Thürling / Pragst, Die mündliche Zivilrechtsprüfung im Assessorexamen, 2. Auflage, C.F. Müller 2021
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Seit einigen Jahren werden Bücher zur mündlichen Examensprüfung immer beliebter, sei es zum Aktenvortrag oder zur weiteren mündlichen Prüfung. Dabei ist – so hoffe ich – allen Beteiligten, Verfassern und Lesenden, klar, dass es nur einen gewissen Grad der Objektivierbarkeit für die Darstellung gibt und ab dann persönliche Eindrücke und Erfahrungen prägend für das jeweilige Werk sind. Umso wichtiger ist es, wenn Autorinnen und Autoren eine gewisse Prüfungserfahrung aufweisen, da sie ihren eigenen Prüfungsstil so schon hinterfragen konnten bzw. sich aus dem Prüfungsstil ihrer Kolleginnen und Kollegen Rückschlüsse herleiten konnten, wie man eine solche Prüfung führt – oder vielleicht besser nicht führt.
Die beiden hier verantwortlichen Autoren haben insgesamt 14 Prüfungsgespräche zusammengestellt, um – bei unterstelltem Grundlagenwissen – den Typus „mündliche Prüfung“ mit Nuancen, Verästelungen, unerwarteten Wendungen und erkennbaren Leitlinien darzustellen. Das Buch widmet sich dabei weniger der Wissensvermittlung, denn dieser Problematik haben sich genug andere Werke verschrieben, sondern eher der Kombination aus Argumentation, juristischer Fragestellung, Schwierigkeitsabwägung und typischen Prüfungskonstellationen. Dazu gehören auch Kandidaten, die an mancher Stelle nicht weiterwissen und von den Prüfern ein wenig angeleitet werden müssen. Man kann das Werk als reine Erkenntnisquelle nutzen und die Gespräche einfach durchlesen. Man kann aber ebenso die Antworten auf die Fragen abdecken und sich damit ein wenig selbst vorab prüfen, wie man denn selbst in der konkreten Situation geantwortet oder reagiert hätte.
Wer sich das Werk – wie ich – am Stück zu Gemüte führt, um insbesondere dem Prüfer und seiner Fragetechnik auf den Zahn zu fühlen, wird rasch merken, dass viele wichtige Elemente abgebildet sind, die man sich als Prüfling natürlich auch wünscht: sinnvolle Heranleitung bei Blockaden, positive Bestärkung, generell die Schaffung eines angenehmen Prüfungsklimas. Gelingt das, können selbst Kandidaten mit Noten unterhalb des Prädikatsbereichs zu ungeahnten Höhenflügen ansetzen und sollten dann nur das Glück haben, nicht an der Vornote orientierte Prüfer abzubekommen. Einige Gesprächsteile wirken aber dennoch gekünstelt, da die Erfahrung zeigt, dass die Antworten der Prüflinge selten so druckreif sind wie sie hier dargestellt sind. Das schadet aber nicht, da das Buch ja vor allem Anregung sein will.
Den jeweiligen Fällen ist zu Beginn ein Infokasten vorangestellt, in dem die Schwerpunkte des Prüfungsgesprächs abgedruckt sind, sowohl materiell-rechtlich als auch prozessual. Am Ende finden sich sinnvolle Vertiefungshinweise für die behandelten Themen, ein sehr schöner Service. Positiv herauszustellen ist zudem, dass die Fälle relativ aktuelle Fallgestaltungen abbilden und die Prüflinge sich dann mit diesen rechtlich auseinander setzen müssen, etwa einen Tarifwechsel bei einem Telekommunikationsanbieter, das verlorene Vertrauen in einen Lieferanten oder der Einsatz von Subunternehmern auf einer Baustelle. Dazu kommen natürlich Klassiker wie der Schockschaden, Erlass und Reaktion auf ein Versäumnisurteil oder ein Verkehrsunfall.
Aus meiner Sicht ist das Buch sehr lehrreich, sowohl für Prüfer als auch für Examenskandidaten zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung. Dass man so wohlsortierte Gespräche führen wird, ist zwar nicht zu erwarten, aber Dinge wie Fragetechnik, das Anknüpfen an atypische Fallgestaltungen, das Herausarbeiten von Grundlagenwissen und vor allem die prozessuale Umsetzung des Mandantenwunsches sind Dinge, die man gar nicht oft genug für eine mündliche Prüfung lesen und repetieren kann. Das Werk wirkt auch insoweit nicht belehrend, sondern unterstützend und kann deshalb guten Gewissens empfohlen werden.