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Rezension Öffentliches Recht: Medienrecht

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Fechner, Medienrecht, 15. Auflage, Mohr Siebeck 2014

Von Ref. iur. Arian Nazari-Khanachayi, Frankfurt am Main


Die vierte Staatsgewalt. So werden Medien des Öfteren bezeichnet, obgleich sich diese Rolle nicht – jedenfalls nicht zwingend – aus dem Staatsrecht ableiten lässt. Vor dem Hintergrund eines solchen Verständnisses muss man also dem Medienrecht die Rolle des Kontrolleurs der anderen Staatsgewalten zuweisen, geht es doch bei der Trennung zwischen den Staatsgewalten nicht nur um Gewaltenteilung, sondern und gerade auch um „Checks and Balances“. Doch das Medienrecht genießt heute eine weitere Funktion: Zwar soll es nach wie vor den Medien Freiräume vor staatlichen Einflussnahmen sichern, indessen kontrolliert es vornehmlich das Meinungsbildungspotential der Medien insofern, als die gefahrbeinhaltende Dominanz gesellschaftlicher Gruppierungen verhindert werden soll (vgl. auch S. 2). Prof. Dr. Frank Fechner, Professor für Öffentliches Recht, insbesondere öffentlich-rechtliches Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der TU Ilmenau, liefert nun zum 15. Mal im Jahresrhythmus eine Neuauflage seines vorzüglichen Lehrbuchs zum Medienrecht. Gerade die dynamische Entwicklung der mit dem Medienrecht in Verbindung zu bringenden Rechtsgebiete (dazu sogleich mehr) erfordert das Neuerscheinen in diesen kurzen Intervallen.

Formal ist das Lehrbuch sehr übersichtlich und zudem sprachlich äußerst ansprechend konzipiert. Fechner arbeitet mit vielen Schaubildern, die sowohl die systematischen Zusammenhänge zu vermitteln im Stande sind als auch Prüfungsreihenfolgen vorgeben: So wird etwa auf S. 79 – im Anschluss an die abstrakten Ausführungen – ein Schaubild zum Abwägungsvorgang zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Medienfreiheit präsentiert. Dieses Schaubild differenziert beispielsweise zwischen möglichen Akteuren und Situationen, woraus der Leser gleichsam eine Matrix für das eigene Abwägungsverhalten ableiten kann. Eine äußerst hilfreiche Instruktion des Verfassers, die sich durch das gesamte Werk an den angebrachten Stellen durchzieht. Des Weiteren findet der Leser im Anschluss an die jeweiligen Abschnitte kurze Zusammenfassungen, die zum einen die wichtigsten Punkte des abgehandelten Themas erfassen und zum anderen der Wiederholung und zugleich einer Verständniskontrolle dienen können. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass das Werk keine Fußnoten im klassischen Sinne enthält. Vielmehr wird einerseits die relevante Rechtsprechung zu den einzelnen Ausführungen durch Klammerzusatz im Fließtext angegeben, andererseits im Anschluss an die jeweiligen Abschnitte eine Literaturliste präsentiert.

Inhaltlich ist zuvorderst der äußerst interessante Aufbau des Werkes zu erwähnen: in einem „Allgemeinen Teil des Medienrechts“ werden die mit dieser Materie unmittelbar im Zusammenhang stehenden Rechtsgebiete vorgestellt (scil. Verfassungsrecht, Urheberrecht, Jugendschutz, Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Strafrecht und die Europäische und internationale Medienordnung). Der „Besondere Teil des Medienrechts“ umfasst sodann die unterschiedlichen Vermittler von Medien, wobei dem Werk ein weiter Medienbegriff zugrunde liegt (vgl. S. 3 ff., insb. S. 5 ff.), sodass die Presse, das Buch, der Rundfunk, der Film und das Multimedia als Gegenstand der Darstellung fungieren.

Im Allgemeinen Teil werden die vorstehend genannten Rechtsgebiete zuzüglich Verfassungsprinzipien, der Persönlichkeitsrechtsschutz und die Verteidigungsmittel gegen Medien erläutert. Stets stehen die Ausführungen vor dem Hintergrund der mit dem Medienrecht verbundenen Funktion der „Kontrolle der staatlichen Machtausübung“ (vgl. hierzu S. 8 f.). Darüber hinaus geht es dabei nicht nur um diese „Wachhundfunktion“ im Subordinationsverhältnis, sondern vielmehr um die Verwirklichung der mit dem Medienrecht verbundenen Ziele der Informationsverbreitung, aber auch um die „kulturelle“ Erziehung im Gleichstellungsverhältnis. Gerade in diesem Bereich besteht heute (i. e., in der Informationsgesellschaft) mehr denn je die Gefahr „der Fehlinformation und Trivialisierung“. Darüber hinaus wiegt der Umstand schwerer, dass „die Vorstellung auch ernsthafter Medienproduzenten, alle Menschen auf ihrem Niveau „abholen“ zu müssen, […] erkennbar zu einer Primitivierung von Medieninhalten, zu einer negativen Vorbildwirkung und damit zu einer Aushöhlung der sittlich-moralischen Werte der Gesellschaft“ führt (so ausdrücklich S. 13). Diese zutreffenden Wertungen des Verfassers sind zwar besonders zu loben, doch das Werk muss inhaltlich und vor dem Hintergrund der kurzen Erscheinungsintervalle einer anderen Kontrolle standhalten: der Aktualitätskontrolle. Insofern lässt sich nur sagen, dass das Werk diesem Anspruch zu einem hohen Grade gerecht wird, wenn man die eingearbeitete aktuelle Rechtsprechung (vgl. etwa S. 77 Rn. 39 a. E. oder S. 151 Rn. 97 a. E.) in den Blick nimmt. Freilich wird hier von einem „hohen Grade“ und nicht von exzellenter Aktualität gesprochen, weil etwa auf S. 127 im Rahmen der Darstellung des zwingenden Zweitverwertungsrechts für Wissenschaftler § 38 Abs. 4 UrhG n. F. hätte dargestellt werden können (am 01.01.2014 in Kraft getreten; der Entwurf geht auf den 08.05.2013 zurück [vgl. auch BT Drucks. 17/13423]). Obgleich dieses kleinen Schönheitsfehlers, besticht die inhaltliche Darstellung durch Präzision einerseits und vor allem durch die ausführliche Darstellung des europäischen (und internationalen) Medienrechts (S. 197–225) andererseits. Mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Europarechts, des mit dem Sekundärrecht erreichten Harmonisierungsgrades in vielen Rechtsgebieten und der Gesamtsystematik der Rechtsordnung ist das nationale Recht ohne europarechtliche Kenntnisse, kaum noch befriedigend zu durchdringen.

Hat sich der Leser durch den Allgemeinen Teil des Medienrechts gearbeitet, hat er die für diese Materie wichtigen Rechtsgebiete zwar abstrakt erfasst, jedoch die medienvermittlerspezifischen Unterschiede – vermutlich – noch nicht herausgefiltert. An diesem Punkt wird der Leser sodann in den Besonderen Teil des Medienrechts eingeführt: Zuvorderst stellt Fechner die unterschiedlichen – oben genannten – Medienvermittler vor. Nicht nur die historische Entwicklung der einzelnen Vermittler, sondern ihre besonderen Funktionen und Arbeitsweisen und ihre Stellung im Gesamtgefüge des Staats(-rechts) werden erläutert. In diesem Zusammenhang kann man auch davon sprechen, dass die „Medien(rechts)ordnung“ der Verfassung näher erläutert wird, weil Fechner die aus der Verfassung erwachsenden Rechte und die durch das Verfassungsrecht, respektive der Konkretisierung durch das BVerfG, vorgegebenen Aufgaben der unterschiedlichen Vermittler instruktiv vorstellt. Dabei bleibt Fechner freilich nicht stehen, sondern geht im Anschluss auf das einfachgesetzliche Recht ein: In diesem Bereich werden sodann die Besonderheiten der einzelnen Rechtsgebiete im Hinblick auf die Tätigkeit der jeweiligen Vermittler dargestellt. So wird etwa erläutert, dass der Jugendschutz im Rundfunk nunmehr (seit 2003) im JMStV mit einem abgestuften System (näher hierzu S. 328 ff. Rn. 217 ff.) oder der Datenschutz im Bereich des Multimedias nunmehr im TMG (näher hierzu S. 363 ff. Rn. 59 ff.) geregelt ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Lehrbuch vonFechner nicht nur durch die Aktualität besonders hervorsticht, sondern vielmehr durch das Konzept: Dieses Lehrbuch stellt eine vorzügliche Melange zwischen Wissensvermittlung der für die Medien relevanten Rechtsgebiete und der isolierten Betrachtung der (rechtlichen) Besonderheiten der einzelnen Medienvermittler dar. Gerade dieses Konzept ermöglicht es dem Leser, die – bisweilen äußerst – verstreuten Regelungskomplexe (angefangen vom Verfassungsrecht bis hin zum Landesrecht und den teilweise vorhandenen Staatsverträgen) im einschlägigen Zusammenhang erfassen, somit ein Gesamtverständnis aufbauen zu können. Wer dieses Werk gewissenhaft durcharbeitet begegnet der Gefahr, im Vorschriftendickicht des Medienrechts spezialgesetzliche Vorschriften zu übersehen. Dieses Lehrbuch lässt sich mithin jedem Juristen empfehlen, der auch nur mittelbar mit Medien i. w. S. in Berührung kommt.

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