Quantcast
Channel: Die Rezensenten
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2717

Rezension Zivilrecht: Arbeitsrecht

$
0
0
Holbeck / Schwindl, Arbeitsrecht, 12. Auflage, Vahlen 2014

Von Rechtsreferendar Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Heidelberg



Das Arbeitsrecht ist in den meisten Bundesländern in der Zweiten Juristischen Prüfung Gegenstand des Prüfungsstoffes. Die Besonderheit des Arbeitsrechts besteht dabei vornehmlich darin, dass es nicht in einem Arbeitsrechtsgesetzbuch kodifiziert ist und nicht als ausschließliches Privatrecht angesehen werden sollte, sondern vielmehr in diversen Sondervorschriften geregelt ist, stets einen Rückgriff auf die Vorschriften des BGB erfordert und zugleich durch eine immense Einwirkung des Verfassungs-  und supranationalen Rechts determiniert ist. Aus diesem Grunde muss das Arbeitsrecht zwingend systemtisch erlernt werden, um eine arbeitsrechtliche Klausur ansprechend lösen zu können. Vor diesem Hintergrund ist das Werk von RiAG Thomas Holbeck, nebenamtlicher AG-Leiter beim LG Landshut, und RA Ernst Schwindl, Dozent für Arbeitsrecht, besonders zu loben, weil es auf 180 Seiten das Arbeitsrecht mit dem Anspruch präsentiert, die systematische Prüfung der Themenbereiche zu schulen (vgl. Vorwort der Verfasser).

Ausgehend von den arbeitsgerichtlichen Besonderheiten präsentieren die Verfasser in Entsprechung der gedanklichen Abfolge eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer die einzelnen Vertragsstadien: Vertragsschluss, Vertragsdurchführung und Beendung des Vertrages, wobei auch die haftungsrechtlichen Besonderheiten im Arbeitsrecht berücksichtigt werden. In formaler Hinsicht sind zweierlei Aspekte besonders hervorzuheben: So stellen Holbeck/Schwindlihrer abstrakten Darstellung einen Beispielsfall voran, wovon ausgehend sodann die abstrakte Materie illustriert und – bisweilen – mit einem selbstständigen Prüfungsschema abgerundet wird. Daneben ist die besonders starke Ausrichtung an die Rechtsprechung des BAG hervorzuheben, weil dem Leser auf diese Weise sowohl die Ansicht des BAG vermittelt als auch – jedenfalls dem aufmerksamen Leser – die Gedankenwelt des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes offenbart wird, sodass der Kandidat bei der Lösung der ihm gestellten Klausuren die Wertungen des BAG seinen eigenen Gedanken zugrunde legen kann.

Inhaltlich ist das Werk gleich aus mehreren Gründen zu loben, wobei hier nur einige Aspekte Erwähnung finden können. Bereits ganz besonders hervorzuheben ist der stete Blick auf die dogmatisch präzise Begründung der jeweiligen Lösung: Beispielsweise ist den meisten Kandidaten bewusst, dass bei unzulässigen Fragen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG ein „Recht zur Lüge“ zugestanden wird. Dass dieses „Recht zur Lüge“ aber nicht die arglistige Täuschung als Tatbestandsmerkmal des § 123 Abs. 1 BGB, sondern lediglich dessen Rechtswidrigkeit entfallen lässt, damit in einem anderen Prüfungspunkt zu erörtern ist, dürfte nur wenigen Kandidaten bekannt sein, sodass es besonders erfreulich ist, dass die Verfasser diesen dogmatischen Aspekt erwähnen (vgl. Rn. 306). Flankiert wird dieser Duktus damit, dass an geeigneten Stellen auch Hintergründe einzelner Rechts-/Rechtsprechungsentwicklungen dargestellt werden: Die vom BAG befürwortete Erweiterung des punktuellen Streitgegenstandsbegriffes im Falle eines Kündigungsschutzantrages auf alle bis zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung ausgesprochenen Kündigungen, sofern „Ausführungen zu mehreren erfolgten Kündigungen oder ansonsten die konkrete Gefahr weiterer Kündigungen“ dargelegt werden, lässt sich nämlich nur dann vollumfänglich begreifen, wenn die bis dato etablierte rechtsmissbräuchliche Praxis bekannt ist (näher hierzu Rn. 527–530).

Schließlich ist besonders hervorzuheben, dass das Werk an geeigneten Stellen die Praxisbesonderheiten des Arbeitsrecht hinreichend berücksichtigt: Beispielsweise wird dargestellt, wie der Arbeitnehmer seiner Beweislast für die fehlerhafte Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung nachkommen kann (vgl. Rn. 435 ff.); als ein anderes Beispiel kann die Illustration der Ausschussbildung für Streitigkeiten zwischen einem Ausbilder und einem Auszubildenden (Rn. 573) erwähnt werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsrecht im Rahmen der praxisorientierten Ausbildung keinen besonders großen Raum einnimmt (diese [auch von den Verfassern im Vorwort getätigte] Aussage trifft freilich nicht auf solche Kandidaten zu, die in arbeitsrechtsorientierte Einrichtungen eine ihrer Pflichtstationen absolvieren), sind die Praxishinweise für die Lösung von arbeitsrechtlichen Klausuren besonders hilfreich.

Insgesamt ist das Werk von Holbeck/Schwindl ganz besonders gut gelungen und sollte von jedem Rechtsreferendar unbedingt für die Examensvorbereitung eingesetzt werden. Denn das Werk vermittelt einerseits praxisorientierte Wissen im Arbeitsrecht in starker Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG, sodass der – zumeist im Arbeitsrecht universitär geprägte Leser – ein Gespür für die Wertungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickeln kann. Andererseits vermag das Werk auf eine besonders erfreuliche Weise ein dogmatisch-systematisches Verständnis vom Arbeitsrecht zu vermitteln, sodass der Leser befähigt wird, dieses aus einem Geflecht von unterschiedlichen Sonderregelungen bestehende Rechtsgebiet ansprechend anzuwenden und selbstständig das Zusammenspiel mit dem Verfassungsrecht und gegebenenfalls dem supranationalen Recht zu berücksichtigen.



Viewing all articles
Browse latest Browse all 2717