Burhoff, Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Auflage, ZAP 2024
Von
RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Gut
Ding will Weile haben. Die damalige zweite Auflage des Handbuchs war im Jahr
2016 vier Jahre nach der Erstauflage erschienen. Nun liegen zwischen der
zweiten und neuen dritten Auflage schon acht Jahre. Wir wollen nicht hoffen,
dass sich dieser Trend kontinuierlich fortsetzt.
Das
Autorenteam ist qualitativ hochwertig erweitert worden, sodass der schon bisher
geltende Anspruch des Herausgebers an die Inhalte seines Handbuchs weiterhin erhalten
bleibt. Inklusive Verzeichnissen umfasst das Handbuch nunmehr bald 1500 Seiten.
Als besonderes Gimmick ist ein ausklappbares Schlagwortverzeichnis enthalten.
Wie
alle Burhoff-Handbücher erhält man als Leser und Rechtsanwender keinen
durchlaufenden, thematisch klassisch sortierten Text, sondern das Thema des
Handbuches ist alphabetisch nach Stichworten sortiert, die dann assoziativ das
jeweilige Unterthema aufbereiten und durch Querverweise innerhalb des Werks weiteres
Wissen schaffen wollen.
Vier
große Teile prägen das Handbuch. In Abschnitt A geht es um echte Rechtsmittel,
in Abschnitt B dann um Rechtsbehelfe. Der dritte Abschnitt C befasst die Leser
mit außerordentlichen und konventionsrechtlichen Rechtsbehelfen und im Schlussabschnitt
D werden die Kosten und Gebühren behandelt, Burhoffs Leib- und Magenthema. Neben
den Stichworten samt Ausführungen gibt es für die Abschnitte A, B und D zahlreiche
Muster für die direkte Rechtsanwendung und ein zugehöriges Musterverzeichnis.
Es
wurde, so das Vorwort, versucht, die Überschneidungen mit den anderen Handbüchern
von Burhoff möglichst gering zu halten. Das ist konsequent, aber manche Themen
muss man eben mehrfach besprechen, wenn sie in den Kontext passen, damit man
als Rechtsanwender nicht gezwungen ist, alle Handbücher zu erwerben (was man
aber natürlich zum eigenen Wissensgewinn stets tun darf). Was mich von der
Systematik her stört, ist die Aufnahme der Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG in
das Handbuch, obwohl andere Rechtsbehelfe nach dem OWiG (Einspruch, Antrag auf
gerichtliche Entscheidung) keinen Eingang gefunden haben. Da kann man nur
sagen: entweder – oder.
Ich
habe mir einige Stichworte auszugsweise näher angesehen, da ich ja vom
Gesamtkonzept des Handbuchs schon vorher überzeugt war. Zum Ausbleiben des
Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung wird ein eigenes Stichwort-ABC
erstellt (S. 26 ff.). Dies ermöglicht also innerhalb des spezifischen Stichworts
noch eine weitere zielgerichtete Suche im Hinblick auf die jeweils eigene Fallkonstellation.
Ausführungen mitsamt Rechtsprechungsnachweisen finden sich bspw. zum unvorhergesehenen
Stau bei der Anreise, zum freiwilligen Auslandsaufenthalt oder auch zur Mittellosigkeit
des Angeklagten und der Problematik des Reisekostenvorschusses. Zusätzlich
existieren noch eigene Stichworte zu Erkrankung oder Verspätung, die wohl die häufigsten
Ausbleibensgründe darstellen. Ergänzt werden die Ausführungen immer mit
Hinweisen an den Verteidiger, sei es zu eigenem Verhalten oder zum Vorgehen bei
Gericht, etwa mit Vorschlägen, was beim Ausbleiben des Angeklagten zu Protokoll
gegeben werden kann. Ebenfalls hingewiesen wird auf den Umstand, dass der Verteidiger
die Vertretungsvollmacht nicht mehr selbst unterschreiben darf (S. 53).
Bei
der Beschwerde wird schön unterschieden zwischen der abgeschlossenen Auflistung
möglicher Rechtsbehelfe und Rechtsmittel innerhalb der StPO und der Frage, ob
bei einem eigentlich gegebenen Ausschluss der Beschwerde nach § 305 StPO doch
ausnahmsweise die Beschwerde als zulässiges Rechtsmittel eingelegt werden kann (S.
94/100 mit interner Verweisung). Dass dann im Rahmen des Stichworts „Akteneinsicht“
die nach der Rechtsprechung des BVerfG (NZV 2021, 41 ff.) nicht mehr haltbare
Ansicht des Ordnungswidrigkeitenrechts zitiert wird, wonach eine Beschwerde
gegen die durch das Amtsgericht vor der Hauptverhandlung versagte erweiterte
Akteneinsicht nicht der Beschwerde zugänglich wäre, ist schade und erstaunlich
(S. 103).
Sehr
schön zu lesen ist das Stichwort zur Verteidigung in Jugendsachen (S. 213).
Hier wird auf engem Raum viel Wissenswertes zusammengefasst, um die verschiedenen
Interessen der Verfahrensbeteiligten zu adressieren, aber auch die verfahrenstypischen
Besonderheiten herauszuarbeiten. Gerade die Kommunikation des Jugendlichen in
der Gerichtssituation sollte vorbereitet sein, aber auch die Abgrenzung in der
Kommunikation zwischen Jugendlichem und Eltern wird zutreffend betont. Die
Unerfahrenheit und Unbeholfenheit der jugendlichen Mandanten muss dann auch bei
der Frage der Pflichtverteidigerbeiordnung vorgebracht werden, ggf. in der
Beschwerdeinstanz.
Zu
den Formalia der Rechtsmittel/Rechtsbehelfe gibt es viele erstaunlich kleine Stichworte.
Manchmal könnte man da noch assoziativ wichtige Informationen ergänzen. So
könnte man bspw. im Stichwort „Form, schriftlich“ (S. 355) auf § 346 StPO oder
ein dazu passendes Stichwort hinweisen (z.B. Rn. 2137), da nämlich der
Tatrichter wegen der nicht eingehaltenen Form der reinen Rechtsmitteleinlegung
keine Verwerfungsentscheidung treffen darf. Zur Rücknahme wird etwas
unglücklich in einzelnen Stichworten zwischen der Erklärung an sich (wohl nur
des Beschuldigten?) und der Erklärung des Verteidigers unterschieden. Da wäre
vielleicht ein einziges Stichwort mit Binnendifferenzierung sinnvoller, gerade
um die dann auch am Ende angesprochene Vollmachtsproblematik (S. 384) besser zu
platzieren. Nachdem sogar das BayObLG 2023 (wenngleich in
Ordnungswidrigkeitensachen; zfs 2024, 229) eine gewisse Lockerung bei der Frage,
welche Vollmacht denn für die Rechtsmitteleinlegung/-rücknahme Gültigkeit
beanspruchen kann, angezeigt hat, könnte man das Thema vielleicht beim nächsten
Mal noch ein wenig ausbauen bzw. zum OWiG ggf. abgrenzen.
Gut
gefallen haben mir die Stichworte zur Anhörungsrüge. Gerade die Frage, welche
Gehörsverletzung von § 356a StPO überhaupt erfasst wird, muss sorgfältig
geprüft werden (S. 559). Auch die Frage der Unzulässigkeit der Präklusion von
Vorbringen wird mit guter Begründung aufgegriffen (S. 560/561). Beim Stichwort der
Gegenvorstellung („Allgemeines“) könnte man mglw. noch ergänzen, dass man mit
einer solchen Gegenvorstellung über die beschriebene Nachprüfung bereits verwerteter
Tatsachen hinaus (S. 643) nicht auch noch etwa die Kosten- und
Auslagenentscheidung ändern kann (vgl. LG Wiesbaden, Beschl. v. 7.6.2024 – 2 Qs
47/24, BeckRS 2024, 21223). Hierzu bedarf es dann anderer Rechtsmittel/Rechtsbehelfe.
Schließlich
habe ich mir, natürlich auch aus Anlass jüngerer Entscheidungen des BVerfG, noch
die Stichworte zur formellen und materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde
angesehen (S. 1228 ff.). Hier werden kurz aber präzise zum einen die notwendig
zu erhebenden Rügen und Rechtsbehelfe benannt, auch wenn sich bei mancher
Pflicht zur Einlegung Widersprüche aufzutun scheinen. Zum anderen wird betont,
dass alle Verteidigungsmöglichkeiten bereits im Ausgangsverfahren genutzt
werden müssen (prägnant formuliert in Rn. 1179), um eine Verfassungsverletzung
zu vermeiden.
Mit
diesem Handbuch hat man nach wie vor einen hervorragenden und belastbaren
Begleiter im strafprozessualen Alltag. Manchmal wäre eine kohärente Darstellung
einzelner Themen von Vorteil, aber das Werk hat nun einmal diesen
Stichwort-Stil. Die klare Fokussierung auf das Handeln des Verteidigers ist der
überwiegenden Zielgruppe geschuldet und wird auch von den Autoren aus der Justiz
mitgetragen. Dennoch ist die Lektüre auch Richtern und Staatsanwälten zu empfehlen,
um aus der besonderen Perspektive und Aufmachung dieses Handbuchs wertvolle
Erkenntnisse zu gewinnen.