Arbeitslosenprojekt TuWas (Hrsg.), Leitfaden zum Arbeitslosengeld II, 14. Auflage, Fachhochschulverlag (Frankfurt am Main) 2019
Von RAin, FAin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf
Rechtsratgeber zum Arbeitslosengeld II – Grundsicherung für Arbeitssuchende - gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, - von unterschiedlicher Güte. Die meisten sind aus der Sicht von Richtern (!) geschrieben, sehr viele von Lehrenden (entweder hauptamtlich oder Lehrbeauftragte, z.B. Anwälte). Im Unterschied hierzu ist das vorliegende Buch aus der Sicht Betroffener verfasst. Was auf den ersten Blick nicht so ergiebig wirkt (beliebte Diskussionsforen im Internet helfen beim Erfahrungsaustausch, bringen aber nicht unbedingt weiter), bewahrheitet sich allerdings nicht. Es ist tatsächlich ein Kompendium von geradezu erschlagendem Umfang und erscheint mittlerweile in der 14. Auflage (Stand 2018).
Die Autoren sind - neben dem Arbeitslosenprojekt TuWas - Ulrich Stascheit, Verleger im Fachhochschulverlag, und Ute Winkler, Präsidentin des Landessozialgerichts Sachsen – Anhalt a. D. (ohne Richter geht’s eben doch nicht).
Berücksichtigt sind die zahlreichen Änderungen im Grundsicherungsrecht durch das 10. SGB II – Änderungsgesetz und weitere Änderungen durch andere Gesetze. Besonders hervorzuheben sind die detaillierten Erläuterungen zum sozialversicherungsrechtlichen Schutz (Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung). Dieser Punkt wird meist arg vernachlässigt. Hier wird sogar der "Entwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung" berücksichtigt. Warum gerade die Krankenversicherung Arbeitssuchender ansonsten so stiefmütterlich behandelt wird, ist schleierhaft. Immerhin handelt es sich um mehrere Millionen Versicherter und das Thema birgt jede Mende Streitpotential.
Inhaltlich dreht sich alles um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II. In 22 Kapiteln ist der Inhalt dieses (reichlich gestückelten und ständig reformierten) Gesetzes eingehend beleuchtet. Zwei weitere Kapitel behandeln das Verfahren der Rechtsdurchsetzung (logische Folge eines Ratgebers von Betroffenen für Betroffene: Was nützt es, dass "was" zu wissen, wenn man das "wie?" nicht umsetzen kann). Außerdem steht der Name des Herausgebers, Arbeitslosenprojekt TuWas, schon programmatisch dafür ein, dass es nicht nur bei theoretischer Betrachtung bleibt, sondern auch praxisbezogene Darstellung und Umsetzung folgt.
Aber nicht nur Betroffene, Beraterstellen und Arbeitsloseninitiativen nutzen den Ratgeber, er hat sich mittlerweile einen solchen Ruf erworben, dass er als Standardwerk auch von Rechtsanwälten häufig eingesetzt wird und in den Bibliotheken der Sozialgerichte vorhanden ist.
Die Perspektive der Leistungsberechtigten steht dabei natürlich im Mittelpunkt. Ein eigenes Buch behandelt die Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II. Wäre hierzu auch noch ein eigenes Kapitel enthalten, würde der Umfang des Ratgebers bei weitem gesprengt, der jetzt schon mit 1120 Seiten nicht gerade zu den Leichtgewichten gehört.
Wobei sich die Herausgeber eines "Tricks" bedient haben: Das Buch ist nicht auf dem herkömmlichen 80 – 130 gr schweren Papier im Buchdruck gedruckt, sondern es besteht aus dünnerem, grauen Papier (auch spöttisch "Recyclingpapier" genannt). Auch das Schriftbild ist recht klein.
Lesbarkeit wird trotzdem erzeugt, in dem der Fließtext am inneren Rand vorhanden ist, am äußeren Rand sind Stichwörter in blauer Schrift zu dem jeweiligen Abschnitt. Im Text werden immer wieder teils brandaktuelle Gerichtsurteile aller Instanzen vom SG bis zum BSG zitiert. Da das SGB II ständig reformiert, ergänzt und uminterpretiert wird, kommt es hierauf gerade besonders an.
Das weitaus umfangreichste Kapitel ist die Anrechnung von Einkommen in all ihren Facetten. Exemplarisch für alle anderen Kapitel wird hier der Aufbau geschildert: Es beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis (gefasst in ein graues Kästchen). Die Überschriften sind jeweils blau gedruckt. Zunächst sind die entsprechenden Paragraphen (in diesem Fall §§ 11, 11 a, 11 b, 13, 77 SGB II, 1 – 6 Alg II – VO) genannt. Mit römischen Ziffern folgen jeweils Unterkapitel (Was ist Einkommen? Welche Einkommen werden angerechnet? Wie wird anrechenbares Einkommen angerechnet? Wie wird laufendes und einmaliges oder gelegentlich zufließendes Einkommen angerechnet? Anrechnung von Einkommen bei Alg I – Aufstockern, etc.). Diese Unterkapitel sind ihrerseits unterteilt mit arabischen Zahlen: z.B. 1.3.10 Der Erwerbstätigenfreibetrag oder 14. Anrechnung von Mischeinkommen). Richtig hilfreich sind die zahllosen Beispiele im Text (als solche auch gekennzeichnet). Schon im Buch selbst sind einige Tipps mit einem Piktogramm (Fingerzeig) gekennzeichnet.
Das letzte Kapitel zeigt wieder auf, dass es ein Buch zu Selbsthilfe ist: Im Kapitel "Tipps zu guter Letzt" sind wichtige Adressen und Fundstellen im Internet gelistet.
Fazit: eine dicke Kaufempfehlung (hat das dieser Ratgeber noch nötig?) alleine schon wegen der unzähligen Beispiele mit Berechnungen (mir ist kein Jurist bekannt, der gerne rechnet. Jobcenter haben dafür Computerprogramme) und der dazu ergangenen brandaktuellen Rechtsprechung. Allein die Abhandlung über das Thema "Kranken-, Pflege-, Unfall-, Rentenversicherung" macht den Ratgeber lesenswert!