Schäfer / Schimmel, Juristische Recherche – analog und digital, 1. Auflage, utb 2024
Von RAin, FAin SozR
Marianne Schörnig, Düsseldorf
Das Arbeitsbuch „Juristische
Recherche – analog und digital“ von Schäfer und Schimmel hätte es in den 80er
Jahren schon geben müssen! Hier zeigt sich deutlich der Unterschied der damals
noch üblichen Recherche "anhand von Papier" und dem Fortschritt für
die Digital-Natives. Schon die erste Frage „Quick & dirty oder
professionell belastbar?“ führt hervorragend in die Thematik ein. Dabei ist „Q
& D“ keine abwertende Beschreibung, sondern bezieht sich auf die weit
verbreitete Methode, eine schnelle Recherche über die Eingabe in einer
Suchmaschine zu starten. Diese Methode liefert in vielen Fällen recht solide
Ergebnisse, die für einen ersten Überblick durchaus genügen können. Warum aber
weitergehen und sich vertiefen?
Hier setzen die Autoren
an und zeigen, wie viel wertvoller eine gut strukturierte, professionelle
Recherche sein kann. Die Zielgruppe sind laut Einleitung Studienanfänger und
Nichtjuristen, denen grundlegende Techniken vermittelt werden sollen. Aus meiner
Sicht greift diese Zielgruppenbeschreibung jedoch zu kurz: Selbst erfahrene
Juristen können durch die systematische Herangehensweise an die Recherche
erheblich profitieren. Ein Beispiel, das die Autoren vorstellen, ist das
Szenario eines Referendars, der für seinen Anwalt ein bestimmtes Thema
recherchieren soll. Wie strukturiert er seine Suche, um relevante, verlässliche
Informationen zu finden?
Doch auch für Anwälte
mit langjähriger Berufserfahrung ist dieses Buch ein Gewinn. Angesichts der
Tatsache, dass juristische KI in spezialisierten Rechtsgebieten noch nicht
ausgereift ist und teilweise haarsträubende Ergebnisse liefert, muss der (Fach)Anwalt
wohl oder übel selbst 'ran, wenn es um eine tiefergehende Recherche geht.
Dieses Buch bietet dabei eine methodische und strukturierte Anleitung, die
zeigt, wie man Informationen effizient und präzise beschafft – mit wertvollen
Tipps nicht nur für Anfänger, sondern für jeden, der mit juristischen Texten
arbeitet.
Ein besonders
lesenswertes Kapitel ist „Ergebnisse auswählen und bewerten“, das mit einer
direkten, fast respektlosen Offenheit an die Bewertung von Quellen herangeht.
So beschreiben Schäfer und Schimmel die Hierarchie in der Rechtsprechung mit
der prägnanten Formel: „oben schlägt unten“. Damit ist gemeint, dass
Entscheidungen höherer Instanzen vorrangig zu beachten sind, während Urteile
aus unteren Instanzen in der Regel weniger Gewicht haben. Dieser pragmatische
Ansatz zeigt, wie klar und zielgerichtet das Buch vorgeht – hier geht es um
praxisnahe Effizienz, nicht um akademische Feinsinnigkeit.
Allerdings relativieren
die Autoren diese Hierarchie auch. Sie machen darauf aufmerksam, dass auch in
Entscheidungen unterer Instanzen durchaus wertvolle Argumente zu finden sein
können. Es erfordert allerdings die Fähigkeit und Geduld, diese oft
„verborgenen Schätze“ zu entdecken. Das Buch liefert dazu hilfreiche Werkzeuge
und wertvolle Hinweise, die gerade dann nützlich sind, wenn man tiefer in die
Materie einsteigen und auch solche Argumente gezielt herausfiltern möchte.
Das Problem: Diese
Urteile werden nur selten veröffentlicht und sind meist nur dann zugänglich,
wenn sie von höheren Instanzen zitiert werden. Hier findet man dann
gelegentlich interessante Erwägungen, die aber meist gerade dazu dienen, vom
Tisch gewischt zu werden. Das Buch unterstützt die Leserschaft dennoch dabei,
auch diese „indirekt“ sichtbaren Argumente zu erkennen und gezielt in die
Recherche einzubeziehen.
Diese ehrliche
Herangehensweise an die Bewertung von Rechtsquellen macht das Buch umso
wertvoller – ein unverzichtbarer Leitfaden für jeden, der effizient und
fundiert arbeiten will, ohne in der Fülle der Informationen unterzugehen.
Ein leider nur kurzes
Thema des Buches ist die Wichtigkeit der Dokumentation – sprich: Daten sichern.
„Wer sichert, ist feige“ war ein beliebter Spruch unter Jurastudenten, als die
sich noch mit Heftern, Papierakten, Lochern u. ä. 'rumschlagen mussten. Die
Autoren betonen immer wieder, dass eine sorgfältige Dokumentation der
Rechercheergebnisse das A und O ist, um Erkenntnisse später strukturiert
abrufen und verwerten zu können. Ohne eine gute Organisation der Fundstücke
geht bei komplexen Themen der Überblick leicht verloren. Das Buch bietet hierzu
sinnvolle und praxisnahe Tipps für die Datenablage, die auch in hektischen
Arbeitsphasen gut umzusetzen sind. Jeder, der einmal in mehreren Kilogramm
Blättern eine bestimmte Fundstelle gesucht hat, weiß die Digitalspeicherung,
insbesondere die Durchsuchbarkeit von Dokumenten, zu schätzen.
Umfassend wird der
Aufbau juristischer Datenbanken erläutert, darunter die zentralen Plattformen
wie Beck-Online, Juris, Wolters Kluwer, Nomos eLibrary und InfoCuria. Die
Autoren führen die Leserinnen und Leser durch die unterschiedlichen Startseiten
und Benutzeroberflächen der Anbieter, erklären nützliche Funktionen und geben
Hinweise, wie sich die Navigation und die Suchoptionen in den Datenbanken
unterscheiden.
Am Beispiel typischer
juristischer Quellen wie Rechtsvorschriften, Gerichtsentscheidungen und
rechtswissenschaftlicher Fachliteratur zeigen Schäfer und Schimmel Schritt für
Schritt, wie man gezielt nach diesen Dokumenten suchen kann. Dabei wird
deutlich, wie sich die verschiedenen Dokumenttypen am effizientesten finden
lassen, welche Suchstrategien jeweils zum Ziel führen und welche Fallstricke
bei der Recherche zu beachten sind. Die Stärken und Schwächen der einzelnen
Datenbanken lassen sich so am besten herausfiltern. Für Praktiker besonders
beruhigend: Wenn es um die Recherche von Gerichtsentscheidungen geht, bieten
alle großen Datenbanken – ob Beck-Online, Juris, Wolters Kluwer oder Nomos
eLibrary - eine zuverlässige Basis und eignen sich gleichermaßen gut. Dies
erleichtert die Auswahl und schafft Sicherheit, da die entscheidende
Information praktisch immer zugänglich ist, unabhängig vom gewählten Anbieter.
Das Buch endet mit
einem aktuellen Ausblick: Wird man all diese Recherchefähigkeiten im Zeitalter
der Künstlichen Intelligenz noch brauchen? Die Antwort der Autoren ist
realistisch und pragmatisch. Auch wenn KI zweifellos vieles erleichtert, bleibt
die eigene Recherchekompetenz in den nächsten Jahren unverzichtbar. Solange künstliche
Intelligenz „halluziniert“ und häufig fiktive Informationen generiert, bleibt
die natürliche Intelligenz klar im Vorteil (gerade Aktenzeichen von
Gerichtsurteilen sollte man nie „blind“ übernehmen!) – ein Fazit, das dem Leser
Vertrauen in die eigene Expertise und den Wert systematischer, eigenständiger
Recherche vermittelt.
Eine klare
Kaufempfehlung, sowohl für Anfänger als auch „alte Hasen“ (und Häsinnen).