Adick / Bülte (Hrsg.), Fiskalstrafrecht - Straftaten gegen staatliche Vermögenswerte, 2. Auflage, C.F. Müller 2019
Von Ass. iur. Elena Genne, Münster
Mit der ersten Auflage des Werks haben sich die Autoren einer bekannten Rechtsmaterie angenommen und diese neu interpretiert, indem sie Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten zusammengeführt haben, die zusammengehören, und zwar solche gegen die öffentlichen Haushalte. Man findet zur Genüge Literatur zum Steuerstrafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, die jedoch gewöhnlich die Rechtsmaterien isoliert betrachtet. Das vorliegende Werk vereint diese beiden Materien unter dem Dach des Strafrechts gegen die öffentlichen Haushalte. Insofern haben die Autoren – wie von ihnen beabsichtigt – kein weiteres Werk zum Steuerstrafrecht oder zum Wirtschaftsstrafrecht geschaffen, sondern etwas Neues.
Das Werk umfasst insgesamt 24 Kapitel. Das 1. Kapitel enthält in der Einleitung die Erklärung, warum eine einheitliche Darstellung des Fiskalstrafrechts so nützlich sei. In einem kurzen Überblick enthält das 1. Kapitel auch Angaben zu der Entwicklung der typischen Fiskalstraftatbestände (Steuerstraftatbestände, Bestechungs-, Betrugs-, Untreuestraftatbestände sowie die Entwicklung des europäischen Strafrechts gegen die Steuer- und Haushaltsdelikte). Zum Schluss widmet sich das 1. Kapitel dem Begriff Fiskalstrafrecht.
Kapitel 2 behandelt eines der Zentralanliegen des Werks - die Europäisierung des Strafrechts. Das deutsche Strafrecht unterliege einem starken europäischen Einfluss, so der Autor des Kapitels 2. Dies äußere sich insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH zum Steuerstrafrecht, aber auch in Bereichen des Subventionsbetrugs, der Geldwäsche oder des Kapitalmarktstrafrechts. Kapitel 3 bis 6 behandeln Verfahren bei Wirtschafts- und Steuerdelikten (Zuständigkeit und Organisation der Finanzbehörden, der Staatsanwaltschaften und der Zollbehörden) sowie Europarechtliche Verfahrensvorschriften. Kapitel 5 ist gänzlich dem Akteneinsichtsrecht nach den Vorschriften der StPO gewidmet.
Kapitel 7 bis 10 behandeln das Allgemeine Strafrecht, darunter Themenbereiche wie die Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, Vorsatz und Fahrlässigkeit, die Versuchsstrafbarkeit sowie Täterschaft und Teilnahme. Das Ziel dabei ist ein Überblick des Allgemeinen Teils des Strafrechts bei gleichzeitiger Fokussierung auf die fiskalstrafrechtliche Besonderheiten wie z.B. die Blankettstrafgesetze (Rn. 31 f. des Kapitels 7) oder die Vorverlagerung der Strafbarkeit auf die leichtfertige Rechtsgutsgefährdungen (Rn. 29 des Kapitels 7). Kapitel 11 geht auf die Strafbarkeit der Berater ein, deren Tätigkeit besonders risikobehaftet sei. Rechtsfolgen für die Unternehmen werden in Kapitel 12 behandelt. Kapitel 13 bis 15 lenken ihre Aufmerksamkeit auf die strafprozessualen Fragen des Fiskalstrafrechts. Das Kapitel 16 erläutert die fiskalstrafrechtlichen Besonderheiten im Hauptverfahren.
Kapitel 17 bis 24 haben die eigentlichen Straftatbestände des Fiskalstrafrechts zum Gegenstand. Kapitel 17 behandelt die Steuerhinterziehung als eine Zentralnorm des Fiskalstrafrechts (Rn. 1 des Kapitels 17). Das Kapitel folgt dem klassischen Aufbau einer Strafnorm, angefangen mit dem Täterkreis, den Tathandlungen und dem Taterfolg, macht einen Abstecher zu den Hinterziehungen bei einzelnen Steuerarten (Umsatzsteuer, Einkommenssteuer, Lohnsteuer, Verbrauchssteuern etc.), streift den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung, um dann zu den Rechtsfolgen der Steuerhinterziehung überzugehen. Abgerundet wird das Kapitel durch die ausführliche Darstellung der Besonderheiten im Strafverfahren, inklusive praktischer Hinweise, die aus der Sicht der Verteidigung besonders relevant seien (Rn. 153 des Kapitels 17).
Kapitel 18 umfasst knapp 60 Seiten und hat die Steuerordnungswidrigkeiten zum Gegenstand. Hier geht der Autor auf die einzelnen Steuerordnungswidrigkeiten kommentarartig ein (leichtfertige Steuerverkürzung § 378 AO, Steuergefährdung § 379 AO, Gefährdung der Abzugssteuern § 380 AO, Verbrauchssteuergefährdung § 381 AO, Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben § 382 AO, unzulässiger Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen § 383 AO, zweckwidrige Verwendung des Identifikationsmerkmals § 383a AO, Verletzung zollrechtlicher Anzeigepflichten § 31 a ZollVG und Schädigung des Umsatzsteueraufkommens § 26b UStG). Kapitel 19 beschreibt die Möglichkeiten der Korrektur steuerlicher Verfehlungen, mit besonderem Augenmerk auf die Selbstanzeige gem. § 371 AO, deren formale Voraussetzungen und die gesetzlich normierten Sperrgründe sowie die Möglichkeit der Teilselbstanzeige für Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhinterziehung.
Kapitel 20 behandelt Zölle und Marktordnungen. Das Unterkapitel Zölle erklärt zunächst in aller Kürze den Begriff Zölle und liefert einen Überblick zum Zollrecht, das aus verschiedenen europäischen und nationalen zollrechtlichen Vorschriften besteht, sowie einen weiteren Überblick zu dem Zollstraf- und Zollordnungswidrigkeitenrecht. Nachfolgend widmet sich der Autor den Zollstraftaten wie der Zollhinterziehung gem. § 370 AO, dem Bannbruch gem. § 372 AO, dem Schmuggel gem. § 373 AO, der Steuerhehlerei gem. § 374 AO und schließt das Unterkapitel mit der Selbstanzeige gem. § 371 AO. Beginnend mit einer Einleitung zum Marktordnungsrecht werden sodann die Zuständigkeiten der Zollverwaltung und Marktordnungen vorgestellt sowie abschließend der strafrechtliche Schutz finanzieller Interessen der EU, insbesondere der hier einschlägigen § 264 StGB (Subventionsbetrug) und § 370 AO (Steuerhinterziehung).
Subventionsbetrug ist Gegenstand des Kapitels 21, mit einem Überblick über die einschlägigen Vorschriften und der Vorstellung einzelner Straftatbestände in notwendiger Tiefe. Verfahrensfragen (z.B. Zuständigkeiten, Vermögensabschöpfung etc.) runden das Bild ab. Im 22. Kapitel wird die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit vorgestellt. Ein Großteil des Kapitels machen die Gesichtspunkte zur Verteidigung bei Vorwürfen im Zusammenhang mit Schwarzarbeit aus, aufgeteilt nach einschlägigen Vorschriften (Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266 a StGB, Arbeitnehmerüberlassung nach AÜG, illegale Ausländerbeschäftigung nach § 10 SchwarzArbG und § 404 Abs. 2 Nr. 3, 4 SGB III sowie Mindestlohnverstöße nach § 21 MiLoG und § 23 AEntG). Aktuelle Reformvorhaben im Bereich der Schwarzarbeitsbekämpfung und die geplante Ausweitung der Befugnisse der Zollverwaltung durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch konnten noch nicht Gegenstand dieser Auflage sein.
Kapitel 23 behandelt die Haushaltsuntreue ein, mit der Untreue im Sinne des § 266 StGB gegen öffentliches Vermögen durch öffentliche Bedienstete gemeint ist. Hier gehen die Autoren insbesondere auf die haushaltsrechtlichen Vorgaben des Bundes und der Länder ein. Das Werk schließt mit dem Kapitel 24 ab, mit dem Betrug gemäß § 263 StGB zu Lasten öffentlichen Vermögens. Von Interesse ist hier insbesondere das Verhältnis des § 263 StGB zu der Steuerhinterziehung, der Hinterziehung anderer Abgaben, dem Subventionsbetrug und der Vorenthaltung von Beträgen zur Sozialversicherung. Der Autor belegt seine Ausführungen mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung (z.B. durch Täuschung erlangte Abwrackprämien oder Parteienfinanzierungen, manipulierte Anträge auf Kurzarbeitergeld, Betrug bei Vergabe von Denkmalfördermitteln oder Erschleichen von BaföG-Leistungen).
Die 2. Auflage des Werks berücksichtigt die Weiterentwicklungen des Fiskalstrafrechts der letzten Jahre. So fanden in der Neuauflage das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz als Reaktion auf die Veröffentlichung der sog. Panama-Papers durch ein Journalistennetzwerk (Rn. 107 des Kapitels 18), die Neufassung des neuen zum 26.06.2017 in Kraft getretenen Geldwäschegesetzes oder die Neugestaltung des Rechts der Vermögensabschöpfung (Kapitel 4 Rn. 73, Kapitel 12 Rn. 61 f. und Kapitel 15) sowie zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen (z.B. Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit strafschärfender generalpräventiver Erwägungen, zum Begriff des Scheingeschäfts im Kontext der Steuerhinterziehung, zur Umsatzsteuerhinterziehung durch Unterlassen, zu den Verweisungen im Markenrecht oder die Nürburgring-Entscheidung, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum VW-Dieselskandal etc.) Berücksichtigung.
Das Werk ist 751 Seiten stark, verfügt darüber hinaus über eine Inhaltsübersicht und ein Inhaltsverzeichnis sowie ein Stichwortverzeichnis. Zu Beginn eines jeden Kapitels ist eine ausführliche Literaturliste aufgeführt. Daneben findet sich ein einheitliches Literaturverzeichnis am Anfang des Werks.
Das Werk wurde von insgesamt 23 Autorinnen und Autoren verfasst, wobei sich die Autorenschaft aus zahlreichen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Beamtinnen und Beamte der Bundesfinanzverwaltung sowie Professorinnen und Professoren zusammensetzt. Es sind somit überwiegend Praktiker, die sich mit dem Thema Fiskalstrafrecht befasst haben und die sich konsequent auf die Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten gegen die öffentlichen Haushalte konzentriert haben. Das Werk ist durchweg strukturiert, logisch aufgebaut und gut gegliedert. Die Kapitel enthalten zahlreiche Verweise auf andere Kapitel und greifen die Thematik anderer Autoren aus der Blickrichtung der eigenen Thematik gekonnt auf, ohne sich zu wiederholen. Keine leichte Aufgabe bei einem derart umfassenden Werk, die die Autorinnen und Autoren scheinbar mühelos gemeistert haben. Den Autorinnen und Autoren ist ein durchweg klar strukturiertes und qualitativ hochwertiges Werk gelungen, das nicht nur für die Anwaltschaft geeignet ist, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz und der Verwaltung.