des Zusammenspiels zwischen den jeweiligen Regelungskomplexen im Gesamtsystem des Gefahrenabwehr- und Sicherheitsrechts ermöglicht.
Zusammenfassend kann die Neuauflage des Werkes von Ruder zum Polizeirecht in Baden-Württemberg sowohl Studierenden als auch Rechtsreferendaren und Berufsanfängern zur Lektüre empfohlen werden. Anfänger können sich mit dem Werk das baden-württembergische Polizeirecht mit einem besonders leser- und studierendenfreundlichen Darstellungsstil erarbeiten. Darüber hinaus können Studierende in den fortgeschrittenen Semestern ihr Wissen mit Blick auf aktuelle Entwicklungen im Polizeirecht auffrischen und durch eine intensive Lektüre vertiefen. Ferner können Rechtsreferendare das Werk nicht nur zum Wiederholen, Auffrischen oder – bei Bedarf – Erlenen des baden-württembergischen Polizeirechts einsetzen, sondern – durch eine aufmerksame Lektüre – zugleich ein Gespür sowohl für die Bedeutung des Polizeirechts im Gesamtsystem des Gefahrenabwehr- und Sicherheitsrechts als auch für das Zusammenspiel der einzelnen Rechtskomplexe dieses Rechtsgebiets entwickeln, welches im Zweiten Juristischen Staatsexamen für die Bearbeitung der Aktenauszüge zwingend erforderlich ist. Schließlich können Berufsanfänger das Werk nicht nur zur Wiederholung, sondern gerade wegen der Aktualität vielmehr auch als Nachschlagewerk einsetzen.