Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch – Grundlagen, Reichweite und praktische Probleme des Art. 15 DSGVO im Beschäftigungskontext, 1. Auflage, Nomos 2023
Von Ass. iur. Fabian
Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen
Die
Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ist insgesamt, aber besonders auch im
Beschäftigungskontext aus der betrieblichen Realität nicht mehr hinwegzudenken.
Nach einigen Startschwierigkeiten haben die meisten Unternehmen und auch
Behörden ihre Prozesse mittlerweile umgestellt und stützen die Verarbeitung
personenbezogener Daten auch im Beschäftigungskontext auf zulässige
Rechtsgrundlagen. Daneben existieren allerdings noch ein paar besondere
Schauplätze. Einer davon ist das Recht der betroffenen Person, von dem
Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob er betreffende
personenbezogene Daten verarbeitet, und – sofern gegeben – auch auf Auskunft
über diese Daten zu erhalten, einschließlich bestimmter Zusatzinformationen
(Art. 15 Abs. 1 DS-GVO). Der Auskunftsanspruch soll entsprechend den
Erwägungsgründen bezwecken, dass sich die betroffene Person nur mit Hilfe der
so erlangten Informationen der Verarbeitung bewusst sein und deren
Rechtmäßigkeit überprüfen kann (EG 63 S. 1 zur DS-GVO). Der Anspruch bringt
mannigfaltige Problemlagen, insbesondere betreffend Umfang, Einschränkungen und
Normkollisionen, mit sich. Zwar hat der EuGH in den vergangenen Jahren bereits
einige grundsätzliche Fragen hierzu beantwortet. Jedoch habe ich mich sehr auf
die von Yannick Peisker verfasste und unter dem Titel „Der
datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch“ erschienene Arbeit gefreut, da mir
eine derart grundlegende Auseinandersetzung mit dem Auskunftsanspruch bislang
fehlte und damit eine Lücke geschlossen werden kann. Die von Professor Dr.
Gregor Thüsing betreute und von Professor Dr. Gerrit Forst als
Zweitgutachter begutachtete Arbeit wurde im Jahr 2023 an der Universität Bonn
als Dissertation angenommen und ist nunmehr im Nomos Verlag erschienen.
Die
Zielsetzung der Arbeit ist ebenso klar wie bereits durch den Titel vorgegeben:
Es ist eine Auseinandersetzung mit Grundlagen, Umfang und Begrenzung des
Auskunftsanspruchs, dabei stets die Besonderheiten des Beschäftigungskontexts
im Blick habend. Peisker untersucht zunächst die „Implikationen des
Beschäftigungsverhältnisses“ im Hinblick auf die Transparenz der
Datenverarbeitung (Teil A). Im Wissen um die „doppelte Asymmetrie
(Informations- und Verhandlungsasymmetrie)“ erstaunt es tatsächlich, dass –
jedenfalls bislang – „betroffene Beschäftigte die Auskunft als Instrument
oftmals erst im Zuge der Auseinandersetzung über die Abwicklung des
Arbeitsverhältnisses geltend machen“ (S. 42), die allerdings nur auf den
ersten Blick. Denn beschäftigt man sich mit möglichen (faktisch ggf. negativen)
Konsequenzen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im laufenden
Arbeitsverhältnis (dazu auch Peisker, S. 44), lässt das anfängliche
Erstaunen merklich nach.
Gewiss
können in diesem Rahmen nur einige Komplexe der Arbeit pars pro toto
beleuchtet werden. Die konfliktträchtige Frage der Charakterisierung des
Anspruchs auf Kopie (Art 15 Abs. 3 DS-GVO) wird von Peisker mit der h.M.
dahingehend beantwortet, dass Art. 15 Abs. 3 DS-GVO eine Rechtsfolgennorm sei
(S. 125). In diesem Sinne hat auch der EuGH – allerdings erst nach Drucklegung
des vorliegenden Werks – entschieden, dass Art. 15 DS-GVO „nicht so
ausgelegt werden [kann], dass er in seinem Abs. 3 Satz 1 ein anderes Recht als
das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewährt“ (EuGH, Urt. v. 04.05.2023,
C-487/21 – F.F.). Damit dürfte die Frage des Verhältnisses zwischen Art. 15
Abs. 1 und Abs. 3 DS-GVO vorerst geklärt sein.
Ausführlich
wird von Peisker auch die Frage nach dem Verhältnis des
Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO zum nach nationalem Recht bestehenden Personalakteneinsichtsrecht
diskutiert (S. 141 ff.). Dabei steht besonders § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG im
Fokus, der ein Einsichtsrecht während des laufenden Arbeitsverhältnisses
normiert. Ausgehend von der Reichweite des § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG (S. 142 ff.)
untersucht der Autor die Unterschiede zu Art. 15 DS-GVO (S. 144 ff.) und setzt
sich sodann mit der in der Literatur vertretenen Ansicht auseinander, wonach §
83 BetrVG vorrangig sein soll (S. 146 f.). Ungeachtet der fehlenden
tatbestandlichen Kongruenz (S. 147) sei eine solche wegen des Vorrangs des
Unionsrechts auch nicht von Relevanz (S. 148). Überdies stelle § 83 Abs. 1 S. 1
BetrVG keine spezifische Regelung im Beschäftigungskontext i.S.v. Art. 88
DS-GVO dar, da die Regelung jedenfalls nicht hinreichend transparent sei (S.
155 ff.). Im Ergebnis lehnt Peisker den Vorrang von § 83 Abs. 1 S. 1
BetrVG daher richtigerweise ab (S. 159).
Fragen des
Umfangs der zu erteilenden Auskunft bilden immer wieder den Stoff auch
gerichtlicher Auseinandersetzungen. Nach einer Auseinandersetzung mit dem
Begriff der zu beauskunftenden personenbezogenen Daten an sich (S. 166 ff.)
widmet sich Peisker wichtigen diesbezüglichen Fragen im
Beschäftigungskontext: Welche Daten aus Personalakte und
Personalinformationssystemen sind umfasst? (S. 170 f.) Welche Kommunikation und
welche Äußerungen sind zu beauskunften? (171 ff.) Wie steht es um Kontrollen,
Ortungen, Aufzeichnungen? (S. 174 f.) Soweit teilweise ein eigenes Verständnis
der Verarbeitung personenbezogener Daten für den Bereich des
Beschäftigungsverhältnisses gefordert wird, hält der Autor dies vorliegend für „nicht
angezeigt“, da derartige Beschränkungen nicht dem weiten
Begriffsverständnis der DS-GVO entsprächen (S. 201).
Gelungen ist
schließlich die sehr systematisch aufgebaute Behandlung der „Verweigerungsmöglichkeiten
des Verantwortlichen“ (D.), die auch in der Praxis weiterzuhelfen vermag.
Von der mangelnden Indentifizierbarkeit (S. 404 ff.) über kollidierende
Interessen nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO (S. 408 ff.) und die Verweigerung wegen
offenkundig unbegründeter und exzessiver Anträge (S. 491 ff.) bis hin zum
Rechtsmissbrauch (S. 524 ff.) dekliniert Peisker die
Verweigerungsmöglichkeiten detailliert durch und bietet Ansatzpunkte für eine
(teilw.) Verweigerung, nicht aber ohne die Grenzen klar zu benennen. Oftmals
wird etwa vom Verantwortlichen geltend gemacht, der Auskunftsanspruch sei
rechtsmissbräuchlich, da er datenschutzfremden Zwecken, etwa der Vorbereitung
von Vergleichsverhandlungen im Rahmen der Abwicklung eines
Arbeitsverhältnisses, diene. Nach Auffassung des EuGH ist eine Begründung für
die Wahrnehmung des Rechts auf Auskunft durch die antragstellende Person indes nicht
erforderlich und kann damit auch durch die Verantwortliche nicht von der
betroffenen Person verlangt werden (EuGH, Urt. v. 26.10.2023 - C-307/22
(FT/DW), NJW 2023, 3481 Rn. 38). Insofern schadet es aber auch nicht, wenn der
Auskunftsanspruch mit anderen als den in Satz 1 des 63. Erwägungsgrundes der
DS-GVO genannten Zwecken begründet wird (EuGH, Urt. v. 26.10.2023 - C-307/22
(FT/DW), NJW 2023, 3481 Rn. 52). Insbesondere liegt auch kein eine Begrenzung
nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DS-GVO rechtfertigender Rechtsmissbrauch vor, wenn ein
Betroffener das Auskunftsrecht (ggf. auch) für datenschutzfremde Motive
verwendet, etwa um Informationen für Vergleichsverhandlungen oder um bei ihm
nicht mehr vorhandene Vertragsinformationen zu erhalten, da sich eine solche
Beschränkung auf eine bestimmte Motivlage nicht in Art. 15 DS-GVO findet (OLG
Nürnberg Endurteil v. 29.11.2023 – 4 U 347/21, BeckRS 2023, 36073 Rn. 22). Auch
Peisker widmet sich dieser Problemlage und kommt gleichwohl die vorgehend
genannte Entscheidung erst nach Drucklegung des vorliegenden Werks erging – mit
beachtlichen Argumenten zu einem wohl gleichgelagerten Ergebnis: Die Auswertung
der EuGH-Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs, beginnend
mit der bekannten van Binsbergen-Entscheidung (C-33/74), führt ihn zum
treffenden Ergebnis, dass Art. 12 Abs. 5 S. 2 DS-GVO kein Verbot
rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, sondern lediglich ein „Schikaneverbot“
beinhalte (S. 520), was in der Praxis nur äußerst selten zur Anwendung kommen
dürfte (vgl. auch die Beispiele von Peisker, S. 521 f.)
Insgesamt
hat mir die Lektüre von Peiskers Werk große Freude bereitet; gern lese
ich auch hin und wieder quer und finde stets brauchbare Ansätze zur
Beantwortung sämtlicher Fragen rund um das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO.
Dabei darf zwar nicht vergessen werden, dass es sich um eine noch relativ neue
Norm mit auch deutlichem Konfliktpotenzial handelt, die daher Gegenstand
andauernder Rechtsentwicklung ist. Dies zeigen auch die fast schon regelmäßig
veröffentlichten EuGH-Entscheidungen zu Umfang, Grenzen und Ausformung des
Auskunftsanspruchs. Peiskers Arbeit leistet hier aber Grundlegendes,
zeigt wichtige Entwicklungslinien auf und bietet vor allem auch viel
Argumentation für praktische Konflikte. Insofern handelt es sich um ein
wissenschaftliches und äußerst fundiertes Werk, das aber gleichwohl in der
Praxis auf geneigte Leserinnen und Leser treffen dürfte. Besonders überzeugt
auch der Fokus auf den Beschäftigungskontext, der doch spezifische
Fragestellungen aufwirft, die hier – ausgehend vom Allgemeinen – ausführlich
behandelt werden. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessenlagen, die
Peisker in wohltuender Klarheit regelmäßig offenlegt, bringt das Werk so
Licht ins Dickicht der Literatur und Rechtsprechung zum datenschutzrechtlichen
Auskunftsanspruch. Gut gefällt mir, dass der Autor zum Ende einer eingehend
behandelten Fragestellung hin vielfach mit „Einem kurzen Überblick zu (…)“
schließt, sodass auch Praktikerinnen und Praktiker sich schnell zurechtfinden
und die von Peisker gewonnenen Ergebnisse für die Praxis nutzbar machen
können. Das vorliegende Werk ist damit nicht nur datenschutzrechtlich
Interessierten zu empfehlen, sondern ist gleichwohl auch Arbeitsrechtlerinnen
und Arbeitsrechtlern „ans Herz zu legen“, die hier eine umfassende Einführung
ins Recht des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO erhalten, samt der
vielfach auftretenden Problemlagen. Zwar handelt es sich um die
Veröffentlichung einer Dissertation; gleichwohl würde ich mir abschließend wünschen,
dass doch in wenigen Jahren eine aktualisierte Folgeauflage erscheinen möge,
was aufgrund der andauernden Rechtsentwicklung für die Praxis überaus hilfreich
wäre.