Schulze / Zoll, Europäisches Vertragsrecht, 1. Auflage, Nomos 2015
Von stud. iur. Andreas Seidel, Göttingen
Nachdem das Erscheinen dieses Lehrbuchs schon seit langer Zeit angekündigt wurde, ist nun endlich die Erstauflage zum Europäischen Vertragsrecht von Prof. Dr. Reiner Schulzeund Prof. Dr. Frederyk Zoll erschienen. Die beiden Autoren haben sich zur Aufgabe gemacht, dieses Rechtsgebiet, das sich erst gerade im Entstehen befindet und sich noch nicht in eine feste Form pressen lässt, darzustellen. Die momentane Situation, in der ein neues Vertragsrecht entsteht, vergleicht manch einer mit der Zeit um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, in der das BGB entstanden ist. Ob diese Euphorie berechtigt war, wird man wohl erst in einigen Jahrzehnten wissen; jedoch bleibt festzuhalten, dass aktuell ein neues Vertragsrecht gebildet wird und dass eine derartige Neuschaffung bemerkenswert und spannend ist. Es stellt sämtliche Generationen von Juristen vor die Prüfung, sich ein neues Rechtsgebiet erschließen zu müssen. Daher wendet sich dieses Lehrbuch auch nicht klassischerweise vor allem an Studierende, sondern nimmt ausdrücklich auch die Wissenschaft und Praxis in den Blick (vgl. Vorwort).
Wahrscheinlich haben die Autoren deshalb einen Einstieg gewählt, in dem die Grundlagen nicht vorausgesetzt werden, sondern bei der Bedeutung des Binnenmarktes für die EU und der Notwendigkeit eines gemeinsamen Rechtssystems begonnen wird. Dabei wird Bezug genommen auf die USA und China, die ebenfalls als große Binnenmärkte diese Notwendigkeit begriffen und – zugegebenermaßen unter anderen Rahmenbedingungen – einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen geschaffen haben. Zudem wird innerhalb der einzelnen Darstellungen auf die Acquis-Principles, den DCFR (Draft Common Frame of Reference) und den Vorschlag der europäischen Kommission zu einem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht (GEK; engl.: Common European Sales Law, CESL) ausführlich eingegangen, wobei letzterer mittlerweile schon zurückgezogen und angekündigt wurde, dass an dessen Stelle ein anderes Instrument treten soll, dass wahrscheinlich insbesondere auf digitale Verträge erfassen soll.
Somit wurden Prof. Dr. Schulze und Prof. Dr. Zoll vor die Herausforderung gestellt, ein Lehrbuch zu verfassen, bei dem es in vielen Punkten noch Unklarheiten gibt und noch keine verbindliche Kodifizierung stattgefunden hat. Die beiden Autoren haben dies gelöst, indem sie zwar immer wieder auf das GEK verwiesen haben und sogar einzelne Normen aus diesem Entwurf zum besseren Verständnis in die Darstellungen eingearbeitet haben. Jedoch wurde durch die Nebeneinanderstellung der verschiedenen Vorschläge erreicht, dass ein einheitliches Bild entsteht, das seine Gültigkeit auch nicht verliert, wenn ein neuer Vorschlag der Kommission vorgestellt wird.
Das Lehrbuch orientiert sich nach einer Einführung und der ausführlichen Darstellung der Grundlagen an dem Lebenszyklus eines Vertrages, wobei auch Strukturelemente wie Treu und Glauben, wie sie in keiner Rechtsordnung fehlen dürfen, vorgestellt werden. Auch wird, wo es nötig wird, auf die Rom-I VO sowie der EMRK und den CISG Bezug genommen, sodass ein abgerundetes Bild auf das vorliegende Rechtsgebiet entsteht, das den Blick weitet auf benachbarte und zum Teil sogar verschränkte Regelungsgebiete.
Somit hat sich einmal mehr das Warten gelohnt. Es stellt eine charmante Alternative zu den anderen Lehrbüchern dar, auf welche immer wieder in den Literaturapparaten oder den Fußnoten verwiesen wird. Obwohl momentan der Anwendungsbereich doch eher akademischer Natur sein dürfte, lohnt es sich für Interessierte mit Sicherheit erste Erfahrungen zu sammeln. Dabei kann dieses Lehrbuch vollumfänglich helfen.