Weymüller (Hrsg.), Umsatzsteuergesetz, 2. Auflage, C.H. Beck 2019
Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen
Der in der Reihe der „Beck’schen Steuerkommentare“erscheinende Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, herausgegeben von Rainer Weymüller, Vorsitzender Richter am Finanzgericht München, ist genau genommen kein eigenständiger Kommentar, sondern die Druckausgabe des entsprechenden Online-Kommentars aus dem Hause C.H. Beck (BeckOK UStG). Vom Verlag treffend als „praxisnahes Erläuterungswerk“ beworben, ist der „Weymüller“ noch recht frisch auf dem im Übrigen von den „Platzhirschen“ Bunjes, Sölch/Ringleb und Rau/Dürrwächter dominierten Feld der umsatzsteuerrechtlichen Kommentarliteratur. Aufgrund der mittlerweile vielfachen Einstrahlung des europäischen Rechts ins nationale Umsatzsteuerrecht freut sich der Praktiker aber oftmals (oder erachtet es gar als erforderlich), mehrere Kommentare zur selben Fragestellung zu konsultieren, um zur bestmöglichen und möglichst rechtssicheren Lösung zu gelangen. Das Erscheinen des Weymüller in der nun 2. Auflage ist daher sehr zu begrüßen.
Der Aufbau des Kommentars ist klassisch. Den üblichen Verzeichnissen folgen kurze grundsätzliche Anmerkungen zum Umsatzsteuergesetz (S. 3 ff.). Sodann schließt sich die eigentliche Kommentierung des UStG an. Im Anhang befindet sich schließlich noch die Verordnung (EG) Nr. 638/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Gemeinschaftsstatistiken des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3330/91 des Rates (sog. InfrastatVO). Das Werk schließt mit einem äußerst umfangreichen Sachverzeichnis von mehr als einhundert Seiten. Dies ist bei einem Kommentar wie dem vorliegenden sehr zu begrüßen, da gerade im Steuerrecht doch überaus viele verschiedene Konstellationen zu berücksichtigen sind. Um zur gesuchten Stelle zu gelangen, ist das Sachverzeichnis daher regelmäßig der schnellste Weg. So sind hierüber auch Ausführungen zu eher unbekannteren Problemstellungen aufzufinden, etwa dem ermäßigten Steuersatz von „Hülsenfrüchten“, der Steuerermäßigung für „Hufpflegeleistungen“ oder zur Steuerbarkeit von selbst erzeugtem „Winzersekt“.
Einige Stellen möchte ich pars pro toto herausgreifen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels versuchen Arbeitgeber, durch zusätzliche Anreize – seien sie materieller oder immaterieller Art – neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuwerben. Neben der Höhe und Zusammensetzung der Vergütung sowie weiteren materiellen Zuwendungen (etwa Dienstwagen oder technischer Ausstattung) ist oftmals auch zu beobachten, dass neue Beschäftigte mit der kostenfreien oder jedenfalls stark vergünstigten Überlassung von Parkplätzen am Arbeitsort „geködert“ werden sollen. Dabei stellt sich in einem ersten Schritt vielerorts die Frage, ob bei der Anmietung von Parkplätzen mit dem Ziel der Untervermietung an Beschäftigte bereits auf den Mietzins Umsatzsteuer anfällt. Dies wird man grdsl. mit Blick auf § 4 Nr. 12 S. 2 UStG bejahen müssen. Mietet der Arbeitgeber allerdings Büroflächen samt Parkplätzen an, so fällt in diesem Rahmen wg. § 4 Nr. 12 UStG keine Umsatzsteuer an (§ 4 Nr. 12, Rn. 22 ff.). Denn die Parkplätze teilen als unselbstständige Nebenleistung insofern regelmäßig das Schicksal der Hauptleistung (§ 4 Nr. 12, Rn. 64.1). Dabei ist sogar unbeachtlich, ob es sich um zwei getrennte zivilrechtliche Verträge handelt; wichtig ist aber, dass die Verträge zwischen denselben Vertragspartnern geschlossen werden (ibid.). Im zweiten Schritt ist dann die Frage zu klären, ob die Überlassung an die Beschäftigten der Umsatzsteuer unterfällt. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn – wie Peltner zutreffend darstellt – die Überlassung unentgeltlich erfolgt (§ 1, Rn. 131.5). Ist die Überlassung dagegen, etwa i.R.d. Untervermietung, entgeltlich – und erfolgt sie auch verbilligt –, so unterfällt dieses Entgelt (d.h. die dem Beschäftigten in Rechnung gestellte Parkplatzmiete) der Umsatzsteuer (ibid.). Dies gilt – wie der BFH bereits entschieden hat – sogar in solchen Fällen, in denen die Parkplatzüberlassung im überwiegenden unternehmerischen Interesse erfolgt (BFH, Urt. v. 14.1.2016 – V R 63/14, DStR 2016, 597). Diese steuerlichen Konstellationen sollten bei der Überlassung von Parkplätzen an Beschäftigte daher stets berücksichtigt werden, um nachträgliche Überraschungen zu vermeiden.
Ein anderes Thema betrifft die Steuerbefreiung von Schul- und Hochschulunterricht nach § 4 Nr. 21 UStG. Kurz zusammengefasst befreit die Norm unter bestimmten Voraussetzungen „unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater und anerkannt vergleichbarer Schulen und Bildungseinrichtungen sowie die Unterrichtsleistungen selbstständiger Lehrer“von der Umsatzsteuerpflicht (§ 4 Nr. 21, Rn. 1). Ehrt legt hier richtigerweise dar, dass damit die zugrunde liegende europäische Norm, Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL, nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde (§ 4 Nr. 21, Rn. 8). Mangels möglicher richtlinienkonformer Auslegung ist daher eine unmittelbare Berufung auf die Bestimmungen der Richtlinie möglich (vgl. BFH, Urt. v. 28.5.2013 – XI R 35/11, UR 2013, 712). Im Anschluss widmet sich Ehrt dann zunächst vertieft der nationalen Vorschrift des § 4 Nr. 21 UStG (Rn. 12 ff.). Die stetig an Relevanz gewinnende Rechtsprechung des EuGH zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL wird aber ebenso gebührend berücksichtigt (Rn. 64 ff.). In diesem Rahmen ist vor allem der unionsrechtlich autonom auszulegende Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ brisant, dessen Konturen zwar schärfer werden, aber für den Rechtsanwender immer noch recht unklar sind. Gerade an solche Stellen überzeugt das vorliegende Werk besonders. Indem die Kasuistik auf das Wesentliche reduziert prägnant dargestellt wird, wird dem Leser die Übersicht über die (möglichen) Linien der Rspr. ermöglicht. Eine solche Darstellungsweise würde ich mir auch in vielen anderen Werken wünschen. Inhaltlich ist das Werk an dieser Stelle (bedingt durch eine zwischenzeitlich veröffentlichte EuGH-Entscheidung) leider bereits etwas überholt. Zwar deutet Ehrt richtigerweise schon an, dass Fahrschulunterricht wohl nicht als „Schul- und Hochschulunterricht“ i.S.d. Richtlinie einzuordnen sei (§ 4 Nr. 21, Rn. 74). Die mittlerweile vorliegende Entscheidung des EuGH hierzu (EuGH, Urt. v. 14.3.2019, C-449/17, ECLI:EU:C:2019:202 – A & G Fahrschul-Akademie GmbH, UR 2019, 294) konnte aber naturgemäß noch nicht berücksichtigt werden. Danach wird die durch Finanzgerichte und BFH herausgearbeitete Rechtsprechung wohl grundsätzlich zu modifizieren sein (vgl. nun auch BFH-Vorlagebeschluss v. 8.5.2019 – Az. V R 32/18, UR 2019, 418 mAnm Bünnemann).
Wirklich gut gefällt mir die über das ganze Werk hinweg gelungene Struktur und Aufmachung des Kommentars. So folgt jede Kommentierung dem identischen Aufbau aus Überblick (mit Inhalt, Zweck, Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften, Unionsrecht und Gesetzesänderungen) sowie Voraussetzungen der Norm im Einzelnen. Teilweise werden noch weitere Gliederungspunkte, etwa zur grdsl. Systematik (vgl. etwa § 21 UStG), eingefügt. Zudem sind den einzelnen Kommentierungen – soweit der Umfang es gebietet – kurze Inhaltsübersichten vorangestellt. Der obligatorische Fettdruck erleichtert ebenso die Lesbarkeit und Übersicht wie das angenehme Schriftbild. Im Übrigen finden sich auch einige Strukturmerkmale der BeckOK-Aufmachung wieder – etwa der Verzicht auf einen Fußnotenapparat, die kleinere Schriftgröße von vertiefenden Hinweisen (insbesondere weitere Fallkonstellationen, Rechtsprechung oder Anwendungserlasse betreffend) oder die überaus vielen Randnummern. So tragen die vertiefenden Hinweise stets eigene „Unterrandnummern“ (Bsp.: Hauptrandnummer: 115, Vertiefende Hinweise: 115.1, 115.2, …). Letzteres ist zwar vom Grundsatz her eine gute Sache, um Stellen konkreter zitieren zu können. Jedoch wäre es dann auch sinnvoll, dass das Sachverzeichnis auf diese „Unterrandnummern“ verweisen würde und nicht – wie so oft – lediglich auf die jeweils übergeordnete „Hauptrandnummer“.
Der Weymüllerist aufgrund seiner Verfügbarkeit in Beck-Online und seiner regelmäßigen Aktualisierung bereits zu einem der Standardwerke auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts avanciert. Der Kommentar ist zwar gewiss kein „Groß-Kommentar“, aber doch mit fast 2.000 Seiten derart umfangreich, dass viele Fragen der täglichen Praxis hiermit beantwortet werden können. Für Vertreter aus Anwaltschaft, Finanzverwaltung, Richterschaft oder betrieblicher Praxis, ebenso wie für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bietet das Werk daher einen hervorragenden Zugang zu den Fragen des Umsatzsteuerrechts, wenngleich man in Detailfragen um vertiefende Literatur nicht herumkommen wird. Wer allerdings bereits einen Zugang zum BeckOK UStG hat, für den wird die Druckversion wohl grundsätzlich entbehrlich sein. Denn der Online-Kommentar bietet mit seiner regelmäßigen Aktualisierung naturgemäß einen höheren Grad an Aktualität als die Druckausgabe. In solchen Konstellationen böten sich wünschenswerter Weise „Kombi-Pakete“ aus Druck- und Onlineversion an. Ungeachtet dessen, ob der Zugang analog oder digital erfolgt, gilt aber: Der Weymüller ist ein hervorragendes Nachschlagewerk, das ich sehr empfehlen kann.