Ruppel, Finanzdienstleistungsaufsicht in der Europäischen Union, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2015
Von Ref. iur. David Eckner, LL.M. (King’s College London), Düsseldorf
Seit dem 1. Januar 2011 ist als Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2007/2008 die gesamte europäische Finanzdienstleistungsaufsichtsarchitektur umstrukturiert worden. Ein zentraler Schwerpunkt lag im Rahmen dieser Reform auf der zunehmenden Institutionalisierung der Aufsichtsmechanismen für die drei großen Aufsichtsbereiche Banken-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht. Mit der EBA, ESMA und EIOPA erhielt die Finanzdienstleistungsaufsicht auf europäischer Ebene einen neuen Namen und de jure drei neue Institutionen, mit zahlreichen und nicht unumstrittenen Befugnissen.
Diese, freilich über die wenigen Zeilen hinausgehende, Aufsichtsarchitektur hat Nadine Ruppel in ihrer 2013 abgenommenen und 2015 bei Mohr Siebeck veröffentlichten Dissertation umfangreich untersucht. Die in der Reihe Jus Internationale et Europaeumveröffentlichte Arbeit stellt bereits im Untertitel die richtige Frage: „Institutionell auf dem richtigen Weg?“.
Ruppelbeantwortet diese Frage in acht Kapiteln. Zunächst stellt sie die Grundlagen der Finanzdienstleistungsaufsicht dar, vor allem die Begrifflichkeit und institutionelle Ausgestaltung (S. 7 ff.), bevor in einem zweiten Kapitel die rechtlichen Rahmenbedingungen des gegenwärtigen Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts in der Europäischen Union dargestellt werden (S. 29 ff.). Das dritte Kapitel wendet sich der Rechtsetzung und -durchsetzung auf europäischer Ebene als Grundlage der weiteren Befassung zu (vgl. S. 45 ff.). Im vierten Kapitel bewertet Ruppeldie rechtliche und politische Effektivität sowie Effizienz der zuvor dargestellten Rechtsetzung und -durchsetzung (S. 112 ff.), bevor sie im fünften Kapitel die Globalisierung und deren Einfluss auf die Finanzdienstleistungsaufsicht untersucht (S. 169 ff.). Aus der Analyse der Herausforderungen an das Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht in der Europäischen Union im sechsten Kapitel der Dissertation heraus (S. 202 ff.) gewinnt Ruppel schließlich zahlreiche Argumente für die Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen einer institutionellen Umgestaltung der Finanzdienstleistungsaufsicht (S. 246 ff.), an die sich eine Schlussbetrachtung zu den Vorschlägen de lege ferenda anschließt (S. 289 ff.). Durch alle Kapitel hinweg betrachtet Ruppel die Entwicklungen der europäischen Finanzdienstleistungsaufsicht nicht nur aus der Brille des Rechts, sondern vor allem auch unter Berücksichtigung von politischen und wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten, wodurch eine Interdisziplinarität gewahrt wird, ohne die das Thema nicht sinnvoll hätte auf diese hervorragende Weise behandelt werden können. Insbesondere die deskriptiven Teile der Dissertation haben „Handbuch-Charakter“, weshalb die Dissertation auch über ihren eigentlichen Verwendungszweck hinaus besonders zu empfehlen ist, insbesondere für die ausschließlich mit finanzmarktaufsichtsrechtlichen Fragestellungen betrauten Wissenschaftler und Praktiker.
Freilich lässt sich über die Nuancierung der Ergebnisse diskutieren, was jedoch auch gegebener Anlass sein sollte. Im Ergebnis gelangt Ruppel unter Bezugnahme auf die Zwischenstufe des Lead Supervisor-Konzepts zu einer Umgestaltung der Finanzdienstleistungsaufsicht in der Europäischen Union nach Vorbild des Europäischen Systems der Zentralbanken. Ob dem noch zugestimmt werden kann mit Blick auf das European System of Financial Supervision (ESFS) bedarf erneuter Überprüfung. Dennoch bietet die Arbeit mit exakten und praxiserprobten Argumenten einen sehr geeigneten Beitrag zur fortwährenden Diskussion um die Aufsichtsarchitektur in der Europäischen Union. Eine sehr empfehlenswerte Lektüre!