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Rezension: Die WEG-Reform 2020

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Skauradszun / Elzer / Hinz / Riecke, Die WEG-Reform 2020, 1. Auflage, Luchterhand 2021

Von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Wilfried J. Köhler, Köln


Die Umgestaltung des Wohnungseigentumsrechts im Jahr 2020 durch das WEMoGhat – aufgrund der durchaus umwälzenden Veränderungen der Rechtslage – eine Vielzahl von Veröffentlichungen zur „Reform 2020“ bewirkt. Nunmehr liegt auch eine Veröffentlichung der Verlagsgruppe Wolters Kluwer zu diesem Thema vor, deren Herausgeber und Autoren in der WEG-„Community“ durchaus bekannt sind und für Qualität stehen.

Erstaunlich – und für den Markt verwirrend – ist aber, dass auf verlagsfremden Web-Seiten der Titel teilweise mit anderen Angaben beworben wird, nämlich mit einer anderen oder verkürzten Reihenfolge der Herausgeber und mit dem Titel „Die WEG-Reform 2020/2021“. Ich habe mich jedoch an der Titelangabe der Deutschen Nationalbibliothek und an dem mir vorliegenden Werk-Exemplar orientiert.

Das Werk mit ca. 650 Seiten ist in 15 Kapitel (Paragrafen) gegliedert, denen ein Literaturverzeichnis vorangestellt ist, in denen Aufsätze zum WEMoG aufgelistet sind. Allerdings ist dieses Literaturverzeichnis nicht vollständig. Wichtige Literatur aus dem Jahr 2020 ist nicht enthalten, so z.B. Aufsätze von Häublein zu den Rechtsverhältnissen der rechtsfähigen Gemeinschaft (ZWE 2020, Seiten 364 ff und 401 ff), Drasdo zur Harmonisierung von Miet- und Wohnungseigentumsrecht (WuM 2020, 686 ff), derselbezum Passivmandat des Rechtsanwalts unter dem neuen WEG-Verfahrensrecht (NJW 2020, 3681 ff). Das ist bedauerlich; es wäre sinnvoll gewesen, dem Leser offenzulegen, bis zu welchem Datum die Literatur ausgewertet wurde und welche Auswahlkriterien für das vorangestellte Verzeichnis verwendet wurden.

Die Behandlung der Neuerungen im Wohnungseigentumsrecht in 15 Kapiteln (Paragrafen) umfasst 400 Seiten und beschäftigt sich mit „Verbandsrecht“, „Verwaltervertrag“, „Sachen- und Grundbuchrecht“, „Nutzungs- und Gebrauchsrechte“, „Bauliche Maßnahmen“, „Eigentümerversammlung“, „Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht“, „Verwaltungsbeirat“, „Verfahrensrecht“, „Streitwerte“, „Entziehung des Wohnungseigentums“, „Änderungen im Mietrecht“, „Kosten und Umlageschlüssel“, „Auslegungen von Altvereinbarungen“ und schließlich mit den „Übergangsvorschriften“.

Sodann folgen 6 Anhänge – nämlich die vollständige Fassung des neuen WEG, eine Synopse, in der die alte Fassung des WEG der Neufassung gegenüber gestellt wird, der Regierungsentwurf zum WEMoG, die Beschlussempfehlung des Bundestag-Rechtsausschusses mit Stellungnahmen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages und ein Auszug aus dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vom 27.3.2020.

Im ersten Kapitel des Werks (§ 1 Verbandsrecht) stellt Skauradszun das nunmehr grundlegend geänderte Verhältnis des Verbandes und der Organe zueinander dar, das sich aus dem neuen § 9a WEG ergibt. Besonders interessant – und wichtig für die Praxis – ist die von Skauradszun erörterte Frage nach dem Verhältnis zwischen dem „Verwaltungsmonopol des Verbandes“ und den verbleibenden Rechten der einzelnen Wohnungseigentümer bei Beeinträchtigungen (§ 1 Rn. 24 ff). Hier bildet Skauradszun eingängige Fallbeispiele, anhand derer die Grundstruktur der neuen Rechtezuweisungen nachvollzogen werden kann. „Im Regelfall und im Zweifel“ (Rn. 27) ist nunmehr der Verband für die Aufgabenausübung zuständig, diskutiert wird aber zu Recht anhand eines „Pflanzenbeispiels“, wer bei einer Doppelbetroffenheit (Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum) zuständig ist: Die von einem Sondereigentümer eingebrachte Pflanze greift den Außenputz an, also das Gemeinschaftseigentum, gleichzeitig verdunkelt sie aber aufgrund ihres Wachstums auch das Fenster eines anderen Sondereigentums. Skauradszun vertritt dabei die „vermittelnde Auslegung“ (Rn. 34) – sobald das Gemeinschaftseigentum (auch) betroffen ist, ist der Verband insoweit zuständig. Gleichzeitig darf aber auch der nachteilig betroffene Wohnungseigentümer seine Rechte aus dem Sondereigentum geltend machen. Das kann allerdings, hierauf weist Skauradszunausdrücklich hin, zu einer parallelen Inanspruchnahme des Störers durch die unterschiedlichen Anspruchsteller führen.

Für den Ansatzpunkt von Skauradszun spricht einiges; allerdings wird aufgrund des Spannungsverhältnisses von Gemeinschafts- und Sondereigentums-Betroffenheit wohl noch eine lange Zeit vergehen, bis diese Frage in Literatur und Rechtsprechung geklärt ist. Eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ist jedenfalls zu erwarten.

Fritsch beschäftigt sich in § 2 des Werks mit dem Verwaltervertrag. Bei der Lektüre seines „Gestaltungsvorschlags eines Verwaltervertrags“ (Seiten 53 – 69) und der vorangestellten Erläuterungen (Rn. 15 – 56) drängt sich mir der Eindruck auf, dass sich die Vertragsgestaltung ganz überwiegend – wenn nicht sogar ausschließlich – an den Interessen von Verwaltern orientiert. Für Rechtsvertreter von Eigentümergemeinschaften ist das von Fritsch vorgeschlagene Vertragswerk m.E. nicht geeignet.

Neben einem fragwürdigen Gestaltungsvorschlag für noch zu errichtende Bauträgerobjekte ist auch das von Fritsch vorgeschlageneVergütungssystem mit „Basisvergütung“, „Zusatz-Basisvergütungen“, „Sondervergütungen“ und „Aufwandsersatzansprüchen“ an vielen Stellen unangemessen oder auch unbestimmt.

Für noch zu errichtende Bauträgerobjekte wird die Formulierung vorgeschlagen (Seite 53 des Werks) „Der Verwaltervertrag beginnt mit der Übergabe des Besitzes des ersten bezugsfertigen Sondereigentums an einen Erwerber und wird für die Dauer von 3 Jahren, gerechnet ab diesem Zeitpunkt, abgeschlossen“. Wenn der Verband (Ein-Personen-Gemeinschaft) bereits mit dem Anlegen der Grundbücher entsteht (§ 9a Abs. 1 WEG) und der Bauträger in der Gemeinschaftsordnung eine juristische oder natürliche Person (mit deren Zustimmung) zum Verwalter bestellt hatte, beginnt mit dem grundbuchorientierten Zeitpunkt auch ein Verwaltervertrag. Die vom Bauträger vorgenommene Bestellung läuft dann nach drei Jahren ab (§ 26 Abs. 2 WEG) – und der Verwaltervertrag, der nach dem Vorschlag von Fritsch erst ab Besitzübergabe beginnen und dann drei Jahre laufen soll, kann nicht länger laufen als die (Erst-)Bestellungszeit. Die in § 26 Abs. 3 Satz 2 WEG gesetzlich vorgegebene Auslaufzeit für einen Verwaltervertrag bezieht sich nur auf die (jederzeit mögliche) Abberufung während der Bestellungszeit. Hinsichtlich der Vertragssituation nach Abberufung des Verwalters schlägt Fritsch vor (ebenfalls auf Seite 53), dass der Verwaltervertrag auch ohne Kündigung endet, „jedoch frühestens sechs Monate nach Abberufung des Verwalters“. Das ist nach meiner Auffassung einerseits wenig sinnvoll – jedenfalls für Eigentümergemeinschaften –, weil bei dieser Formulierung nicht berücksichtigt worden ist, dass der ursprünglich abgeschlossene Verwaltervertrag auch eine kürzere Restlaufzeit als 6 Monate haben kann, andererseitskollidiert diese Vertragsregelung auch mit § 26 Abs. 3 Satz 2 WEG, der vorsieht, dass der Verwaltervertrag spätestens 6 Monate nach Abberufung endet.

Zum vorgeschlagenenVergütungssystem einige Beispiele:

Die Regelung über ein spezifiziertes oder pauschales Entgelt für eine Teilnahme an Beiratssitzungen „außerhalb der üblichen Bürozeiten des Verwalters“ (Seite 63) erscheint mir unangemessen. Nicht alle Verwaltungsbeiräte von Eigentümergemeinschaften sind Rentner/Rentnerinnen oder Personen, die sich ihre Zeit frei einteilen können und deshalb auch zu „üblichen“ Bürozeiten zur Verfügung stehen. Auch die vergütungspflichtige Teilnahme des Verwalters „an mehr als einem Rechnungs-/Belegprüfungstermin“ ist kritisch zu bewerten; es wird nämlich außer Acht gelassen, dass der Beirat nunmehr eine Überwachungsfunktion hat (§ 29 Abs. 2 WEG), die zwangsläufig zu mehreren und während des laufenden Jahres regelmäßigen Überwachungsprüfungen führen muss – will der Beirat seine Aufgaben ordnungsgemäß und ohne Gefahr einer Haftung gegenüber dem Verband wahrnehmen. Für solche, gesetzlich intendierten Prüfungen kann m.E. vom Verwalter keine Zusatzvergütung verlangt werden.

Völlig unbestimmt ist die vorgeschlagene Regelung, dass der Verwalter eine Zusatzvergütung „für die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestimmungen des Mindestlohngesetzes“erhalten soll (Seite 65). Welche „Tätigkeiten“ das sein sollen, ist nicht definiert – soll der Verwalter etwa für die „Ermittlung“ des von der Mindestlohnkommission und durch Rechtsverordnung festgesetzten Mindestlohnes (vgl. §§ 9 und 11 MiLoG) eine Vergütung erhalten oder für die Teilnahme an einer behördlich durchgeführten Prüfung von Geschäftsunterlagen (vgl. § 15 MiLoG)? Alle durch Gesetz vorgeschriebenen Handlungen und Maßnahmen des Arbeitgebers „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gehören zu den zentralen Aufgaben eines Verwalters als gesetzlicher Vertreter der Eigentümergemeinschaft; deshalb kann man die vorgeschlagene Regelung auch als „überraschend“ und unangemessen betrachten. Gleiches gilt für die von Fritschvorgeschlagenen kostenauslösenden Zusatz-Basisleistungen bei der technischen Verwaltung (S. 65), wie Unterweisungsmaßnahmen hinsichtlich Unfallverhütungsvorschriften, Betriebssicherheitsverordnung, Tätigkeiten in Bezug auf die Trinkwasserverordnung usw. Auch das gehört zu den selbstverständlichen Pflichten eines Arbeitgeber-Vertreters. Solche Regelungen in Vertragsvorschlägen wird eine Wohnungseigentümergemeinschaft nicht gerade von der Fairness, Qualität und Leistungsbereitschaft eines Verwalters überzeugen können.

Der Vertragsvorschlag von Fritsch entspricht aber auch grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung und dürfte von einer Eigentümergemeinschaft deshalb auch nicht akzeptiert werden. Über die Verarbeitung der zwangsläufig in einer Eigentümergemeinschaft anfallenden Daten ist in dem Vertragsvorschlag nämlich nichts enthalten. Spezifische Regelungen dazu hätten aber gemäß Art. 28 Abs. 9 DSGVO unbedingt in den Verwaltervertrag aufgenommen werden müssen. Der Verband ist „Verantwortlicher“ (d.h., er ist „die natürliche oder juristische Person, …, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet“) im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Der Verwalter ist, trotz seiner Verbands-Organstellung (§ 9b WEG) gleichzeitig Auftragsverarbeiter für die Daten der Eigentümer, der Eigentümergemeinschaft und ihrer Arbeitnehmer. Nach Art. 28 Abs. 9 DSGVO ist deshalb im Verhältnis Verband – Verwalter zwingendeine schriftliche Vereinbarungnotwendig, die die in Art. 28 Abs. 3 DSGVO beschriebenen Verpflichtungen beinhalten muss. Eine fehlende Vereinbarung kann zu unangenehmen Sanktionen der Datenschutzbehörde führen, und zwar sowohl gegen den Verantwortlichen (Verband) als auch gegen den Auftragsverarbeiter (Verwalter), weil ohne die vorgeschriebene Vereinbarung ein „ausreichender Rechtsgrund“ (vgl. Art. 6, 7 und 9 DSGVO) für die Verarbeitung der in der Gemeinschaft anfallenden Daten fehlt (vgl. dazu nur Hartungin Kühling/Buchner, DS-GVO / BDSG, München 2020, Art. 28 DS-GVO, Rn. 101).

Agatsy beschäftigt sich in § 4 des Werks mit den Nutzungs- und Gebrauchsrechten – ein, wie ich meine, besonders wichtiges Thema im neuen WEG. Agatsygreift hier auch das von Skauradszunangesprochene Thema auf, wer Störungen ahnden und wer gegen Verstöße von Benutzungsregelungen vorgehen kann (§ 4 Rn. 50 ff). Seine Ausführungen machen die möglichen Anspruchsgrundlagen deutlich und grenzen die Rechte des Verbandes deutlich von den (auch nach Reform des WEG verbleibenden) Rechten der einzelnen Wohnungseigentümer ab. Ob die von Agatsy zitierte Rechtsprechung, die zur alten Rechtslage ergangen ist, auch im Lichte des neuen WEG noch Bestand haben wird, bleibt abzuwarten.

Sankol beschäftigt sich in § 8 des Werks mit dem Verwaltungsbeirat. Dabei ist die Frage nach dem Umfang der Überwachungsfunktion des Verwaltungsbeirats besonders wichtig, die er in § 8 Rn. 15 – 22 erörtert. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages ist in § 29 WEG die Überwachungsfunktion des Verwaltungsbeirats aufgenommen worden. In der BT-DrS 19/22634 wurde dazu ausgeführt „Der Verwaltungsbeirat unterstützt den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben nicht nur, sondern überwacht ihn auch. Dadurch wird der gestiegenen Bedeutung der Rolle des Verwaltungsbeirats Rechnung getragen. … § 29 Absatz 2 Satz 1 verleiht dem Beirat indes nicht das Recht, sich die Kompetenzen des Verwalters anzueignen.“ (Vgl. hierzu im Werk die Seite 649). Weitere wesentliche Äußerungen im parlamentarischen Verfahren gibt es dazu nicht, sieht man von den Redebeiträgen verschiedener Parlamentarier in der zweiten Beratung des Gesetzes ab; dort wird aber nur von der „Stärkung des Verwaltungsbeirats“ und von einem „Aufsichtsorgan“ gesprochen (Plenarprotokoll 19/176, S. 22166, 22169, 22171). Sankol folgt bei seiner Meinung (Rn. 16), dass der Verwaltungsbeirat bei der Überwachung nur auf „wesentliche Einzelmaßnahmen“ beschränkt und seine Tätigkeit nicht auf das „operative Geschäft“ bezogen ist, der Meinung von Sommer [Die (neue) Rolle des Verwaltungsbeirats nach dem WEMoG, ZWE 2020, 409 ff]. Sommer argumentiert jedoch mit dem „gesetzgeberischen Zweck der Erhöhung der Attraktivität des Verwaltungsbeirats“, der durch die jetzige gesetzliche Formulierung „nicht unterlaufen“ werden solle. Der Gesetzestext – und auch die spärliche Begründung des Rechtsausschusses für die Begründung der Pflichtenerweiterung – geben für eine solche Einschränkung jedoch keinen Hinweis. Die gesetzliche Kombination von Unterstützung und Überwachung in § 29 WEG, die auch in der Äußerung des Rechtsausschusses betont wird, spricht m.E. mehr dafür, dass der Beirat auch zu einer laufenden und intensiveren Prüfung des operativen Verwalter-Geschäfts berechtigt und verpflichtet ist.

Mein Fazit nach der Lektüre des Werks:Es enthält zahlreiche interessante und wichtige Ausführungen und Diskussionsbeiträge zur neuen Rechtslage. Über die Frage, ob die Argumente immer richtig sind, wird man sicherlich trefflich streiten können, die im Werk vertretenen Argumentationsstränge regen aber jedenfalls dazu an, über die Gesetzesänderungen vertieft nachzudenken und sie kritisch einer eigenen Bewertung zu unterwerfen. Insofern bietet das Werk für alle, die sich mit dem Wohnungseigentumsrecht beschäftigen, ein gutes Nachschlagewerk und „Arbeitsexemplar“, bei dem nicht nur Argumentationslinien verfolgt werden können, sondern sogleich auch auf die Materialien des Gesetzgebungsganges zugegriffen werden kann.


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