Loewenheim / Meessen / Riesenkampff / Kersting / Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, Kommentar zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht, 4. Auflage, C.H. Beck 2020
Von RA Dr. Peter Gussone, Berlin
Seit gut 15 Jahren ist der ursprünglich von den Rechtsanwälten Loewenheim und Riesenkampff aus Frankfurt a.M. sowie Meessen aus Düsseldorf herausgegebene Großkommentar zum GWB ein Standardwerk im Kartellrechtsangebot des Beck-Verlags. Die nunmehr seit ein paar Monaten vorliegende 4. Auflage berücksichtigt insbesondere die Änderungen durch die 9. GWB-Novelle von 2017 sowie die auf europäischer Ebene erfolgten Rechts- und Rechtsprechungsentwicklungen. Bearbeiterwechsel hat es seit der 3. Auflage aus dem Jahr 2016 nicht gegeben, zumindest wären diese nicht kenntlich gemacht. An dieser Stelle ist anzumerken, dass der Kommentar anders als andere Kommentare keine Informationen zu den Autoren und ihrem Hintergrund gibt. Dies ist aus der Praxissicht des Verfassers allerdings notwendig, um insbesondere die in der Anwaltschaft anzutreffende, interessengeleitete Art einer Kommentierung erkennen zu können. Und neben herausragenden Wissenschaftlern, Kartellbeamten und Richtern kommentieren im Loewenheim eben auch eine Vielzahl von Anwälten. Dass man diese Information über mehrere Klicks auf der Homepage des beck-shop erhalten kann, ist nach Ansicht des Verfassers kein Substitut.
Zum Äußerlichen zunächst ein Hinweis an Herausgeber und Verlag: Die über 3350 Dünnblattseiten des Kommentars führen zu einem kaum noch handhabbaren Umfang. Das Aufschlagen fällt, wenn es nicht die in der räumlichen Mitte anzutreffenden Kommentierungen betrifft, schwer, die Seiten krümpeln sich schnell. Es wäre anzuraten, zu der zweibändigen Aufteilung zwischen Deutschem und Europäischem Kartellrecht der ersten Auflage des Werkes zurückzukehren. Im Übrigen folgen Aufmachung und Layout dem bekannten und bewährten Muster der grauen Reihe des Beck Verlag (deren bekanntester Vertreter der Palandt sein dürfte).
Im Inneren folgt der Kommentar einem Aufbau, der von den wichtigsten Aspekten des europäischen Kartellrechts zu einer vollständigen Kommentierung des GWB (unter Auslassung des Vergaberechts) überleitet. Ob dabei heute noch eine über 40seitige Einleitung notwendig ist, bleibt abzuwägen, auch wenn dadurch sicherlich auch dem Verdienst der Gründungsherausgeber, hier von Meessen, sicherlich Respekt gezollt werden soll. Weiterhin gelungen ist die Aufnahme eines eigenen Abschnitts zum Gemeinschaftsunternehmen, welches nun mal im europäischen Recht anders behandelt wird als nach dem GWB. Sinnvoll erscheint allein aufgrund der Stofffülle auch die Aufteilung der Kommentierung des Kartellverbots mit verschiedenen Autoren für jeden der drei Absätze des Art. 101 AEUV. Aber auch so ist der ausufernden Judikatur zu der Praxis zum europäischen Kartellverbot im Rahmen einer Kommentierung kaum beizukommen (weshalb sich ggf. in der Rn. 225 keine Hinweise auf das wichtige Urteil des EuGH zum Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in der Rs. C-67/13 – Groupement des cartes bancaires findet sowie in den Rn. 181 f. die wichtige, kurz bevorstehende Entscheidung des EuGH zur Konzernhaftung in der Rs. C882/19 - Sumal noch aufzunehmen sein wird). Im Übrigen sind die Kommentierungen zum europäischen Kartellrecht, also vor allem der Art. 101 – 106 AEUV sowie der wesentlichen GVOs, der VO 1/2003 (hier schon unter Beachtung der ECNplus -RL von 2019) und der FKVO aktuell und angenehm präzise.
Für die Kommentierung zum deutschen Kartellrecht fällt zunächst auf, dass die Kommentierung zu § 1 GWB unter Verweis auf das Kohärenzgebot und damit auf die Kommentierung des Art. 101 AEUV äußerst knapp ausfällt. In einem sehr ausführlichen Anhang findet sich dann eine detaillierte Kommentierung zum Begriff des Gemeinschaftsunternehmens. Diese hätte man dann konsequenterweise auch im vergleichbaren Abschnitt zum europäischen Kartellrecht (2. Teil) verankern können.
Der Hauptgrund für die Aktualisierung des Loewenheim ist in den durch die Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie (KSERL) erforderlichen Änderungen der §§ 33-33h, 89b-d GWB zu sehen. Ganz wesentliche Vorschriften werden hier durch den Düsseldorfer Professor Kersting kommentiert, der das Gesetzgebungsverfahren zur 9. GWV-Novelle intensiv und publizistisch begleitet hat. In ihrer Prägnanz und Verständlichkeit sind diese Kommentierungen herauszuheben. Dass eine wichtige Problemstellung aus der Praxis, die Zulässigkeit von sog. Klagevehikeln zur Bündelung von Kartellschadensersatzansprüche dabei deutlich zu kurz kommt, mindert den Eindruck allerdings nicht.
Mit Blick auf die bereits weit im Gesetzgebungsverfahren steckende 10. GWB-Novelle, die vor allem die Modernisierung der Missbrauchsaufsicht in Bezug auf die Kontrolle der Digitalökonomie mit sich bringen wird, wird in absehbarer Zeit die 5. Auflage des Kommentars zu besprechen sein. Bis dahin ist allerdings die Qualität und Übersichtlichkeit der aktuellen Kommentierung für Praxis und den universitären Bereich unverzichtbar.