Mitto, Energierecht, 2. Auflage, Kohlhammer 2019
Von Johann v. Pachelbel, Essen
Lutz Mitto hat nun die zweite Auflage seines Kurzlehrbuches zum Energierecht veröffentlicht. Auf 110 Seiten präsentiert er einen Abriss über die Struktur und die grundlegenden Regelungen des Regulierungsrechts für die Energiewirtschaft. Auf weiteren 40 Seiten werden andere Rechtsbereiche dargestellt im Hinblick darauf, wie sie sich mit dem Energierecht überschneiden. Hinzu kommt ein online verfügbarer Satz an Übungsfällen samt Lösungen, auf die im Text des Buches verwiesen wird.
Lutz Mitto beginnt sinnvollerweise nicht sofort mit einem Einstieg in die einzelnen gesetzlichen Regelungen, sondern stellt zunächst einmal das Regelungsobjekt vor: die Energiewirtschaft. Da große Teile des Energierechts sich anhand der Besonderheiten der Energiewirtschaft erklären, ist es für jede Abhandlung zum Energierecht entscheidend, dass diese Erklärung in der gebotenen Kürze alle wesentlichen Merkmale der Energiewirtschaft darstellt. Dies gelingt Mitto: Dem Leser werden zunächst die grundlegenden Aktivitäten der Energiewirtschaft vorgestellt. Energieproduktion, Energietransport (über Netze) und der Vertrieb der Energie an Abnehmer (der Verbraucher oder gewerbliche/industrielle Stromkunden). Die Besonderheiten der Energiewirtschaft werden vorgestellt: die starken Auswirkungen der Energieproduktion auf die Umwelt, das natürliche Monopol der Eigentümer der Stromnetze, und so weiter. Besonders gut verständlich ist ein Kapitel zu den verschiedenen Zielen, die Gesetze bei der Regulierung der Energiewirtschaft im Auge haben und inwiefern diese Ziele im Konflikt zueinanderstehen und so die besonderen Herausforderungen der Regulierungen des Energiemarktes mit sich bringen. Besonderes Augenmerk legt Mitto hier auf das Ziel, die Energiewirtschaft CO2-neutral zu gestalten, was Investitionen erfordert, welche den Energiepreis steigen lassen und somit für einem Teil der Bevölkerung Wohlstandseinbußen bedeuten. Mitto bringt es auf den Punkt, indem er schreibt: „Energiepolitik ist zugleich immer auch Umwelt-, Wettbewerbs-, Fiskal-, Industrie-, Struktur-, Sozial-, und nicht zuletzt Außen- und Sicherheitspolitik“.
Nach den grundlegenden Erklärungen steigt Mitto so richtig in die Materie ein: Zuerst ist das Energiewirtschaftsgesetz dran (EnWG), in welchem Mitto einen Schwerpunkt auf die Regelungen zur Entflechtung des Energiemarkts setzt, die zum Ziel haben, dass trotz des natürlichen Monopols der Netzeigentümer auf der Transportebene der Wertschöpfungskette so viel Wettbewerb wie möglich herrscht und marktwirtschaftliche Effekte zu angemessen niedrigen Verbraucherpreisen Anwendung finden. Hier schafft es Mitto, wirklich komplizierte Materie auf kurzem Platz sehr verständlich darzustellen. Das ist wirklich ein kleines Kunststück, wo doch die Regelungen im EnWG zur Entflechtung von Energieunternehmen wahrlich nicht einfach zu verstehen sind. Der Rezensent hat schon deutlich ausführlichere Lehrbücher zum Thema gelesen, in denen trotz mehr Raum zum Erklären der Text weniger aufschlussreich war. Nur an wenigen Stellen scheitert auch der Contentdichte-Künstler Mitto an der schieren Komplexität der Materie. Der Rezensent hatte zum Beispiel Schwierigkeiten, die Ausführungen zur Entflechtung von Transportnetzbetreibern zu verstehen, in denen Mitto auf nur 2 Seiten versucht, die drei Entflechtungsarten für Transportnetzbetreiber zu erklären, welche das EnWG bereitstellt.
Im Weiteren spricht Mitto die klassischen Regelungsbereiche des EnWG, unter anderem Netzanschluss und Netzzugang, durch. Er erklärt die Einbettung des deutschen Energierechts in die europäische Energiepolitik und stellt in diesem Zusammenhang die grundlegenden Europäischen Energiepolitiken und dessen Akteure wie zum Beispiel die EU-Behörde ACER vor. Ein weiterer interessanter Punkt, der von Mitto ins Auge genommen wird, ist die Entwicklung der Energienetze hin zum Smart Grid. Dafür legt er zunächst eine Definition des Smart Grid vor und schafft damit Abhilfe, um dem so viel genutzten wie nicht inhaltlich definierten Terminus Smart Grid eine konkrete Form zu geben. In diesem Zusammenhang erklärt er den Sinn des Messstellenbetriebsgesetzes. Dies empfindet der Rezensent als Vorteil, weil dieser aus beruflicher Erfahrung weiß, dass rechtliche Fragen rund um die Messtechnik eine wichtige Rolle in der Rechtsberatung der Energiewirtschaft spielen, die Kenntnis vieler jungen Energierechtler auf dem Gebiet der Regulierung von Messtechnik jedoch meist rudimentär ist. Ein weiterer behandelter Punkt ist die Regulierung des Netzausbaus. In diesem Zusammenhang geht Mitto um des Verständnis willens auch auf allgemeines Verwaltungsrecht wie zum Beispiel das Recht des Planfeststellungsverfahrens in der VwVfG ein. Auch hier war der Rezensent begeistert: Auf einigen Seiten wird in kleinen Abschnitten zwischen dem Text zum Netzausbau Schritt für Schritt der Ablauf eines Planfeststellungsverfahren und die Stufen der Öffentlichkeitsbeteiligung erklärt. Dies verbildlicht den Ablauf der Planung des Netzausbaus ungemein.
Insgesamt zeigt sich hieran der didaktische Ansatz des Kurzlehrbuches: Mitto kombiniert die speziellen Erklärungen zum Energierecht mit den notwendigen Inhalten des allgemeinen Verwaltungsrechts. Somit wird für den Leser zum einen die Stellung des Energierechts im deutschen Recht als besonderes Verwaltungsrecht klar. Weiterhin erhöht sich das Verständnis für einzelne Elemente des Energierechts, wenn man sich im Klaren darüber ist, wie die Regelungen in das allgemeine Verwaltungsrecht eingebettet sind.
Zur weiteren optischen Unterstützung des Fließtextes kommen grau unterlegte Boxen mit Extra-Informationen. Somit wird für den Leser das Elementare von Zusatzwissen getrennt. Ohne Probleme lassen sich Infoboxen auch überspringen, ohne dass der Textfluss unterbrochen wird. Diagramme visualisieren besonders komplexe Regelungsbereiche anschaulich. An wenigen Stellen allerdings wird es unübersichtlich: Da häufen sich die grauen Infoboxen so sehr, dass man aus dem Lesefluss des Fließtextes herauskommt und zuweilen ein wenig desorientiert ist. Hier hätte sich eine bessere Entzerrung des Spezialwissens angeboten.
Nichts desto trotz ist der Rezensent, der das Energierecht ausführlich selber studiert und in der anwaltlichen Praxis erlebt hat, überzeugt von der Geeignetheit dieses Kurzlehrbuches, dem Neuling auf dem Bereich des Energierechts einen sehr guten Überblick zu geben. Es ist die Auswahl der Themen die von Mitto in den Ausführungen priorisiert werden, die dieses Lehrbuch von anderen Lehrbüchern abhebt und dem Leser einen guten Einblick in die aktuellen Brennpunkte des Energierechts verschafft. Eine Leseempfehlung wird wärmstens erteilt.