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Rezension: European Financial Services Law

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Lehmann / Kumpan, European Financial Services Law, 1. Auflage, C.H. Beck 2019

Von RA Dr. Tilman Schultheiß, Dresden


Das vorliegende Handbuch „European Financial Services Law“ über das Europäische Recht zu Finanzdienstleistungen in englischer Sprache ist 2019 als erstes Werk dieser Art erschienen. Es handelt sich um ein Handbuch mit der Besonderheit, dass regulatorische Vorschriften aus verschiedenen Bereichen des Unionsrechts – wie für eine Kommentierung üblich – Artikel für Artikel abgehandelt werden. Dies ist aus meiner Sicht aus verschiedenen Gründen sehr sinnvoll, da hierdurch nicht nur die Übersichtlichkeit gesteigert wird, sondern weil der Anwender tatsächlich weniger an übergreifenden Komplexen zu einzelnen Themengebieten, die dann auf verschiedene Normen Bezug nehmen, interessiert ist, als vielmehr an konkreten Vorgaben und deren Reichweite.

Die geschlossene Darstellung der entsprechenden europäischen Vorgaben ist für die Praxis sehr wichtig und füllt eine Lücke. Gerade die Kommentierung einzelner Richtlinienvorgaben sucht man häufig erfolglos – der Regelfall sind Kommentierungen der entsprechenden nationalen Umsetzungsakte, die natürlich auch Ausführungen zur Auslegung der entsprechenden Richtlinienvorschriften enthalten, sich aber häufig nicht schwerpunktmäßig mit den Richtlinienvorgaben befassen.

Wie die Herausgeber im Vorwort völlig zu Recht herausstellen, hat sich die Regulierung von Finanzdienstleistungen EU-weit kontinuierlich ausgedehnt und ist durch eine stetig zunehmende Komplexität gekennzeichnet. Insoweit ist das bildlich beschriebene Ansinnen des Handbuchs, den Weg „durch den Dschungel von Richtlinien und Verordnungen“ zu weisen, so nachvollziehbar wie begrüßenswert. Das Handbuch schafft bemerkenswert komprimiert auf etwa 1.800 Seiten einen vollständigen Überblick über die betrachteten Vorgaben für Finanzdienstleistungen auf Ebene des Unionsrechts.

Der Kreis der Autoren besteht zum überwiegenden Teil aus Wissenschaftlern und zu einem kleineren Teil aus Praktikern. Das Buch unterteilt sich in insgesamt 6 Kapitel mit jeweiligen Unterkapiteln. Die Kapitel sind nach Themenkategorien geordnet, denen dann jeweils die entsprechenden regulatorischen Vorgaben zugeordnet sind (1. Wertpapiermarkt und Wertpapierdienstleistungen, 2. Marktverhalten, 3. Markttransparenz, 4. Fonds, 5. Wertpapierclearing und Settlement, 6. Zahlungsdienste). Insgesamt ist dabei festzustellen, dass das Handbuch in einer angemessenen Detailtiefe die zahlreichen regulatorischen Vorgaben untersucht und unter sorgfältiger Auswertung entsprechender Quellen (offizielle Normbegründung, Literatur und Rechtsprechung) eine sowohl praktisch als auch wissenschaftlich ausgesprochen hochwertige Darstellung liefert. Der Aufbau der einzelnen Kapitel und Subkapitel entspricht der einer klassischen Kommentierung (allgemeine Ausführungen zu Gesetzeszweck, Kontext und Gesetzesgeschichte und eigentlicher Kommentierungsteil). Gerade für den Praktiker systematisch sehr hilfreich ist dabei, dass sich bei den allgemeinen Vorschriften auch jeweils der Bezug zu etwaigen Level 2- und Level 3-Maßnahmen findet. Ohne diese verschiedenen Regulierungsebenen nach Lamfalussy kommt angesichts der zunehmenden Komplexität keine europäische Regulierung mehr aus und nicht selten ist es sehr aufwändig, sich zunächst den erforderlichen Überblick über die Richtlinie und die jeweils damit zusammenhängenden Level 2- und Level 3-Maßnahmen zu verschaffen.

Näher angesehen habe ich mir zunächst das Kapitel zum Marktverhalten, das sich mit der Markmissbrauchsrichtlinie (MAD), der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) sowie der Verordnung zu Leerverkäufen und Credit Default Swaps (SSR) befasst. Der Abschnitt zur MAR ist darunter wohl einer der praktisch bedeutendsten, auch weil die Auslegung und Reichweite der Normen über Marktmissbrauchstatbestände viele Schwierigkeiten bereitet, während daran durchaus schwerwiegende Sanktionen im Falle etwaiger Verstöße geknüpft sind. Der Marktmissbrauch umfasst – wie in der Einleitung zu dem Kapitel verdeutlicht wird – neben dem Insiderhandel die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation. Dabei enthält der Abschnitt zur MAR in der Einleitung eine detaillierte, aber komprimierte Darstellung der ereignisreichen Entwicklung des Marktmissbrauchsrechts. Die einzelnen Artikel der MAR werden sodann unter Auswertung der verfügbaren Quellen ausführlich kommentiert. Positiv hervorzuheben ist hierbei, dass beispielsweise der sehr komplexe Manipulationstatbestand in Artikel 12 übersichtlich und gut nachvollziehbar strukturiert ist (was im Vergleich zu anderen Werken keine Selbstverständlichkeit ist), wobei die nötige Detailtiefe gleichwohl ein angemessenes Maß erreicht. Der Anwender findet hier sehr schnell die gewünschten Informationen.

Auch das Kapitel über Fonds habe ich mir näher angesehen. Dieses unterteilt sich in die maßgeblichen regulatorischen Vorschriften (UCITSD und AIFM) entsprechend der AIFM-Richtlinie. In der bislang verfügbaren Literatur überwiegen deutlich die Publikationen zu den Umsetzungsakten auf nationaler Ebene (KAGB), während tiefergehende Kommentierungen der entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben rar sind. Wenngleich auch in den bislang verfügbaren Kommentierungen zu dem harmonisierten Recht die Vorgaben des entsprechenden Unionsrechts einfließen, fehlt oftmals eine weitere Vertiefung dahingehend. Mit Christian Schmies werden die investmentrechtlichen Vorschriften auch durch einen ausgewiesenen Experten im Fonds-Bereich kommentiert, was ebenfalls positiv hervorzuheben ist.

Insgesamt kann ich das Buch für die Praxis unbedingt empfehlen. Das Buch füllt eine bislang bestehende Leerstelle, die nicht nur daraus resultiert, dass eine geschlossene Darstellung zu diesen Themen nicht existiert, sondern dass sowohl hinsichtlich der Darstellungsform als auch hinsichtlich der Detailtiefe der im Einzelnen kommentierten (unionsrechtlichen) Normen bislang vergleichbare Publikationen sehr rar sind. Aus Sicht der Praxis ist dieses Buch sehr hilfreich und zum Kauf zu empfehlen.


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