Lammel – Müller, Ihre Rechte bei Diagnose Krebs, 2. Auflage, Walhalla 2020
Von RAin, Fachanwältin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf
Wer mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, dem schwirren viele Fragen durch den Kopf, aber immer wieder kreisen seine Gedanken um die eine Frage: "Warum ich?" In dieser Situation ist es sehr hilfreich, einen Ratgeber zu haben. Jeder Betroffene sollte sich vor Augen führen, dass er nicht der erste und letzte Erkrankte ist. Tausende haben diese Erfahrung bereits gemacht. Es ist kräftezehrend, von einer Stelle zur nächsten zu laufen, um sich mit Informationen zu versorgen: Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkasse, Selbsthilfegruppen, Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger, Sozialämter, etc. Warum also nicht sich auf die Erfahrungen anderer stützen?
An dieser Stelle kommt das Buch von Helga Lammel – Müller zum Zuge. Es ist eine Mischung aus praktischem und rechtlichem Berater; aber nur auf den ersten Blick. Sobald man sich inhaltlich näher damit beschäftigt, stellt man fest, dass es hauptsächlich um rechtliche Probleme geht, z.B. die Finanzierung des Lebensunterhalts, die Schwerbehindertenfeststellung und die Rente wegen Erwerbsminderung.
Es beginnt mit rein praktischen Tipps: Wie sollte die Vorbereitung auf den Krankenhausaufenthalt ablaufen? Einholen einer Zweitmeinung, Information über Ärzte und Krankenhäuser, Mitnahme von Bekleidung und anderen Utensilien ins KKH, abgerundet durch eine Musterpackliste für den Aufenthalt.
Für alle Juristen, die im Schwerbehindertenrecht tätig sind, folgt ein sehr interessantes Kapitel: "Informationen über den Krebs": Jeder Anwalt muss sich in diesem Bereich – bei Anwendung der Versorgungsmedizin – Verordnung bzw. Versorgungsmedizinischen Grundsätze – mit medizinischen Abkürzungen und Fachbegriffen auseinandersetzen, z. B. "pN0 (0/3 sn-)". In diesem Kapitel sind die medizinischen Begriffe, die bei Tumorerkrankungen immer in den Befundberichten vorkommen, erläutert. Da diese Bezeichnungen spätestens von einem Gericht ausgewertet werden, sollte man sich her unbedingt auskennen! Im anschließenden Kapitel über die Krankenbeförderung / Krankentransport findet sich eine Mischung aus praktischen Tipps (wie man den richtigen Taxifahrer findet) und rechtlichen Hinweisen (Genehmigung von Serientransporten durch die Krankenkasse, Zuzahlungsbefreiung). Es folgen rein praktische Ratschläge (Anlegen einer Krankenakte, wichtige Erledigungen vor der Krebsbehandlung, Selbsthilfegruppen, Ernährung und Sport).
"Rehabilitation / Anschlussbehandlung" ist hauptsächlich juristisch: Rechtliche Voraussetzungen, Kostenträger, Wunschklinik, Reisekosten, Zuzahlung. Die "Packliste für den Rehabilitationsaufenthalt" sorgt dann wieder für den praktischen Ausgleich.
Erneut ein sehr gelungenes Kapitel ist "Finanzierung des Lebensunterhalts". Krankengeld, Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, - alles das wird hier eingehend erläutert, abgerundet durch eine "Packliste" für die Antragstellung bei der Arbeitsagentur: Was muss man alles mitnehmen (Bankverbindung, letztes Arbeitszeugnis, evtl. Rentenbescheid, Verträge über Teleheimarbeitsplätze, etc.)
Mit dem Teil "Feststellung einer Schwerbehinderung" hatte ich – ganz ehrlich - in dieser Form nicht gerechnet. Auf 42 Seiten ist hier erschöpfend und detailliert alles dargestellt, was den Betroffenen interessiert und ein Anwalt wissen muss, um es im Gespräch mit einem Laien richtig einordnen zu können, z.B. die so beliebte (und komplett falsche) Addition von Behinderungsgraden. Eigentlich sollte man das Buch jedem Betroffenen (ob nun Tumor erkrankt oder mit orthopädischen Leiden o. ä.) in die Hand drücken. Die Ausführungen zu den Merkzeichen und Nachteilsausgleichen (letztere sind untechnisch zu verstehen) sind selbstredend vollständig. Natürlich fehlt hier auch die Darstellung zum Verfahrensablauf nicht.
Vollends überzeugend ist der Abschnitt über die Auswirkungen der Schwerbehinderteneigenschaft und Arbeitsrecht. "Nachteilsausgleiche am Arbeitsplatz", "Kündigungsschutz", "Betriebliches Eingliederungsmanagement", um nur einige Stichworte zu nennen.
"Nachteilsausgleiche bei Kfz und öffentlichem Nahverkehr", "Beitrittsrecht zu gesetzlichen Krankenversicherung", "sonstige Nachteilsausgleiche" runden das Kapitel ab, bevor es weitergeht mit "Erwerbsminderungsrente": Anspruchsvoraussetzungen, Antragstellung, Gutachtertermin, Befangenheit / Fehlverhalten des Gutachters, Ablehnungsbescheid.
Das letzte Kapitel behandelt die Rückkehr in den Beruf. Es folgt eine Liste mit Fachbegriffen, Literaturhinweise, Internetquellen und Kontaktadressen.
Fazit: Überzeugend wird hier juristisches Wissen für Betroffene (die in der Regel juristische Laien sind) "alltagstauglich" verpackt; abgerundet mit praktischen Tipps, Musterschreiben und Adressen. Ganz klare Kaufempfehlung!