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Rezension: Ehrenamt in der funktionalen Selbstverwaltung

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Kosney, Ehrenamt in der funktionalen Selbstverwaltung – Grundlagen, Rechte und Pflichten unter besonderer Berücksichtigung des Prüfungswesens im Handwerk, Nomos 2024

Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen

Das Ehrenamt in der funktionalen Selbstverwaltung – dieser Untersuchungsgegenstand ist an sich bereits ein lohnenswerter, steht doch gerade die Selbstverwaltung immer wieder im Fokus, wenn die Partizipation der Betroffenen mit einer gleichzeitig gewollten Professionalisierung in Einklang zu bringen ist und gleichzeitig vielfache Initiativen das Ehrenamt attraktiver machen wollen. Gleichzeitig steht die Selbstverwaltung vor enormen Herausforderungen, was die Ausfüllung ihres Auftrags angeht, flankiert von einer stetig zunehmenden Verrechtlichung sowie teils fehlendem Interesse und Engagement.

Insofern habe ich mich – nach der grundlegenden Arbeit Hadanks zur funktionalen Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung im vorvergangenen Jahr (Rezension hier im Blog) – auf die Lektüre des Werks von Kosney gefreut, der das Ehrenamt in der funktionalen Selbstverwaltung in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, wobei stets die Besonderheiten im Handwerk als Bezugspunkt dienen. Endlich mal ein Werk, das sich den Rechten und Pflichten der Ehrenamtlichen widmet und wichtige Fragen klärt, etwa „ob Entschädigungsansprüche bestehen, das Amt einfach niedergelegt werden kann, oder ob und inwieweit auch für ehrenamtlich Tätige Amtsausübungs-, Teilnahme-, Treue- oder Verschwiegenheitspflichten gelten“ (S. 26 f.). Die von Burgi betreute und von Drüen mit einem Zweitgutachten bedachte Arbeit von Kosney wurde im Wintersemester 2023/24 von der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen.

Das Werk ist klar strukturiert und gliedert sich – eine Einleitung (§ 1) vorangestellt – in vier Teile, die wiederum in fortlaufende Kapitel unterteilt sind. Im ersten Teil geht Kosney den Grundlagen der Selbstverwaltung und auch des – besonders handwerklichen – Ehrenamts auf den Grund. Dabei erarbeitet er klare Definitionen von Selbstverwaltung (§ 2) und Ehrenamt (§ 3), befasst sich mit dem Ehrenamt in der Handwerksorganisation (S. 71 ff.) und grenzt das Ehrenamt gegen andere Formen der Betätigung ab (S. 104 ff.). Gut gefallen hat mir zudem der vergleichende Blick ins Kommunalrecht (§ 4), was auch im Bereich der Sozialversicherung ein steter Bezugspunkt ist.

Anschließend untersucht der Verfasser im zweiten Teil die verfassungsrechtliche Stellung der Ehrenamtlichen (§ 5) sowie die Bezüge zwischen Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und funktionaler Selbstverwaltung (§ 6).

Der dritte Teil stellt sodann den Kern der Arbeit dar. Kosney analysiert hier eingehend die Rechte und Pflichten im handwerklichen Ehrenamt (§ 7 und § 8). Sehr gut gefallen hat mir die Auseinandersetzung mit den Rechten der Ehrenamtlichen im Handwerk (§ 7. B). Der Verfasser buchstabiert hier wirklich die wesentlichen Rechte im Einzelnen und bezogen auf die jeweiligen Organe aus. Nach kurzen Ausführungen zum Recht auf Zugang zum Amt und zum „freien Mandat“ wird sodann die gesamte Breite der Mitgliedschaftsrechte systematisch abgearbeitet: Antragsrechte von Organmitgliedern, Teilnahmerechte an Sitzungen, Rederechte, Abstimmungs- und Wahlrechte und schließlich das Informationsrecht. Gerade letzteres ist gewissermaßen der „Grundstein“ dazu, dass die Organmitglieder ihr jeweiliges Ehrenamt überhaupt sinnvoll ausüben können. Auch die Ausführungen zu Behinderungs-, Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot überzeugen, etwa wenn der Verfasser diese Rechte – aufgrund des allgemeinen dahinterstehenden Rechtsgedankens – auch auf die Vorstandsmitglieder der Handwerkskammer überträgt (S. 202). Als Ausdruck eines solchen allgemeinen Rechtsgedankens macht Kosney auch den Entschädigungsanspruch aus § 85 VwVfG („Der ehrenamtlich Tätige hat Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen und seines Verdienstausfalls.“) für die Selbstverwaltung im Handwerksrecht fruchtbar (S. 204). Bei der Lektüre der umfassenden Analyse der Regelungen und ihren Lücken konnte ich hier vielfach Parallelen zu anderen Bereichen funktionaler Selbstverwaltung erkennen, etwa auch zu denjenigen im Bereich der Sozialversicherung (dort maßgeblich § 41 SGB IV), was angesichts der ähnlichen Problemlagen hochinteressant erscheint und künftig ggf. noch einmal vergleichend gewinnbringend nutzbar gemacht werden sollte.

Im vierten Teil unterbreitet der Verfasser sodann Reformvorschläge zur Stärkung des Ehrenamts (§ 9). Dabei stellt er zunächst bereits vorgenommene Anpassungen dar (§ 9. A), bevor er anhand von Wünschen ehrenamtlich Tätiger daraus Möglichkeiten zur Gewinnung neuer Ehrenamtler*innen ableitet (§ 9. B). Sofern Kosney hier einen vermehrten Einsatz von Hybridsitzungen sowie einen Ausbau von Weiterbildung und Qualifizierung für Ehrenamtliche fordert, sei darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber diese Wünsche der Ehrenamtlichen im Bereich der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung bereits umgesetzt hat. So wurden hier zwischenzeitlich Ansprüche auf Urlaub und Verdienstausfall zur Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen (§ 40 Abs. 3 SGB IV) und weitgehende Möglichkeiten von Hybrid- und (wenngleich eingeschränkt) sogar vollständig digitalen Sitzungen (§ 64a SGB IV) geschaffen, die ggf. als Anregungen dienlich sein könnten. Abgerundet wird das Werk schließlich durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse (§ 10) sowie ein Literaturverzeichnis.

Wenn Kosney als Ziel des Werks ausgibt, „dass sowohl die Körperschaft als auch der ehrenamtlich Tätige Klarheit über die Rechtsbeziehung zueinander erlangen“ (S. 29), so wird man dieses Unterfangen nach Lektüre des Werks als umfänglich gelungen bezeichnen müssen, insbesondere angesichts der Fülle an rechtlichen Fragen, die der Verfasser behandelt. Die Lektüre des Werks hat meine Erwartungen nicht enttäuscht. Sie schafft systematisch die Grundlagen für die Auseinandersetzung mit den Rechten und Pflichten der Selbstverwaltung im Handwerk. Zugleich eröffnet sie Horizonte für Vergleiche etwa mit der Selbstverwaltung in Kommunen oder der Sozialversicherung, die insbesondere bei der Lückenfüllung rudimentärer gesetzlicher oder untergesetzlicher Regelungen dienlich sein und zu pragmatischen Lösungen führen können. Kosneys Werk ist damit vor allem all jenen zu empfehlen, die in Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften mit Selbstverwaltungsfragen befasst sind. Aber auch interessierte, juristisch versierte Ehrenamtliche sowie mit Problemen im Recht der funktionalen Selbstverwaltung Befasste in anderen Bereichen werden von dem Werk profitieren und an ihm Freude haben.


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