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Rezension: Wirtschaftsvölkerrecht

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Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, 4. Auflage C.F. Müller 2017

Von Johann v. Pachelbel, Essen



Prof. Markus Krajewski erklärt das Wirtschaftsvölkerrecht aufs Neue. Alle jungen Studenten und Praktiker hergehört, die sie sich auf das spannende, weil so neue, politisch geprägte und stetig aktuelle Gebiet des Rechts der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten vorwagen wollen: Das vorliegende Kurzlehrbuch von Krajewski zum Wirtschaftsvölkerrecht ist als Anleitung zu diesen ersten Schritten wunderbar geeignet. Ganz sanft führt Krajewski den Leser an das Konzept von internationalem Wirtschaftsrecht heran und erklärt, wie Wirtschaftsrecht national, europäisch und zwischenstaatlich gesetzt wird. Dabei fängt er wirklich ganz von vorne an, also können schon geübte Völkerrechtlicher das Grundlagen-Kapitel getrost überspringen. Mir als jungem Völkerrechtler hat im Grundlagenkapitel besonders der Teil zu den Grundprinzipien und den wichtigsten Teilen des allgemeinen Völkerrechts gefallen. Dort beschreibt Krajewski Gebiete wie zum Beispiel die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten in knappen Sätzen so kompakt, dass es das Gedächtnis weckt und altes Wissen frisch aktiviert für die kommende substantielle Lektüre. Diese beginnt mit dem Welthandelsrecht, welches mit über einem Drittel des Lehrbuches den größten Platz einnimmt. Weitere Abschnitte sind das Investitionsrecht – der zweite große Block des Lehrbuchs. Kleine übersichtsartige Abschnitte zum Internationalen Wettbewerbsrecht, dem Internationalen Währungs- und Finanzrecht, dem Entwicklungsvölkerrecht und der regionalen Wirtschaftsintegration runden das Lehrbuch ab. Die eigentliche Substanz des Lehrbuches bilden aber eben das Welthandels- und das Investitionsrecht. Auf diese wird im Folgenden das Hauptaugenmerk geworfen.

Jeder Abschnitt – zum Beispiel das Welthandelsrecht – gliedert sich in Kapitel, die die wesentlichen Felder des besprochenen Rechts darstellen. Diese sind jeweils eingerahmt durch knappe Literaturübersichten mit überwiegend deutschsprachiger völkerrechtlicher Fachliteratur, einem Beispielfall am Anfang und Wiederholungsfragen sowie der entsprechenden Falllösung am Ende. Der Fließtext geht in passenden Momenten in einer bulletpointartige Aufzählung von Punkten auf und ist zuweilen von Kästchen mit kurzen Merksätzen durchbrochen. Somit gewinnen die knappen Darstellungen der jeweiligen Rechtsgebiete den Charakter kompakter Lernübersichten. Der Text wird weiter strukturiert durch die Hervorhebung von Schlagworten oder Schlagsätzen mittels fetter Schrift und der Darstellung von fremdsprachlichen (meist englischen) Fachbegriffen in kursiv. Besonders beispielhafte Fälle werden kleingedruckt als eingerückter Absatz an der passenden Stelle dazwischen geschoben. Bei einschlägigen Normen werden tabellarische Prüfungsschemata angeführt.

Insgesamt gelingt die visuelle Strukturierung des Textes sehr gut. Insbesondere ermöglicht dies das Überfliegen des Textes auf der Suche nach bestimmten Themen, welche dem Leser dann deutlichen ins Auge springen, ohne dass er konzentriert jedes Wort des Textes lesen muss. Auf der Strecke bleiben hier natürlich weiterführende Ausführungen. Diese sind so rabiat herausgekürzt, dass dem Leser zuweilen durch das Lesen des kurzen Textes mehr Fragen als Antworten entstehen.

Schade ist meiner Meinung nach, dass viele kurze Beschreibungen von Schiedsgerichts-Entscheidungen im Abschnitt Investitionsrecht nicht mit Fußnoten versehen sind. Zuweilen fallen Sätze wie: „einige Schiedsgerichte haben […] entschieden“, welche bei dem schon fortgeschrittenen Wirtschaftsvölkerrechtler das Interesse wecken, zu wissen um welche Entscheidungen es sich den handelt. Diese Recherche-Mühe wurde sich für das vorliegende Kurz-Lehrbuch nicht gemacht. So verbleibt der Nutzen des vorliegenden Lehrbuches doch zum größten Teil bei absoluten Neulingen des Wirtschaftsvölkerrechts, welche mit genauen Fußnoten zu speziellen Entscheidungen nichts anfangen können und davon überfordert wären.

Ein Mehrwert des vorliegenden Buches, der über die Heranführung von völligen Neulingen an das Rechtsgebiet heraus geht, ist die Abdeckung vieler aktueller Diskussionen im Wirtschaftsvölkerrecht, vor allem im Abschnitt Investitionsrecht. Das sich im Aufbruch oder Umbruch befindende Völkerrecht des Investitionsschutzes hält die Öffentlichkeit durch stetig neue aufbrandende Diskussionen in Atem. Es besteht gerade auf diesem Gebiet die Notwendigkeit, sich stetig auf dem aktuellen Stand der Diskussion zu halten, um eine substantielle Meinung zu Themen des Investitionsschutzes abzugeben. Das vorliegende Lehrbuch reißt viele solcher aktueller Diskussionen (Stand des Lehrbuches ist 2017) an. Dies fand ich als schon fortgeschrittener Student und Praktiker im internationalen Investitionsrecht spannend und hilfreich.

Ein besonders spannendes Kapitel ist jenes über Regeln für multinationale Unternehmen. Da hier die Substanz internationaler Kooperation selten in Form von „harten“ Rechtsnormen und vielmehr aus sogenanntem „soft law“ besteht, weicht dieses Kapitel von den vorherigen ab. Essayistisch werden hier Möglichkeiten aufgezeigt, im gegenwertigen internationalen System weltweit geltende Regeln für Unternehmen aufzustellen und diese durchzusetzen. Die Besprechung des Probleme und Lösungsansätze ist lebhaft. Es sind Kapitel wie dieses, Kapitel die abdriften von der etwas drögen klassischen Form eines deutschen Lehrbuches, die das vorliegende Lehrbuch zum Wirtschaftsvölkerrecht von Krajewski zur spanenden Lektüre auch für fortgeschrittene Studenten und junge Praktiker im Bereich des Wirtschaftsvölkerrechts machen. Hier wird sich getraut, von der starren Form deutscher juristischer Lehrbücher abzuweichen und sich der lebhafteren, erzählerischen Form anglo-amerikanischer Lehrbücher zum Völkerrecht angenähert.

Zuletzt sei positiv hervorgehoben die vergleichende Perspektive zwischen Investitionsschutzrecht und nationalem (vor allem deutschem) Verfassungsrecht, die das vorliegende Lehrbuch einnimmt. Zum Beispiel beim Thema Enteignung werden die verschiedenen Regelungsansätze im Völkerrecht und im nationalen Verfassungsrechte herausgearbeitet und dann erklärt, welche Konsequenzen diese Unterschiede haben. Leise deuten sich Werturteile über diese Divergenz an, welche dem schon geübten Investitionsschutzrechtler sofort ins Auge springen. Es ist dies eine weitere spannende Komponente, die bei diesem Lehrbuch den Reiz ausmacht.

Ich verbleibe mit einer Leseempfehlung für zwei Gruppen: Zunächst Neulinge auf dem Gebiet des Welthandels- und Investitionsrechts, welche sich einen ersten Überblick verschaffen oder damit ihre Grundlagenvorlesung begleiten wollen. Zweitens fortgeschrittene Studenten und Praktiker, die insbesondere auf dem Gebiet des Investitionsrechts Denkanstöße zu aktuellen Diskussionen und grundsätzlichen Problemen in diesem Gebiet erhalten wollen. 



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