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Rezension: ZPO

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Saenger, ZPO, 9. Auflage, Nomos 2021

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Der Kommentar von Saenger zum Zivilprozessrecht erscheint in steter Regelmäßigkeit etwa alle drei Jahre und vereint inzwischen als Kompaktwerk nicht nur die ZPO, sondern auch das FamFG, das GVG und europäisches Verfahrensrecht. Fast 3500 Seiten inklusive Verzeichnissen harren der Lektüre und bieten eine gesunde Mischung aus praktisch orientierter, zugleich übersichtlich gehaltener und mit an geeigneter Stelle vertiefter Darstellung des Prozessrechts, sodass die Anwendung bereits ab der juristischen Ausbildung möglich und Gewinn bringend ist. Der Fokus liegt, so auch das Vorwort, auf der „sachgerechten Rechtsanwendung“.

Das Autorenteam ist im Vergleich zur Vorauflage gleich geblieben und versammelt Richter, Professoren und Anwälte. Der Kommentar ist inhaltlich abgestimmt auf den Parallelband „Prozessformularbuch zur ZPO“, sodass die im Kommentar schon angebotene hohe Anzahl von Mustern oder Formulierungen für Anträge oder Tenorierungen durch das Parallelwerk gut ergänzt wird.

Erfreulich ist die Ausrichtung des Kommentars auch auf neue Rechtsentwicklungen. Dies ist bereits in der Einführung erkennbar, wo ab Rn. 35 der elektronische Rechtsverkehr dem Grunde und dem aktuellen Rechtsstand nach beschrieben und auch auf die Covid-Problematik für den Prozess eingegangen wird. Für die Folgeauflage würde ich mir bei § 128a ZPO eine ausführlichere Kommentierung zu den Möglichkeiten der Videoverhandlung wünschen, gerade was die verschiedenen Durchführungsmöglichkeiten angeht (Richterzimmer vs. Sitzungssaal; keine / eine / beide Parteien anwesend etc.) und welche Anregungen bzw. Formulierungen es geben könnte, die Videoverhandlung bei den Parteien zu fördern.

Die oben schon genannte „sachgerechte Rechtsanwendung“ kann man bei stichprobenartiger Nachschau in zahlreichen Normen bzw. Kommentierungen nachvollziehen. Dies äußert sich z.B. darin, dass Rechtsfragen nicht singulär aufgegriffen werden, sondern schon zu Beginn notwendige Querverweise gesetzt sind. In § 239 ZPO wird gleich in Rn. 1 auf § 246 ZPO hingewiesen, sodass gerade Berufsanfänger beim Tod einer Partei, die anwaltlich vertreten war, sofort eine praktikable Lösung für das Verfahren finden. Schön wäre noch ein klarerer Hinweis auf eine Rubrumsberichtigung gewesen, dies wird in § 246 Rn. 1 nur angedeutet. Ebenfalls schön zu lesen sind die variantenreichen Darstellungen zur Klagehäufung in § 260 ZPO, wo eine gelungene Mischung zwischen konkreten Fallgestaltungen und prozessualer Würdigung gefunden wurde. Auf diese Weise können auch schon Referendare ohne gedankliche Hürden in die Bearbeitung entsprechender Sachverhalte einsteigen und eine angemessene Lösung in Urteilsform gießen (dazu Rn. 37 f.).

Daneben bietet das Werk aber auch ganz klassische Kommentierungen, die sich aus der Theorie des Rechtskonstrukts in die prozessualen Details vorarbeiten. Dies ist bspw. zu sehen bei den Erläuterungen zur Rechtskraft in § 322 ZPO, wo zunächst Theorien vorgestellt und bewertet werden, danach aber gleich ganz klar auf die Praxisrelevanz abgestellt wird (Präjudizialität, Rn. 13).

Ein weiterer Vorteil des Handkommentars ist es, dass man einzelne Verfahrensstadien auch einmal wie ein Lehrbuch en bloquelesen kann, um so ein Gesamtverständnis herzustellen. Hierzu würde ich z.B. die Ausführungen zum Mahnbescheid und zum Vollstreckungsbescheid empfehlen, die oft wie ein lästiges Präfix am Anfang des Erkenntnisverfahrens zu stehen scheinen, aber eigentlich viele nützliche und weichenstellende Aspekte beinhalten. Die Kommentierung zu diesem Verfahrensabschnitt ist sehr lehrreich und bietet zudem Seitenblicke auf zahlreiche Sonderfragen (§ 688 ZPO, Rn. 15 ff.: Schicksal des Verfahrens nach fehlgeschlagener Zustellung; § 690, Rn. 43: PKH im Mahnverfahren; § 697 ZPO, Rn. 15 ff.: verspätete Anspruchsbegründung; etc.).

Die Kommentierung des FamFG ist natürlich kompakt ausgefallen und beinhaltet nur Grundlagen des familiengerichtlichen Verfahrens, nicht aber die Normen für die sonstige freiwillige Gerichtsbarkeit. Gleiches gilt für das GVG, wo wesentliche Themen bearbeitet werden. Eine Detailsuche ist für diese Bereiche anhand der vertiefenden Hinweise aber stets möglich.

Ich erachte den Saenger nach wie vor für ein hervorragendes Einstiegswerk in die ZPO, sowohl für Berufsanfänger wie auch für Referendare. Die Erläuterungen der Autoren sind hilfreich, prägnant und sorgen für rasche Erkenntnisse bezüglich der wesentlichen Grundlagen, sodass man nur noch für Spezialfragen umfangreichere Kommentarwerke benötigt.


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