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Rezension: Examinatorium Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht

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Sauer, Examinatorium Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht, 1. Auflage, Nomos 2020

Von Wirtschaftsjurist Christian Paul Starke, LL.M., Bad Berleburg

 

Das Verwaltungsprozessrecht und das Allgemeine Verwaltungsrecht bilden den Rahmen für alle verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, unabhängig davon, ob der konkret zu lösende Fall in den Pflichtfachmaterien des Polizei- und Ordnungs-, Kommunal- und Baurechts oder in einem sonstigen Bereich des besonderen Verwaltungsrechts angesiedelt ist. Damit stellt es die unverzichtbare Grundlage für alle verwaltungsrechtlichen Fallgestaltungen dar, ohne deren sichere Beherrschung das zuverlässige Erzielen guter Ergebnisse in den Examensklausuren zum Öffentlichen Recht kaum möglich sein dürfte. Den Examenskandidaten das notwendige Wissen zu vermitteln hat sich Prof. Heiko Sauer von der Universität Bonn zur Aufgabe gemacht: Nachdem er bereits 2018 ein „Klausurtraining Allgemeines Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht“ mit 13 Übungsfällen zu den entsprechenden Rechtsgebieten – ebenfalls im Nomos Verlag – veröffentlicht hat, hat er nun noch ein – ergänzend oder alternativ heranzuziehendes – auf die abstrakte Vermittlung des Stoffes ausgerichtetes Examinatorium nachgeliefert. Dieses ist Anfang 2020 erstmals erschienen.

Das Werk umfasst insgesamt 224 Seiten, wovon rund 200 Seiten auf den Inhalt entfallen. Daneben enthält es ein 4-seitiges Stichwortverzeichnis, das mit griffigen Schlagworten wie der „Ehrenmanntheorie“ überzeugt und so dem Verwender das zielsichere Auffinden bestimmter Themen wesentlich erleichtert. Ein Literaturverzeichnis sucht man hingegen vergebens, ebenso ein Entscheidungsregister; hier ist man vielmehr auf die Verweise in den einzelnen Fußnoten angewiesen. Bezüglich der äußeren Form des Werkes ist hervorzuheben, dass es sich um ein klassisches Buch für den studentischen Gebrauch handelt, das zum einen mit seinem wertigen Papier auch farbige Markierungen mit Textmarkern erlaubt, ohne dass diese auf der Rückseite störend durchscheinen würden, und zum anderen – trotz seines geringen Seitenumfangs – problemlos aufgeschlagen liegen bleibt, wenn man den Stoff noch einmal individuell für sich auf Karteikarten zusammenfassen möchte. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die zumeist enge Staffelung der Randnummern, die dem Autor sehr präzise Verweise innerhalb des Werkes ermöglicht und somit dem Leser die Arbeit mit dem Werk äußerst angenehm macht.

In seinem Aufbau unterscheidet sich das Werk ganz wesentlich von anderen Werken zum Verwaltungsrecht. Anders als diese trennt es nicht zwischen dem „formellen“ Verwaltungsprozessrecht einerseits und den materiell-rechtlichen Fragestellungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts andererseits, sondern bemüht sich um eine konsequente Verzahnung beider Materien, um das Verständnis für die Wechselbezüglichkeit dieser Rechtsbereiche zu stärken. Damit ergibt sich dann im Detail die folgende Gliederung:

Nach einem kurzen Einleitungskapitel, in dem die Zusammenhänge von Verwaltungsprozessrecht und materiellem Verwaltungsrecht einerseits und von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht andererseits erläutert und Hinweise auf besonders examensrelevante Teilbereiche aus Letzterem gegeben werden, stellt der Autor im 1. Kapitel auf rund 25 Seiten zunächst die Grundlagen und Grundbegriffe des Verwaltungsrechts dar. Hier geht es insb. um die Abgrenzung von privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Handeln der Verwaltung, das Verhältnis von verwaltungsrechtlichem Bundes- und Landesrecht und die – für Klausuren meist bei den Fragen nach dem richtigen Beklagten und der formellen Rechtmäßigkeit einer Maßnahme relevanten – Regelungen über die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden innerhalb des Verwaltungsapparates.

Im zweiten Kapitel geht es dann um die Prüfung der Erfolgsaussichten eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfs, also dessen Zulässigkeit und Begründetheit. Hierbei klammert der Autor allerdings zunächst die Frage nach der konkreten statthaften Rechtsschutzform aus, um diese im nächsten Kapitel zusammen mit den für sie maßgeblichen Handlungsformen der Verwaltung zu erläutern. Im zweiten Kapitel geht es daher im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ganz wesentlich darum, die Prüfungspunkte herauszustellen, die unabhängig von der jeweiligen Rechtsschutzform immer auftauchen. Hierfür entwickelt der Autor ein sehr griffiges Schema, das alle klage- und antragsartübergreifenden Prüfungspunkte aufnimmt und somit vor die Klammer zieht. Mit Blick auf die Begründetheitsprüfung werden in einem ersten Schritt die drei klassischen Fragestellungen – die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme, der Anspruch des Klägers auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln und die Feststellung eines Rechtsverhältnisses – kurz erläutert, bevor in einem zweiten Schritt drei besonders relevante ungeschriebene Anspruchsgrundlagen – der verwaltungsrechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch – näher dargestellt werden. In einem dritten Schritt folgen dann nähere Ausführungen zu den regelmäßig anzutreffenden Problemen des entscheidungserheblichen Zeitpunkts, des Nachschiebens von Gründen und der Rechtsfolgen von fehlerhaftem Verwaltungshandeln sowie der prüfungstechnischen Behandlung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der Verwaltung.

Im dritten Kapitel stellt der Autor dann die einzelnen Handlungsformen der Verwaltung – Verwaltungsakt, Realakt, Verwaltungsvertrag und Verwaltungsrechtsnormen – sowie die ihnen korrespondierenden Rechtsschutzformen im Detail vor. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt hier klar auf dem Verwaltungsakt und den entsprechenden Verwaltungsaktklagen. Im Rahmen dieser Darstellung wird dann insbesondere auch auf die Teilprobleme der Nebenbestimmungen, der Aufhebung von Verwaltungsakten und die diesbezüglichen Modifikationen durch das Europarecht eingegangen. Neben den mit der jeweiligen Handlungsform verknüpften Verfahren – der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, der Fortsetzungsfeststellungsklage, der Allgemeinen Leistungsklage und dem Normenkontrollverfahren – werden hier selbstverständlich auch die Feststellungsklage sowie der verwaltungsrechtliche Innenrechtsstreit behandelt. Daran anschließend folgt im vierten Kapitel – von den „regulären“ Rechtsschutzformen getrennt – der einstweilige Rechtsschutz, mit dem der Autor das Portfolio der möglichen statthaften Rechtsbehelfe vervollständigt.

Im fünften und letzten Kapitel schließlich geht es um drei Spezialgebiete des Allgemeinen Verwaltungsrechts: das Staatshaftungsrecht, das Verwaltungsvollstreckungsrecht und das Recht der öffentlichen Sachen. Den Schwerpunkt bildet hier das Staatshaftungsrecht, dessen unterschiedliche Ausprägungen und Entwicklungslinien detailliert dargestellt werden. Im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsrechts geht es primär um den Ablauf des Vollstreckungsverfahrens und die daraus resultierenden Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme. Beim Recht der öffentlichen Sachen letztlich werden die prüfungsrelevanten Fragen nach dem Widmungszweck und der Abgrenzung zwischen erlaubnisfreiem Gemeingebrauch und zulassungsgebedürftiger Sondernutzung ganz wesentlich in den Vordergrund gestellt.

Bei der Darstellung dieser Inhalte vermag das Werk klar zu überzeugen: Neben gut verständlichen und knackig geschriebenen Texten liefert der Autor immer wieder auch Übersichtsschemata, die die Ausführungen zusammenfassen, vereinzelt zudem sogar Entscheidungsbäume für den Prüfungsaufbau. Daneben tritt eine Vielzahl von kurzen Fällen, anhand derer typische Klausurprobleme dargestellt und die vorherigen abstrakten Ausführungen praktisch veranschaulicht werden. Zuletzt liefert er häufig Definitionen, die durch Einschübe hervorgehoben werden, und an zahlreichen Stellen sogar explizite Formulierungsvorschläge für die Darstellung des jeweiligen Problems in der Fallbearbeitung. Allgemein fällt sehr positiv auf, dass sich das Werk klar an den potentiellen Problempunkten in Klausuren ausrichtet und versucht, den Examenskandidaten durch entsprechende Hinweise hierfür zu sensibilisieren und bestmöglich für den souveränen Umgang mit solchen Fallkonstellationen zu wappnen.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass das vorliegende Werk eine sehr gute Möglichkeit bietet, um den gesamten examensrelevanten Stoff auf den Gebieten des Verwaltungsprozessrechts und des Allgemeinen Verwaltungsrechts noch einmal in komprimierter Form zu wiederholen und mit Blick auf die klassischen Examensprobleme zu vertiefen. Mit seinem Umfang von knapp 200 Seiten Text ist es dabei relativ schnell durchgearbeitet, so dass zeitnah mit der praktischen Lösung von Übungsfällen begonnen werden kann, für die z.B. mit dem Klausurtraining von Prof. Sauer aus derselben Reihe ein entsprechendes Fallbuch bereitsteht. Es kann daher allen Examenskandidaten – aber natürlich auch allen Studierenden vor einer regulären verwaltungsrechtlichen Klausur während des Studiums – nur empfohlen werden, zumindest einmal einen Blick in der Bibliothek in das Werk zu werfen und zu schauen, ob sie mit dem Schreibstil des Autors und der Zusammenführung von Prozessrecht und materiellem Recht zurechtkommen, denn es handelt sich hierbei definitiv um ein sehr gutes Werk, das uneingeschränkt empfohlen werden kann.



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