Staudinger / Halm / Wendt, Versicherungsrecht, 3. Auflage, Nomos 2023
Von
RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Der
Kommentar zum Versicherungsrecht erscheint in dritter Auflage erstmals im
Nomos-Verlag und das gleich in der blauen NK-Reihe. Nachdem dort Werke zum BGB
und StGB in mehreren Bänden vorhanden sind, bleibt abzuwarten, ob das jetzt
schon umfangreiche Werk in Zukunft in mehrere Bände aufgegliedert werden wird.
Enthalten
sind im Kommentar derzeit Erläuterungen zum VVG und zum EGVVG, dazu zur EuGVVO,
dem PflVG (a.F.), dem HaftPflG, dem VAG und einigen ausgewählten Versicherungsbedingungen,
die an jeweils inhaltlich geeigneten Normen als Anhang mitverarbeitet werden.
Diese Art der Darstellung ist zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig, denn man
findet bestimmte Normen des VVG nicht mehr auf Anhieb, sondern muss sich über
das Inhaltsverzeichnis zurechtfinden. Dass diese Art der Aufbereitung klar zulasten
der Nutzungsfreundlichkeit geht, dürfte auf der Hand liegen, auch wenn die
gewählte Form der Abfolge der Normen mglw. inhaltlich passender sein mag. Das
Team der Bearbeiter vereint viele klangvolle Namen, die bereits aus dem
Versicherungsrecht bekannt sind und die sich zudem auf Wissenschaft,
Wirtschaft, Anwaltschaft, Behörden und Justiz verteilen. Dies spiegelt auch die
große Bandbreite des Rechtsgebiets gut wider.
Das
Werk weist mit Verzeichnissen inzwischen über 3200 Seiten auf und ist nicht
mehr wirklich als „handlich“ zu bezeichnen. Einen so großen Kommentar ohne
Lesebändchen herzustellen, ist fast schon schade, aber das dünne Papier ist ein
weiterer qualitativer Minuspunkt bei der Nutzung des Buches: eine angenehme
Lektüre ist etwas anderes, wenn wie hier die Schrift nicht nur der Rückseite,
sondern auch noch der nächsten Seite durchscheint. Der Aufbau der
Kommentierungen ist klassisch und bietet ein kurzes Inhaltsverzeichnis, echte
Fußnoten und einen stets vorhandenen Blick auf prozessuale Belange. Nicht
vorhanden sind fett gedruckte Schlagworte, sodass man auf etlichen wenig
untergliederten Doppelseiten wirklich sehr konzentriert lesen muss.
Inhaltlich
ist das Werk bekannt und bewährt (vgl. die Rezension
zur Vorauflage 2017), sodass ich meine Durchsicht der Neuauflage auf für
mich interessante Normen beschränken konnte. Dies betraf aufgrund eines
aktuellen Falles § 69 VVG, in dem es um die Vertretungsmacht des
Versicherungsvertreters vor Ort geht. Denn entgegen der landläufigen Ansicht
darf dieser weit weniger für die Versicherung regeln als das Gesetz dies
hergibt, wohl aber alle Erklärungen des Versicherungsnehmers in Empfang nehmen
(vgl. § 69 VVG Rn. 4). Steht dann in Streit, ob Zusagen zur Reparaturfreigabe
erteilt worden sind oder nicht, kann dem Versicherungsnehmer insoweit kein
Vertrauenstatbestand in eine von der Versicherung unabhängige Erklärungsmacht
des Vertreters zugutekommen: Das Gesetz ist insoweit eindeutig.
Gut
gefällt mir bei vielen Normen der Unterabschnitt zur dogmatischen Einordnung und
zum Anwendungsbereich der behandelten Regelung. Beispielhaft zu nennen ist hier
mit § 81 VVG die Herbeiführung des Versicherungsfalls, wo in Rn. 4 ff.
erläutert wird, was unter dem subjektiven Risikoausschluss zu verstehen ist und
für welche Versicherungsbereiche die Norm überhaupt anwendbar ist – dies in
Abgrenzung zu z.B. § 103 VVG oder § 194 VVG. Dass man aufgrund der oben geschilderten
sehr speziellen Anordnung der Kommentierungen nicht ohne weiteres zu § 103 VVG
springen und dort weiterlesen kann, sondern erst das Inhaltsverzeichnis für die richtige Seitenzahl bemühen
muss, ist wie oben erwähnt ein echtes Manko. Immerhin korrespondieren die
Darlegungen in § 103 Rn. 1-2 inhaltlich bestens mit den gerade vorgestellten
Rn. in § 81 VVG.
Im
kompakten, aber aufschlussreichen Kapitel zu Ziff. 5 AHB 2016 wird sehr schön
das Prozessführungsrecht des Haftpflichtversicherers abgebildet (S. 1399).
Insbesondere die Fragen, ob und wie der Versicherer sich am Prozess beteiligt
und ob der Versicherungsnehmer einen eigenen Anwalt beauftragen darf (und selbst
bezahlen muss), werden allesamt aufgegriffen und beantwortet. Gut differenziert
wird auch bei der Frage der Bindungswirkung des den Haftpflichtprozess beendenden
Ereignisses, also nach Urteil und Vergleich.
In
der Kommentierung des PflVG a.F. wird die richterrechtliche Entwicklung
verschiedener Begriffe wie der des „Halters“ (§ 1 Rn. 3) oder der des „Gebrauchens“
(§ 6 Rn. 7) zutreffend benannt, wenngleich es mir da mitunter an einigen
Begriffen fehlt (z.B. könnte für den Halterbegriff auf § 833 BGB hingewiesen
werden). Ungünstig ist, dass sehr freihändig behauptet wird, wie das Strafmaß
bei § 6 PflVG üblicherweise ausfalle (in Rn. 11). Die richterliche Praxis lässt
diese Behauptung jedenfalls nicht bestehen.
Schließlich
habe ich mir den Klassiker in § 2 ARB 2010 angesehen, die Unterscheidung
zwischen Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechtsschutz. Die vorhandenen
Gestaltungen mit auflösender und aufschiebender Bedingung in Bezug auf eine
spätere vorsätzliche Verurteilung samt möglicher Rückzahlungsansprüche der
Versicherung werden prägnant beschrieben und in verschiedene Szenarien aufgefächert.
Die Abgrenzung zum Bußgeldrecht erfolgt zutreffend, gerade was vorsätzliche
Verstöße angeht. Verziehen sei die Nennung der nicht mehr vorhandenen Verfallsanordnung
nach § 29a OWiG.
Man
kann die Arbeit mit dem Kommentar zunächst so umschreiben: Wer sucht, der
findet, und wer (endlich) gefunden hat, der freut sich. Denn die
Kommentierungen sind gut, variantenreich, fundiert, belastbar. Einzig die
Orientierung im Werk ist unzulänglich und es wäre Aufgabe des Verlages, hier
durch passende Strukturmöglichkeiten Abhilfe zu schaffen, bspw. durch besondere
Schattierungen an den Seitenrändern oder andere Dinge, um die Übergänge
zwischen Themengebieten für die Rechtsanwender leichter zu machen.