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Rezension Zivilrecht: Prozessformularbuch

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Mes (Hrsg.), Beck’sches Prozessformularbuch, 12. Auflage, C.H. Beck 2013
 
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
 
 
Eine der großen Fragen, die man sich nach Abschluss des Studiums stellt, ist die nach der praktischen Umsetzung des erworbenen materiell-rechtlichen Wissens. Natürlich wird in den Arbeitsgemeinschaften des Vorbereitungsdienstes, in den einzelnen Stationen und mittels der Klassiker der Ausbildungsliteratur (Knöringer, Anders/Gehle, Oberheim) die Anfertigung von Urteilen und Schriftsätzen erlernt und eingeübt. Aber dennoch verbleiben viele praktische Fragen, gerade wenn man Spezialwissen in besonderen Prozesssituationen benötigt, auf die man während des Referendariats nicht zwingend stößt. Die Arbeit mit einer Prozessformularsammlung ist deshalb - so zumindest meiner Einschätzung und Erfahrung nach - ein wunderbares Hilfsmittel, um den Absprung vom Jura-Studenten zum Praktiker zu vollbringen und nebenbei in den Stagen dem Ausbilder eine wirkliche Hilfe zu sein. Die nunmehr drei Jahre nach der Vorauflage vorliegende 12. Auflage des Klassikers von Beck stellt auf beinahe 2600 Seiten die in der Praxis üblichen Muster für den Zivilprozess (wobei nationales und internationales Recht berücksichtigt wird), für das Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, für Schiedsgerichtsverfahren, Arbeitsgerichtsverfahren, die Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Verfassungsgerichtsbarkeit sowie für den Rechtsschutz vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaft zusammen und bereitet diese inhaltlich auf.
 
Innerhalb des Zivilprozesses werden das Verfahren im Allgemeinen sowie diverse Spezialgebiete behandelt, darunter das Kaufrecht, das Mietrecht, das Straßenverkehrsrecht, das Sachenrecht, das Familienrecht, das Kartellrecht oder das Presserecht. Gerade diese Verästelung wird der oben genannten Eignung für die Referendarausbildung besonders gerecht, denn es muss Ziel des jungen Juristen sein, eine fallgerechte Lösung effektiv und vor allem schnell zu finden. Dies kann nicht gelingen, wenn man erst deduktiv vom Allgemeinwissen auf Spezialnormen schließen muss, sondern am besten dann, wenn man gezielte Recherche betreiben kann, so wie dies hier angeboten wird. Aber auch allgemeine Kenntnisse werden dem jungen bzw. angehenden Praktiker instruktiv vermittelt, so gleich zu Beginn zum Mandatsverhältnis (Kündigung des Mandats, S. 21; Abrechnungsschreiben, S. 25; oder sehr gut zur Beratungshilfe, S. 38) aber auch zum Prozesskostenhilferecht (z.B. für die Berufungsinstanz, S. 92).
 
Die konkreten Ausführungen stellen sich dem Leser als Mischung aus Handbuch und Kommentar dar. Die einzelnen Muster sind, sofern nicht Begründungen oder Tatsachenschilderungen enthalten sind, natürlich teilweise sehr kurz, aber die Anmerkungen sowie die Hinweise zu Kosten und Gebühren oder Rechtsmitteln sind jedes Mal ausreichend, ausführlich und durch Fundstellen intensiv untermauert. Erfreulich ist dabei vor allem, dass auch scheinbar belanglose Aspekte des Prozesses wie der Antrag auf eine Fristverlängerung (S. 193) gewissenhaft erläutert werden, gerade wenn es darum geht, einen solchen Antrag nachvollziehbar zu begründen. Auch wichtige Details zur Antragsformulierung, bspw. bei Schmerzensgeldansprüchen (vgl. etwa das Muster S. 686 zur Verkehrssicherungspflichtverletzung), kommen umfangreich zur Sprache und verhindern so beim Berufsanfänger den einen oder anderen Haftungsfall. Positiv anzumerken ist zudem, dass die einzelnen Rechtsgebiete nicht separiert voneinander präsentiert werden, sondern Schnittstellen effektiv genutzt werden, so z.B. zwischen Baurecht und Eilrechtsschutz beim Antrag auf Eintragung einer Bauhandwerker-Sicherungshypothek (S. 783). Hervorheben möchte ich zudem, dass dem Rechtsmittelrecht in den einzelnen Rechtszügen stets genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird, sodass sich die Lektüre der jeweiligen Muster und Erläuterungen auch gut zur Vorbereitung für die mündliche Prüfung eignet (z.B. zur Berufung im Arbeitsrecht, S. 1938 ff.). Man mag an mancher Stelle den Vorwurf der ungleichen Gewichtung erheben, etwa wenn dem Nachprüfungsantrag im Vergaberecht (S. 1276 ff.) alleine 15 Seiten eingeräumt werden, aber in der Gesamtschau ist die Verteilung der einzelnen Rechts- und Fachgebiete ausgewogen, sodass einzelne längere Kapitel nicht negativ ins Gewicht fallen.
 
Insgesamt erhält der Leser und Nutzer mit diesem Werk, dem übrigens auch eine CD beigefügt ist, ein umfassendes Kompendium für das Prozessrecht und zwar in nahezu allen Spielarten der Gerichtsbarkeit - einzig das Strafrecht bleibt außen vor und natürlich gibt es noch vertiefende Formularbücher zu bestimmten Rechtsgebieten. Aber dennoch ist der immense Wert zum Einstieg in die forensische Praxis für den Referendar gar nicht hoch genug einzuschätzen, sodass ich mit Nachdruck eine möglichst frühzeitige Nutzung dieses Werks empfehlen kann, eigentlich ab der Zivilstation, spätestens bei der ersten Anwaltsstation. Die stete Lektüre und der Abgleich mit den im Alltag kursierenden Schriftsätzen und Entscheidungen ermöglicht ein sukzessives und effektives Lernen, wie es kein theoretisches Lehrbuch zustande bringen würde.

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