Maurach / Schröder / Maiwald / Hoyer / Momsen, Strafrecht Besonderer Teil, Teilband 1, Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, C.F. Müller, 11. Aufl. 2019
Von RA Dr. Sebastian Braun, Leipzig.
Die Herausgeber dieses Klassikers der strafrechtlichen Lehrbuchliteratur hatten eine Mammutaufgabe zu bewältigen, da die Vorauflage noch aus dem Jahr 2009 stammt. An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, sämtliche Novellierungen, die das Werk zu berücksichtigen hatte, aufzuführen. Selbiges gilt für ergangene Grundsatzentscheidungen und maßgebliche Beiträge aus der Literatur. Der Satz aus dem Vorwort „insgesamt blieb kaum eine Seite des Buches unverändert.“ spricht für sich.
Der vorliegende Teilband behandelt die Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte. Mit über 700 Seiten weist das Werk einen beachtlichen Umfang auf. Hierbei sollte demjenigen, der sich mittels dieses Lehrbuches die strafrechtliche Materie erschließen möchte, bewusst sein, welchem Konzept das Werk folgt. Nicht zu finden ist eine Aneinanderreihung examensrelevanter Einzelprobleme, deren Umfang insbesondere im Strafrecht stetig steigt. Vielmehr ist das Buch auf eine systematische Darstellung der Delikte ausgelegt, die dazu dient, Zusammenhänge zwischen den einzelnen Delikten herzustellen und die Wechselbeziehung zum Strafrecht AT herauszuarbeiten. Das Buch ist daher bestens geeignet, um sich ein vertieftes dogmatisches Grundverständnis zu erschließen. In der strafrechtlichen Lehrbuchliteratur findet man für diesen Zweck in solcher Darstellungstiefe kaum andere Werke.
Vertiefter habe ich mir zunächst § 29 zur Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs angesehen. Dieser Teil ist ursprünglich von Maiwaldbearbeitet worden, der in der vorliegenden Auflage seine Mitarbeit beendet hat. Fortgeführt wird der Part von Momsen. In die Bearbeitung hat bereits die Novellierung des § 203 StGB Eingang gefunden. Hierbei wird zunächst aufgezeigt, dass durch die Gesetzesänderung und die Neufassung von § 203 III StGB eine erleichterte Kommunikation mit externen Hilfspersonen möglich ist. In dem Kontext weitet Momsen den Blickwinkel des Lesers und verweist darauf, dass auch Verfahrens- und Berufsordnungsrecht durch die Novellierung von § 203 StGB berührt worden ist. Ferner zieht er die zutreffende und höchst praxisrelevante Konsequenz, dass aus den Neuregelungen nicht nur Erleichterungen, sondern auch weitreichende Verpflichtungen zur umfassenden „Datenschutz Compliance“ einhergehen (S. 345).
Weiterhin habe ich mir einen Klassiker angeschaut – die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung, S. 621-625. Auch an dieser Stelle wird die Herangehensweise des Werkes klar erkennbar: Der Leser soll das Problem verstehen und „nicht nur“ wiedergeben können. So wird sich dem Problem zunächst aus verschiedenen Perspektiven genähert und dabei untersucht, ob es sich bei der räuberischen Erpressung um ein Selbst- oder Fremdschädigungsdelikt handelt. Die wiederum von Momsen abgegebene Stellungnahme zu dem Problem - deren Ergebnis dem interessierten Leser an der Stelle nicht vorweggenommen werden soll - zeugt von einer begrüßenswerten Anwendung des ultima-ratio-Gedankens und behält Art. 103 II GG im Blick. Freilich übersteigt die Darstellung dieses Klassikers den Umfang dessen, was man in einer Examensklausur hierzu aufs Papier bringen müsste. Aber gerade darin liegt der Reiz des Buches, das eine Mischform aus Lehr- und Handbuch darstellt.
Ausdruck dieses Charakters ist im Übrigen auch der vorzufindende Fußnotenapparat. Bewusst haben sich die Herausgeber hierbei dafür entschieden, viele ältere Veröffentlichungen beizubehalten bzw. weiter einzupflegen. Hierin liegt ein großer Vorteil gerade für denjenigen, der das Buch aus wissenschaftlicher Perspektive zur Hand nimmt.
Als Fazit bleibt festzuhalten: Der neu aufgelegte Teilband zu den Persönlichkeits- und Vermögenswerten ist seit jeher ein fester Bestandteil der juristischen Aus- und Weiterbildungsliteratur. Für den studentischen Leser dürfte es bei Haus- und Seminararbeiten treue Dienste leisten und vor allem für Kandidaten geeignet sein, die sich vertieft und aus dogmatischer Perspektive einem strafrechtlichen Problemfeld widmen oder sich ein strafrechtliches Gesamtverständnis erarbeiten wollen.