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Rezension: Wettbewerbsrecht, Band 1: EU. Kommentar zum Europäischen Kartellrecht

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Körber / Schweitzer / Zimmer (Hrsg.), Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 1. EU Kommentar zum europäischen Kartellrecht, 6. Auflage, C.H. Beck 2019

Von RA Dr. Peter Gussone, Berlin



Die Neuauflage des seit Mitte der 1980er Jahre erscheinenden Standardwerks zum Deutschen und Europäischen Kartellrecht bringt neben der Änderung der Herausgeberschaft auch einen erheblichen Schwung neuer Autoren mit an Bord. Zu besprechen ist hier der 1. Band der auf fünf Bände angewachsenen Reihe des Immenga/Mestmäcker.

Es zeugt vom großen Respekt der neuen Herausgeber (verlegerische Vermarktungsüberlegungen mal unbeachtet) den Gründungsvätern der Reihe die Herausgeberschaft dem Titel nach zu belassen. Der Immenga/Mestmäcker wird auch künftig als solcher bezeichnet und zitiert werden. Der insofern erklärte Verzicht der anerkannten wie herausragenden neuen Herausgeber Körber, Schweitzer und Zimmer ist bemerkenswert.

Gliederung und Aufbau des 1. Bandes zum EU-Kartellrecht haben sich im Vergleich zur Vorauflage nicht wesentlich geändert. Die zuvor alleine stehenden Ausführungen zum Gewerblichen Rechtsschutz sowie Urheberrecht sind allerdings mit der Neuauflage in die einzelnen Kapitel integriert worden. Der Einleitungsteil der Gründungsväter des Kommentars zur Wirtschaftsverfassung der EU (Einleitung Abschnitt A) und Auslegung der Wettbewerbsregeln (Einleitung Abschnitt B) ist offenbar unverändert geblieben. Die Fußnote 1 ist insofern nicht recht verständlich. Abschnitt C der Einleitung ist dagegen von den neuen Herausgebern übernommen und aktualisiert worden.

Auch wenn der Immenga/Mestmäcker mit inzwischen 5 Bänden den kartellrechtlichen Großkommentaren vom Umfang her in nichts nachsteht, soll er ein Werk für den Praktiker bleiben. Regelmäßige Aktualisierungen sind daher zwingend. Hier liegen rund 7 Jahre zwischen 5. und 6. Auflage zum europäischen Kartellrecht. In dieser Zeit hat sich die Gesetzgebung verändert ebenso wie sich die europäische Rechtspraxis und Rechtsprechung zu den Kernbereichen Kartellverbot und Missbrauchsverbot weiterentwickelt hat. Im Bereich der Vertikal-GVO gibt es keine Sonderregelungen für den Kfz-Vertrieb mehr und auch in der Landwirtschaft ist die Gemeinsame Marktordnung insbesondere durch Abschaffung des Quotensystems erheblich geändert worden. Der EuGH hat z.B. in den Rs. C-230/16 - Coty Germany, C-413/14 Intel Corporation oder C-360/09 – Pfleiderer wichtige Entscheidungen zu Art. 101 AEUV in horizontaler und vertikaler Hinsicht gefällt.

Diese Weiterentwicklungen seit der Vorauflage sind bei den Kommentierungen berücksichtigt. Allgemein für das EU-Kernkartellrecht, also Art. 101 und 102 AEUV, zu überlegen wäre die Aufnahme einer Rechtsprechungsübersicht. Gerade bei längeren Fußnoten mit dem Verweis auf zahlreiche Entscheidungen der europäischen Gerichte zu einem Aspekt ist die Übersichtlichkeit nicht mehr gegeben. Zudem könnten auf diese Weise, für den Praktiker hilfreich, leicht die relevanten Entscheidungen zu einem Teilbereich, einer Auslegungsfrage des Kernkartellrechts gefunden werden.

Die Kommentierung des Kartellverbotes in Art. 101 AEUV erfolgt durch verschiedene Autoren für jeden der drei Absätze der Norm. Dabei ist es sinnvoll, dass Ellger als Autor des Abschnitts zu Art. 101 Abs. 3 AEUV ebenso die Kommentierung zur allgemeinen Vertikal-GVO verfasst hat. So können Überschneidungen und Doppelungen vermieden werden. Ein nützlicher Verweis ganz am Anfang des IV. Abschnitts Gruppenfreistellungsverordnungen lenkt den Leser dann auch für die grundsätzlichen und systematischen Fragen zur Anwendung des Systems der GVO auf die Kommentierung zu Art. 101 Abs. 3 AEUV.

Eine herausragende Stellung nimmt im Buch die Kommentierung des Kartellverfahrensrechts der VO 1/2003 ein. Hier werden sogar die kompletten Erwägungsgründe abgedruckt und auch vom Umfang nimmt die Kommentierung rund ein Drittel des gesamten Bandes ein. Bei den Ausführungen zur Bußgeldbemessung nach Art. 23 ist ein gewisser Spielraum für Kürzungen erkennbar. Es erschließt sich nicht ohne weiteres, warum der Autor ausführlich die Leitlinien der Kommission zur Bußgeldbemessung aus 1998 bespricht und im Einzelnen zu den einzig heute noch relevanten Leitlinien aus 2006 abgrenzt.

Insgesamt erweckt der 1. Band des Immenga/Mestmäcker in der Neuauflage Vorfreude auf die in 2020 erscheinenden weiteren Bände, insbesondere auch zum deutschen Kartellrecht. Das neue Herausgebertrio scheint das Gesamtwerk achtsam weiterzuentwickeln, ohne es im Kern zu ändern. Für den Bereich des europäischen Kartellrechts ist die nächste Auflage bereits vorgezeichnet mit dem Auslaufen wichtiger Gesetzgebung, z.B. der FuE-GVO in 2022.


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