Jahnke / Burmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Auflage, C.H. Beck 2015
Von RA, FA für Verkehrsrecht Sebastian Gutt
Als ich sah, dass dieses Werk zum Personenschadensrecht neu auf dem Markt erscheint, war ich sofort angetan, schon alleine wegen der Herausgeber, die anerkannte Experten in diesem schwierigen Bereich sind. Als ich das Handbuch dann zugeschickt bekommen hatte, war ich vom Umfang beeindruckt und auch von dem Autorenteam. Hier vereinen sich eine Vielzahl von namhaften und äußerst kompetenten Praktikern, vornehmlich aus der Anwaltschaft. Hinzu kommen als Mediziner Dr. Schelter und der Vorsitzende Richter am LG Hannover Wessel, dem es immer wieder im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen gelingt, über den Haushaltsführungsschaden, eine äußerst trockene und zugleich auch schwierige Materie, lebensnah und verständlich zu referieren. Passend ist es, dass Wessel dann auch in diesem Werk den Haushaltsführungsschaden bespricht. Die geballte Kompetenz an Autoren hat natürlich bei mir Erwartungen geweckt, die, und das darf ich vorwegnehmen, vollumfänglich erfüllt wurden.
Die Herausgeber sprechen im Vorwort das Ziel ihrer Publikation an: Das Buch wendet sich an den Praktiker, der raschen Zugriff auf Informationen benötigt, um Personenschadenansprüche seiner Mandantschaft außergerichtlich oder gerichtlich abzuwickeln. Fakt ist, wenn man es mit umfangreichen Personenschäden als Anwalt zu tun hat, hat man es auf Seiten des Versicherers stets mit absoluten Experten und geschulten Sachbearbeitern zu tun, die regelmäßig Volljuristen sind. Um als Anwalt diesen Sachbearbeitern auf Augenhöhe begegnen zu können, bedarf es gleichfalls grundlegender und vertiefender Kenntnisse in diesem haftungsträchtigen Bereich.
Das Werk besteht aus neun Kapiteln: Haftungsgrund, Besondere Verletzungsbilder, Begutachtung, Ersatzansprüche, Drittleistungsträger, Abwicklung, Versicherungsvertragliche Absicherung, Weitere Versicherungen und Tabellen und Übersichten. Diese Kapitel unterteilen sich in jeweils weitere Unterkapitel, für die sich die verschiedenen Autoren verantwortlich zeichnen.
Aufgrund des Umfangs des Werks kann selbstverständlich nicht auf alle Details eingegangen werden. Das Werk umfasst nämlich inklusive Sachverzeichnis über 1.600 Seiten. Daher nur einige Beispiele:
Wessel stellt, wie erwartet, den Haushaltsführungsschaden sehr schön dar und vermittelt das relevante Wissen in angenehmer Kürze. Gut gefallen haben mir die Ausführungen zu den Grundzügen der Berechnung, an denen man sich im konkreten Fall orientieren und diese abarbeiten kann. Insbesondere der Hinweis darauf, dass die Tabellenwerke bei der Berechnung nicht schematisch übernommen werden dürfen, ist wichtig. Denn hierbei handelt es sich um einen häufigen Fehler in der Praxis. Vollkommen zu Recht kritisiert Wessel auch an den richtigen Stellen die bekannten Tabellenwerke.
Aufgrund einer Vielzahl von Verfahren, die ich momentan auf der Aktivseite führe, habe ich mich auch sehr für das von Lemcke bearbeitete Kapitel zu HWS - Verletzungen interessiert. Auch weiterhin beschäftigt dieses Verletzungsbild Gerichte und Mediziner. Vom Grundsatz her ist das Problem ganz hervorragend detailgenau von Lemcke bearbeitet worden. Sämtliche Konstellationen sind angesprochen, z.B. der Beweismaßstab (§ 286 oder § 287 ZPO). Alle wichtigen Entscheidungen sind aufgeführt. Allerdings – und dies ist ein kleiner Kritikpunkt – hat man dann und wann das Gefühl, dass an das Kapitel vornehmlich aus Sicht der Versicherungswirtschaft herangegangen wurde, wenngleich Lemcke alle Seiten darstellt. Die Sicht des Geschädigten kommt aus meiner Sicht jedoch etwas zu kurz. Dies betrifft z.B. die Darstellung der Rolle des ärztlichen Attests, welches der behandelnde Arzt des Geschädigten ausfüllt. Zutreffend weist Lemcke darauf hin, dass das Attest nicht völlig bedeutungslos ist (2. Kapitel Rn. 98). An dieser Stelle vermisse ich jedoch Ausführungen zu einer neueren Tendenz innerhalb der obergerichtlichen Rechtsprechung, die ich meine erkannt zu haben. So hat beispielsweise das OLG Düsseldorf (DAR 2015, 330) entschieden, dass den Äußerungen des Geschädigten gegenüber den behandelnden Ärzten und Therapeuten sowie deren Beobachtungen und Einschätzungen im Rahmen der Beweiswürdigung ein erheblicher Stellenwert beizumessen ist, da anderenfalls einer Partei, die über nicht durch naturwissenschaftliche Methoden objektivierbare Beschwerden, wie es Schmerzenszustände sein können, klagt, jede Möglichkeit genommen würde, ihren Vortrag zu beweisen. Dem hat sich auch Diehl angeschlossen (zfs 2015, 503). Er weist darauf hin, dass die Rechtsprechung davon abrückt, dass weder die Angaben des Geschädigten noch die des behandelnden Arztes nennenswerte Anhaltspunkte für die Feststellung von Sekundärverletzungen bieten. An dem insgesamt guten Eindruck ändert dieser Kritikpunkt indes nichts.
Fazit: Ein herausragendes Werk, dass mich absolut begeistert hat und auf das ich lange gewartet habe. Ich kann nur jedem Verkehrsrechtler empfehlen, sich dieses Handbuch zu kaufen.