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Rezension: Prüfungsrecht

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Niehues / Fischer / Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage, C.H. Beck 2018

Von Ass. iur. Elena Genne, Münster


Im Rahmen der Schul-, der beruflichen Ausbildung, des Hochschul- oder des universitären Studiums treten regelmäßig Probleme im Zusammenhang mit Modul- und Abschlussprüfungen auf. Fehlerhafte Prüfungsentscheidungen haben weitreichende Folgen für den weiteren Ausbildungsverlauf der Prüflinge. Prüfungsrechtliche Fragen sind dabei sehr vielfältig. Allen voran sind es die Mängel des schriftlichen oder des mündlichen Prüfungsverfahrens, die Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung sein können. Das sind bspw. die Verletzung von prüfungsrechtlichen Verfahrensregeln, die Nichtzulassung zur Prüfung, die fehlerhafte Besetzung des Prüfungsausschusses, die Annahme eines Täuschungsversuchs, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Prüflings und der damit zusammenhängende Nachteilausgleich, die Befangenheit der Prüfer oder die Verletzung der Chancengleichheit bei den äußeren Prüfungsbedingungen. Des Weiteren sind es inhaltliche Bewertungsfehler der Prüfungsleistung, wie die Bewertung von vertretbaren Prüfungsleistungen als falsch, die Nichtbeachtung der Bewertungsregeln, oder sachfremde Erwägungen der Prüfer, die auf Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot deuten.

Das „Prüfungsrecht“ von Niehues, Fischer und Jeremias erscheint in der 7. Auflage und gehört mittlerweile zu den Standardwerken des Prüfungsrechts, relevant nicht nur für die Gerichte, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Prüfungsämter der Hochschulen und Universitäten. Die Autoren schöpfen Ihr Wissen und die Ergänzungen des Werks vor allem aus der Praxis. Durch ihre regelmäßige Seminartätigkeit erfahren sie von den neusten Problematiken im Bereich des Prüfungsrechts, die vor Gerichten noch keine Rolle gespielt haben, jedoch die Praktiker regelmäßig beschäftigen.

Nach einer Einführung in die Thematik werden die Rechtsgrundlagen des Prüfungsrechtes vorgestellt. Das Kapital B legt besonderen Augenmerk auf die Gültigkeit bzw. die Ungültigkeit der Prüfungsordnungen und die daraus folgenden Auswirkungen auf das Prüfungsverfahren. Im Kapitel C folgt eine Darstellung des Prüfungsverfahrens. Hierbei werden insbesondere Rechte und Pflichten der Prüflinge im Prüfungsverfahren sowie die korrekte Besetzung der Prüfungskommission behandelt, abgerundet durch die Rechtsfolgen der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Bewertung der Prüfungsleistung, inklusive der inhaltlichen Anforderungen an die Bewertung sind Gegenstand des Kapitels D. Darauf folgt in Kapitel E die Prüfungsentscheidung mit deren Bekanntgabe und Begründung. Das Kapitel E geht auf die Prüfungswiederholung ein. Einwendungen gegen die Prüfungsentscheidung und das interne Kontrollverfahren sind Gegenstand des Kapitels F. Zu guter Letzt enthält das letzte Kapitel eine detaillierte Übersicht zu prozessualen Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Die Neuauflage der Werks erscheint seit der letzten Auflage im Jahr 2014 und berücksichtigt unter anderem Themen wie elektronische Prüfungen und verarbeitet ca. 250 gerichtliche Entscheidungen, die seit 2014 im Bereich des Prüfungsrechts erlassen wurden. Insbesondere die Fragen der Prüfungsunfähigkeit und eines möglichen Nachteilsausgleichs spielen im Prüfungsrecht mittlerweile eine sehr wichtige Rolle und werden von den Autoren aufgegriffen. Gerade für Praktiker ist es von hoher Bedeutung, wie eine Krankheit oder Prüfungsunfähigkeit gerichtsfest prüfungsrechtlich zu behandeln ist. Hierbei geht es nicht darum, die Chancen des Prüflings auf ein (besseres) Prüfungsergebnis zu steigern, sondern die Chancengleichheit wiederherzustellen. Die Autoren gehen ausführlich auf die Merkmale der Prüfungsunfähigkeit ein und berücksichtigen dabei die neuste Rechtsprechung zu der Thematik (Rn. 250 ff.). Die bereits oft auch gerichtlich erörterte Problematik des Prüfungsstresses und der Prüfungsangst wird von den Autoren erneut aufgegriffen und klarstellend festgestellt, dass Prüfungsangst im Allgemeinen im Risikobereich des Prüflings liege, ausgenommen die Prüfungsangst manifestiere sich als ein weiterreichendes psychisches Leiden (Rn. 256).

In einem Exkurs (Rn. 258) widmen sich die Autoren dem Thema Dauerleiden und Nachteilsausgleich, auch in Abgrenzung zu der Prüfungsunfähigkeit. Dabei wird verdeutlicht, dass der Sinn eines Nachteilsausgleichs bei einem Dauerleiden gerade nicht der sei, die Prüfungssituation an die persönlichen Voraussetzungen des Prüflings anzupassen und damit das Prüfergebnis zu verfälschen, sondern wiederum die erforderliche Chancengleichheit herzustellen. Handele es sich bei den Behinderungen nicht um solche, die aktuell geprüfte Befähigungen betreffen, sondern den Nachweis der vorhandenen Befähigung erschweren, aber durch Hilfsmittel ausgeglichen werden können, so seien sie im Rahmen eines Nachteilsausgleichs angemessen zu berücksichtigen (Rn. 259).

Schließlich beschäftigen sich die Autoren mit der Frage des Nachweises einer Prüfungsunfähigkeit, insbesondere im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht (Rn. 275 ff.).

Die rechtmäßige Auswahl und Bestellung der Prüfer ist ein in der Praxis nicht selten auftretendes Problem, dem die Autoren ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt haben. Die Autoren betonen, dass es kein Recht des Prüflings auf einen „gesetzlichen Prüfer“ gebe. Dennoch müsse die Bestellung der Prüfer ordnungsgemäß erfolgen, wie dies von der jeweils einschlägigen Prüfungsordnung vorgesehen ist. Die Autoren führen schließlich zahlreiche Verstöße gegen die Bestimmungen einer ordnungsgemäßen Prüferbestellung auf und setzen sich mit den Folgen der mangelhaften Bestellung auseinander. Das Beteiligungsrecht des Personalrats ist Gegenstand einer Randnummer (Rn. 372). Auf die Beteiligung einer oder eines Schwerbehindertenbeauftragten an dem Prüfungsverfahren gehen die Autoren an dieser Stelle nicht ein.

Als weitere Grenzen des Gestaltungsermessens der Prüferinnen und Prüfer sowie der Prüfungsbehörden wurde die neue Regelung zum Mutterschutz berücksichtigt, die nun seit Anfang 2018 auch auf Schülerinnen und Studentinnen Anwendung findet und explizit auch Prüfungssituationen berücksichtigt.

Darüber hinaus geht das Werk auf die neuen Vorschriften zum automatisierten Verwaltungsverfahren und der Bekanntgabe der Verwaltungsakte ein – hier besonders interessant für die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidungen über elektronische Hochschulinformationssysteme (§ 41 Abs. 2 a VwVfG).

Die Frage der elektronischen Prüfungen ist aus der Sicht der Autoren in der Rechtsprechung noch nicht angekommen. In dem Werk beschäftigen sie sich mit der Frage der Notwendigkeit einer normativen Grundlage für die Durchführung elektronischer Prüfungen.

Das Werk enthält eine Inhaltsübersicht sowie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie ein Sachregister. Es ist durchgehend mit zahlreichen und ausführlichen Verweisen auf Literatur und vor allem auf die Rechtsprechung in den Fußnoten versehen.

Die Thematik des Prüfungsrechts ist selten Gegenstand juristischer Literatur, mit der sich auf das Prüfungsrecht spezialisierte Juristinnen und Juristen – wie die Autoren des Werks es zweifelsohne sind – beschäftigen. Das „Prüfungsrecht“ von Niehues, Fischer und Jeremias ist mittlerweile ein Standardwerk auf dem Gebiet des Prüfungsrechts und seit Jahren unverändert auf qualitativ hohem Niveau. Insgesamt kann eine uneingeschränkte Kaufempfehlung ausgesprochen werden. 


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